Mordfall Charlotte Böhringer
15.11.2022 um 11:31Hedda schrieb:Ausgehend von seiner „Täterleugnerschaft“, wie er es in der Akte-Doku bezeichnetet, kam ja dennoch auf, dass er Frauke eine Lebenslüge vorgaukelte und dass nicht erst seit gestern.Ich denke, seine Strategie ist es insgesamt, sich als "Opfer der Umstände" darzustellen: Der ganze Leistungsdruck im Jurastudium; der Lebenstraum, Schaupieler zu werden (er ist ein feinsinniger und kreative Mensch, kein Verwalter, der jahrelang nur dröge Paragraphen pauken kann); die Sorge und Verzweifelung, dass die strenge und sehr leistungsorientierte Tante ihm den Geldhahn zu drehen wollte; er hat den Abbruch des Jurastudiums selbst als Niederlage gesehen, deswegen hat er allen etwas vorgespielt, aber er konnte so einfach nicht mehr weiterleben, ihm fehlte die kreative Luft zum atmen.....blablabla
Sie wollte bestimmt eine Erklärung dafür haben, eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung, einen Plan, den er sich zurechtgelegt hatte.
Das gilt auch für seine Eltern, seinen Bruder, seinen besten Freund, seine übrigen guten Freunde.
Ich meine nicht, dass er damit den Mord rechtfertigten will, den hat er ja seiner Meinung nach nicht begangen. Sondern damit erklärt er seinem Umfeld, warum er diese Lebenslüge ihnen gegenüber gespielt hat.
Er balanciert da durchaus geschickt auf einem feinen Grad zwischen dem Zugeben, dass man einen schlimmen Fehler gemacht und das Vertrauen von Angehörigen und Freunden missbraucht hat, dem Heischen nach Verständnis und Verzeihen, weil man selbst ja nichts dafür kann, sondern durch unglückliche Umstände dazu gezwungen wurde und dem sich selbst aber gleichzeitig als prinzipiell überlegen Darstellen.
Offenbar gelingt ihm das gegenüber den Angehörigen.
Die Tante schien in der Familie nicht sonderlich beliebt zu sein. Sie war durch die Heirat mit dem viel älteren Oskar Böhringer sehr reich geworden, lies das nach außen wohl auch sehr wohl durchblicken und führte ein extravagantes Leben. Sie hatte selber keine Kinder, wollte stattdessen wohl den beiden Neffen das Vermögen zukommen lassen, aber hat dafür dann auch ordentlich Respekt, Fleiß und wohl auch eine gewisse Unterwürfigkeit zurückgefordert. Aus ihrer Sicht durchaus verständlich, zumal es ihr auch sehr wichtig schien, dass das Vermögen in gute Hände gerät und weiter vermehrt wird, weshalb sie ja wollte, dass Benedikt sich für die Aufgabe als Geschäftsführer durch das Jura-Studium qualifiziert.
Ich denke schon, dass da durchaus auch ein bisschen Neid mitgespielt hat, sie war nur durch die Heirat unverschämt reich geworden und hat das die anderen durchaus spüren lassen. Das ging mit Sicherheit bei weitem nicht so weit, dass einem der Mord an ihr egal war, das war sicher für alle ein sehr einschneidendes und schreckliches Erlebnis.
Aber man hatte eben auch Verständnis dafür, dass der feinsinnige Benedikt dem Druck, der durch Charlotte Böhringer auf ihn ausgeübt wurde, nicht gewachsen war und keinen anderen Ausweg mehr wusste, als allen eine Lebenslüge vorzuspielen.