Mordfall Charlotte Böhringer
24.08.2021 um 05:17emz schrieb:Gehen wir bei Schwere der Schuld von einer Haftdauer von 23 Jahren aus, las mal, das sei in Bayern so der Durchschnitt, dann käme er in acht Jahren raus. Dieses letzte Drittel wird er auch noch überstehen, erwartet ihn dann doch ein sorgenfreies Leben.Das ist wohl so :)
Und um es noch einmal deutlich zu machen: Das Leugnen allein rechtfertigt keineswegs, eine mögliche Strafaussetzung zu verweigern oder zu verschieben. Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Das Strafvollstreckungsgericht hat bei der Entscheidung auf die Frage der künftigen Gefährlichkeit abzuzielen, dafür hat es eine sogenannte Sozialprognose zu stellen bzw. vom Gutachter einzuholen. Diese kann durch ein fortgesetztes Leugnen der Tat beeinflusst werden, allerdings gibt das Bundesverfassungsgericht da auch klare Grenzen vor. Man kann also keineswegs pauschal behaupten, dass Leugnen der Tat regelmässig zu einer "Verlängerung" der Strafe führt. Das ist Unsinn. Es kommt immer auf die Umstände des Falles an und bedarf einer sehr genauen Begründung.
Dass der Verurteilte die Tat leugnet, kann für sich allein eine negative Sozialprognose nicht stützen. Das mag zwar die Tatbewertung als Indiz fortbestehender Gefährlichkeit erschweren; ein ärztlicher Erfahrungssatz, wonach aus dem Leugnen der Tat auf den Fortbestand der Gefährlichkeit geschlossen werden kann, ist jedoch nicht ersichtlich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, S. 2202 <2204>). Allerdings kann in Fällen, in denen aufgrund des Leugnens eine Aufarbeitung des Motivationsgefüges der Tat nicht ermöglicht und damit auch die Erstellung einer positiven Sozialprognose wesentlich erschwert wird, dies Auswirkungen auf die Entscheidung über die Aussetzung der Freiheitsstrafe haben (vgl. BVerfGE 117, 71 <106>).Bundesverfassungsgericht 2 BvR 2961/12 -
Die gebotene prognostische Bewertung verlangt vom Richter eine besonders sorgfältige und eingehende Prüfung aller relevanten Umstände. Dabei kommt dem verfahrensrechtlichen Gebot einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung die Bedeutung eines Verfassungsgebots zu (vgl. BVerfGE 117, 71 <105> m.w.N.). Es verlangt, dass sich der Richter ein möglichst umfassendes Bild über die zu beurteilende Person verschafft (vgl. BVerfGE 70, 297 <310 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, S. 2202 <2203>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Oktober 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, S. 502 <503>).
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/01/rk20160111_2bvr296112.html
Und:
Das Gutachten muss sich mit dem Persönlichkeitsbild des Inhaftierten und seiner Sozialprognose auseinandersetzen (§ 454 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es bezieht sich auf die faktische Einschätzung der künftigen Gefährlichkeit und setzt eine Mitarbeit des Lebenszeitgefangenen bei der Begutachtung voraus. Hierbei ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Tatsache Bedeutung beigemessen wird, ob der Verurteilte die Tat einräumt oder abstreitet. Insbesondere in den Fällen, in denen auf Grund des Leugnens der Tat eine Aufarbeitung des Motivationsgefüges der Tat nicht ermöglicht und damit auch die Erstellung einer positiven Sozialprognose wesentlich erschwert wird, kann dies Auswirkungen auf die Entscheidung über die Aussetzung der Freiheitsstrafe haben.Quelle: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 578/02
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Das Maß der Einsicht in das begangene Unrecht und die Aufarbeitung der Tat können und müssen in die Prognoseentscheidung einfließen. Dies wird angesichts eines die Täterschaft oder Tatbeteiligung und die Schuld des Verurteilten rechtskräftig feststellenden Strafurteils nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Betroffene die Tat leugnet.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/11/rs20061108_2bvr057802.html
Schaut man sich diese und andere einschlägige Urteile an, wird man feststellen, dass die Verweigerung der Strafaussetzung regelmässig auf grund anderer und schwerwiegenderer Tatsachen gegründet ist als dem "Leugnen der Tat oder Schuld."
Da es sich bei dem Mord an seiner Tante um eine Tat handelte, die unter relativ speziellen Bedingungen geschah, das Tatgericht gerade hinsichtlich des Motivs umfangreiche Feststellungen getroffen hat, und angesichts seines bisher bekannten untadeligen Verhaltens im Vollzug, vermute ich, dass er im Rahmen der in Bayern üblichen Fristen vorzeitig entlassen werden wird.