@Cassandra71Auf der anderen Seite spricht es aber auch nicht dafür, dass jemand schuldig ist, wenn er wie Bence seine Unschuld beteuert.
Mein Lieblingsfall hierzu ist der von Eduard Trautmann, der 1910 in einem Indizienprozess rechtskräftig wegen Totschlags an seiner Freundin zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Ernst von Salomon erzählt in seinen Erinnerungen "Der Fragebogen" von einer Begegnung mit Trautmann im Gefängnis. Von Salomon soll ausgerufen haben: "Hier in Saal 1 sind 100 Mann und 100 behaupten unschuldig zu sein. 99 davon glaube ich das unbesehen, nur nicht dem Trautmann!" Trautmann sei daraufhin mit einem Schemel hinter ihm her gelaufen.
1922 wurde Trautmann freigelassen. Man hatte durch einen Zufall den wahren Mörder gefunden: Es handelte sich um den Serienmörder Karl Denke, der über alle seine Opfer, aus denen er unter anderem Schnürsenkel herstellte, minutiös in einer kleinen Kladde Buch geführt hatte. Auch die Freundin von Trautmann war in diesem Büchlein verzeichnet.
Bence Toth ist rechtskräftig verurteilt, das steht fest. Das Urteil ist nach allen Regeln der Kunst gefällt worden; ich kann keine Rechtsirrtümer erkennen. Aber so gut ein Gericht auch arbeitet, ein letzter Rest Unsicherheit bleibt auch dann. Auch das Gericht im Trautmann-Fall hatte handwerklich gut gearbeitet. Die bizzarre Unwahrscheinlichkeit, dass Trautmanns Freundin auf so absurde Weise einem Monstrum zum Opfer gefallen war, statt einer Beziehungstat, konnte in Trautmanns Fall niemand seriös zugrunde legen.
Für Bence Toth wäre es im Hinblick auf eine eventuelle vorzeitige Haftentlassung wegen guter Führung von Vorteil, wenn die Tat umfassend einräumen und sich mit ihr auseinandersetzen würde. Mit seinem hartnäckigen Leugnen wird er die Strafe - schuldig oder nicht - bis zum letzten Tag absitzen müssen (falls nicht der völlig unwahrscheinliche Fall eintritt, daß es doch noch ein Hinweis auf einen Dritten als Täter gibt). Dass er die Tat, im Wissen um diesen Umstand, dennoch abstreitet, spricht m.E. eher für ihn.