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Mordfall Charlotte Böhringer

28.687 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

30.05.2020 um 00:53
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:Ich will keinem auf die Füsse treten, aber ob nun eine oder mehrere Personen irren, die falschen Schlüsse ziehen etc, macht nun keinen Unterschied.
Hm, gilt das auch für Geisterfahrer auf der Autobahn? :-)
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:Daher kann und darf jeder Verurteilte alle Rechtsmittel, auch sofern möglich, wiederholt nutzen.
Das ist natürlich richtig. Im Zivil-, Verwaltungsgerichts-, Arbeitsgerichts-, Sozialgerichtsprozess gilt das gleiche: Hat man den Prozess verloren, kann man immer ins zulässige Rechtsmittel, bis da Schluss ist. Schon aus Kostengründen sollte man sich aber bei relativ eindeutiger Rechtslage Gedanken machen, wie sinnvoll bzw. erfolgversprechend das ist.


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30.05.2020 um 03:16
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das ist natürlich richtig. Im Zivil-, Verwaltungsgerichts-, Arbeitsgerichts-, Sozialgerichtsprozess gilt das gleiche: Hat man den Prozess verloren, kann man immer ins zulässige Rechtsmittel, bis da Schluss ist. Schon aus Kostengründen sollte man sich aber bei relativ eindeutiger Rechtslage Gedanken machen, wie sinnvoll bzw. erfolgversprechend das ist.
Die persönliche Freiheit ist ein hohes Gut und die Frage, ob man sich Zeit seines Lebens als verurteilter Mörder bezeichnen lassen muss oder möchte, ist auch belastend. Ich denke, daß da jeder selbst entscheiden darf, was er unter Kostengesichtspunkten und der sog. Erfolgsaussicht investieren möchte.

Tausende Leute spielen jede Woche Lotto und die Gewinnaussicht dort, ist schlechter als 3 Prozent bei einem Wiederaufnahmeverfahren. Unter Kostengesichtspunkten in Relation
zur Erfolgsaussicht, zu gewinnen, sollten also auch die Lottospieler aufhören, Lotto zu spielen. Tun sie aber nicht.


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30.05.2020 um 05:58
Leider scheinen einige mitforenten hier eine vollkommen falsche Vorstellung von der Arbeit, aber auch der Motivation von Strafverteidigern zu haben, und auch nicht so recht das Verständnis der Rechtslage.

Aus guten Gründen, die @Andante hier angesprochen hat, ist die Rechtssicherheit ein wichtiges Gut in einem Rechtsstaat. Mit anderen Worten: irgendwann muss Schluss sein, muss ein Urteil stehen bleiben. Man kann nicht bis zum St. Nimmerleinstag prozessieren.

Andererseits hat @Coconut19 hier ganz Recht, dass die Freiheit eines Menschen eines der kostbarsten Güter in einem Rechtsstaat ist, und freilich, dass da wo Menschen urteilen, ob als Richter oder Schöffen, sachliche aber auch handwerkliche Fehler passieren. Selbst einem Götzl, der sich vielleicht für nahe an unfehlbar hält, passiert so was.

Daher ist es gut, dass es eine Revision gibt, und gut, dass es die Möglichkeit gibt, eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zu erreichen, aber auch gut, dass letztes nicht sehr einfach ist.

Und dann gibt es Verteidiger. Zwar sind alle geprüfte Juristen, aber nicht jeder Strafverteidiger hat die Erfahrung, die Kenntnisse und die Persönlichkeit, sich auf der ebene höchster Gerichte mit schwierigen Verfahren auseinanderzusetzen. Ein Mandant ist jedenfalls gut beraten, wenn er nach einem Mordurteil nicht gerade einen jungen, unerfahrenen Feld- Wald und Wiesenanwalt beauftragt, ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen, sondern einen eher erfahrenen Kollegen.

Und umgekehrt tut jeder Jurist gut daran, sich selbst zu prüfen, ob er sich das zutraut, und dann den Mandanten und seinen Fall genau zu prüfen, ob dieser eine Aussicht auf Erfolg hat. Hier allerdings muss man vorsichtig sein: es gibt so gut wie keine "offensichtlichen" Fehlurteile - dazu ist das Rechtssystem schon gut genug. Es kommt auf wichtige, oft versteckte Details an.

Und so gibt es relativ wenige Kollegen, die sich so etwas zutrauen, und vermutlich noch weniger Mandanten, deren Fälle den Anschein machen, dass hier ein Erfolg möglich ist. Umgekehrt darf man aber auch das Ansinnen, einen Fall zu prüfen nicht leichtfertig ablehnen, weil die Schuld doch so "offensichtlich" sei.

Und daher, das soll der langen Rede kurzer Sinn sein, gibt es auch m.E. keine Anwälte, die sich leichtfertig auf so einen Weg begeben, oder gar im Sinne des amerikanischen Sprichworts des "ambulance chasers" hinter solchen Fällen her sind. Im Gegenteil. Ich habe das Glück, dass ich in Wiederaufnahmen erfolgreich gewesen bin, aber solche Fälle kommen nur sehr sehr selten zur Tür hinein. Dagegen ist es schon so, und bestimmt beim Kollegen Strate auf grund seiner Bekanntheit noch viel mehr, dass einen sehr viele Anfragen von Verurteilten erreichen. Ich will es mal kurz und knapp darstellen: in 99 von 100 Fällen sage ich einem solchen Verurteilten, dass ich persönlich keine sonderliche Aussicht auf Erfolg sehe und daher den Fall nicht annehme.

Denn das will ich hier doch einmal deutlich machen: Man nimmt keine Fälle an, wenn man selbst nicht überzeugt ist, dass es zumindest eine ehrliche Chance gibt, den Fall zu gewinnen. Es wäre zutiefst unethisch einen Fall anzunehmen, ein Honorar zu kassieren - wenn es denn eines gibt - obwohl man weiss, dass die Erfolgschance bei fast 0 liegt. Täte man das, wäre es mit der Reputation auch bald vorbei, man würde sich selbst am Ende nur schaden.

Das bedeutet nicht, dass man Dinge nicht auch mal falsch einschätzt. Ich habe mal einen Fall abgelehnt, den ein anderer Kollege dann angenommen und zum Erfolg geführt hat - offensichtlich war meine Einschätzung falsch. Wie gesagt, wir sind alle nicht unfehlbar. Umgekehrt "verliert" man auch mal einen Fall, den man für absolut überzeugend gehalten hat.

Daher finde ich es schade, wenn hier z.B. RA Strate unterstellt wird, er würde Fälle nur als "Egotrip" sehen und sozusagen schon eine "Ausrede" parat haben, wenn es kein Erfolg wird.
Ich sehe das anders, eher wie ein Arzt, der z.B. einem krebskranken Patienten offen sagt, dass es nur eine 20% Chance gibt, zu überleben, der aber, wenn der Patient diese Chance wahrnehmen will, doch alles nach seiner "Kunst" tut, den Patienten zu retten. Wie würde man sich fühlen, wenn jeder Arzt nur abwinken würde und sagen würde, "nee, behandle ich nicht, da nicht von vornherein klar ist, dass du geheilt wirst."

Ich erinnere mich in meiner Kinderzeit gab es Lehrer, die Eltern unverblümt erzählten, dass ihr Grundschulkind am Ende der 4. Klasse keine Chance auf dem Gymnasium hätte und es daher gar nicht erst dort eingeschult werden sollte. Und dieses Kind hat, weil die Eltern stur blieben, einige Jahre später ein einser-Abitur gemacht. :)

Für mich ergibt sich daraus, dass jeder Fall verdient, zumindest einmal sine ira et studio geprüft zu werden, ob man ihn übernehmen will und kann.

Und ja, im vorliegenden Fall, mit meinen Kenntnissen aus den vorliegenden öffentlichen Informationen, hätte ich ebenfalls vorausgesagt, dass das Wiederaufnahmegesuch wohl keinen Erfolg haben wird. Aber ich bin nicht das Mass aller Dinge.


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30.05.2020 um 10:20
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Daher finde ich es schade, wenn hier z.B. RA Strate unterstellt wird, er würde Fälle nur als "Egotrip" sehen und sozusagen schon eine "Ausrede" parat haben, wenn es kein Erfolg wird.
Ich sehe das anders, eher wie ein Arzt, der z.B. einem krebskranken Patienten offen sagt, dass es nur eine 20% Chance gibt, zu überleben, der aber, wenn der Patient diese Chance wahrnehmen will, doch alles nach seiner "Kunst" tut, den Patienten zu retten.
Richtig, so müsste ein Anwalt handeln, und die meisten tun es sicher, wie ja auch die meisten Menschen ihren Beruf richtig ausüben. Man muss als Arzt oder Anwalt offen mit dem Mandanten oder Patienten über die Chancen sprechen. Letzten Endes entscheidet der Mandant oder Patient, was gemacht wird, und Anwalt oder Arzt helfen und unterstützen im Rahmen dieses Auftrags.

Ich will Strate nichts unterstellen, aber zumindest im Fall Babenhausen habe ich Zweifel, ob er die Chancen des WA-Antrages gegenüber der Ehefrau und den Unterstützern realistisch dargestellt hat. Die mehrfachen öffentlichen Auftritte mit der Ehefrau sprechen für mich eher dagegen. Aber vielleicht WOLLTE Frau D. sich auch an diesen Strohhalm klammern und hat alle von Strate (intern) geäußerten Bedenken in den Wind geschlagen, das weiß ich natürlich nicht.

Die Kritik an den Strates und Petermännern richtet sich ja auch weniger gegen ihre fachlichen Expertisen, sondern gegen ihre öffentichen Äußerungen, die am juristischen oder kriminalistischen Vorgehen der an der jeweiligen Tat beteiligten Kollegen oft wenig gute Haare lassen. Im Gegenzug müssen sich die Strates und Petermänner natürlich dann auch öffentliche Kritik an ihrem Vorgehen gefallen lassen. Wer austeilt, muss auch einstecken können.


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30.05.2020 um 10:24
Zitat von AndanteAndante schrieb:Quelle für diese Behauptung?
Logik. Argumentum a fortiori. Leichtere Fehler passieren häufiger. Weniger bedeutende Tatumstände werden weniger intensiv untersucht. Das dürfte für jedes System gelten.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hier allerdings muss man vorsichtig sein: es gibt so gut wie keine "offensichtlichen" Fehlurteile - dazu ist das Rechtssystem schon gut genug. Es kommt auf wichtige, oft versteckte Details an.
Das ist aber auch nur so, weil es den Strafverteidiger gibt: Eine Person, die einen anderen Blick auf die Dinge hat, die schon vorweg gedacht eine korrigierende Wirkung auf die Ermittlungsbehörden ausübt ("Ist der Beschuldigte anwaltlich vertreten? Was würde der Verteidiger wohl machen, wenn wir dies oder das tun würden?").
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Man nimmt keine Fälle an, wenn man selbst nicht überzeugt ist, dass es zumindest eine ehrliche Chance gibt, den Fall zu gewinnen. Es wäre zutiefst unethisch einen Fall anzunehmen, ein Honorar zu kassieren - wenn es denn eines gibt - obwohl man weiss, dass die Erfolgschance bei fast 0 liegt.
Unethisches Handeln wollte ich Strate oder Witting gar nicht unterstellen. Aber wo sehen sie dann im Fall hier (oder Babenhausen) die "ehrliche Chance"? Sind sie davon überzeugt, dass die "besondere Schwere der Schuld" ungerechtfertigt ist? Oder ärgert sie die Gewissheit, mit der Götzl die Tat rekonstruiert und über eventuelle Inkonsistenzen hinweg bügelt (beim NSU-Urteil, soweit darüber berichtet wurde, fragt man sich ja auch, welchen göttlichen Eingebungen er manche schwerwiegenden Annahmen zu verdanken hat)?

Gut, ich bin ja so manches mal erstaunt, auf welchem Trip Anwälte sind. Welchen Dingen sie extreme Bedeutung beimessen, die meiner Ansicht nach relativ unbedeutend für die Fallentscheidung sind. Wie sie Hebelpunkte suchen und versuchen, den Gerichten eine "einfache Lösung" des Falles anzudienen. Und umgekehrt sie zwingen, weit auszuholen und erheblichen Begründungsaufwand zu verursachen.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich habe mal einen Fall abgelehnt, den ein anderer Kollege dann angenommen und zum Erfolg geführt hat - offensichtlich war meine Einschätzung falsch.
Dieses ehrenvolle Verhältnis zur eigenen Fehlerhaftigkeit würde ich gerne häufiger beobachten wollen! :-)
Zitat von AndanteAndante schrieb:Die Kritik an den Strates und Petermännern richtet sich ja auch weniger gegen ihre fachlichen Expertisen, sondern gegen ihre öffentichen Äußerungen, die am juristischen oder kriminalistischen Vorgehen der an der jeweiligen Tat beteiligten Kollegen oft wenig gute Haare lassen.
Das Kämpferische ist dem Job natürlich ein Stück weit wesenseigen, da er auf Kritik aufbaut und nicht auf Konstruktion. Aber auch der mediale Transmissionsriemen darf nicht vergessen werden: Jüngst zu beobachten an der wissenschaftlichen Kritik an einer Studie eines bekannten Virologen und der entsprechenden medialen Inszenierung, auch in den "Qualitätsmedien".


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30.05.2020 um 10:30
Zitat von monstramonstra schrieb:Aber auch der mediale Transmissionsriemen darf nicht vergessen werden: Jüngst zu beobachten an der wissenschaftlichen Kritik an einer Studie eines bekannten Virologen und der entsprechenden medialen Inszenierung, auch in den "Qualitätsmedien".
Ja, das hat mich auch gewundert. Es gibt nicht umsonst das alte Sprichwort "Schuster, bleib bei deinen Leisten". Strate ist Strafverteidiger. Warum er sich neuerdings bemüßigt fühlt, in der Corona-Krise als öffentlich als Verfassungshüter aufzutreten, weiß nur er selber. Vielleicht sieht er sich inzwischen als so eine Art "elder statesman".


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30.05.2020 um 10:32
Zitat von AndanteAndante schrieb:Warum er sich neuerdings bemüßigt fühlt, in der Corona-Krise als öffentlich als Verfassungshüter aufzutreten, weiß nur er selber. Vielleicht sieht er sich inzwischen als so eine Art "elder statesman".
Er tritt als Bürger auf und das soll er auch so tun. Die Beiträge fand ich übrigens süper. :-)


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30.05.2020 um 10:34
Zitat von meienbergmeienberg schrieb:Er tritt als Bürger auf
Eben nicht. Er tritt als Rechtsexperte auf, und das ist er: im Strafrecht und im Strafprozessrecht, aber weder im Verfassungsrecht noch auf medizinischem Gebiet.

Natürlich kann er wie jeder hierzulande seine Meinung sagen. Aber es ist keine Expertenmeinung als solche.


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30.05.2020 um 10:49
Zum Verfassungshüter fühlte sich ja zeitweise jeder berufen, dem dafür eine Plattform geboten wurde... Leider war auch bei Personen mit juristischer Ausbildung (Strate, Zeh, Fischer und weiß Gott wer noch), gar echten Verfassungsrechtlern oder ehemaligen Verfassungshütern (Papier) zu beobachten, wie wenig das reale naturwissenschaftliches Nichtwissen, aber dafür umso mehr die eigene Befindlichkeit oder Betroffenheit die Expertise prägten.

Aber das war gar nicht mal mein Punkt: Sondern die Tatsache, dass Öffentlichkeitsarbeit dazu führt, dass zugespitzt, überzogen, polarisiert oder eine "battle of detectives" hochgezogen wird. Vornehmlich in den Boulevard- und digitalen Medien.

Strate und Witting bedienen diese Karte und sind deshalb bei Journalisten auch beliebt. Da gibt es immer "Futter", man ist gut vernetzt, man profitiert voneinander. Diese Symbiose kostet aber auch Reputation. Strate macht das durch gute Anzüge und betont hanseatisches Auftreten wieder wett, Witting kommt mir eher wie der Münchner Dackel vor, der beständig kläfft und schnappt... Er ist auch der, der es mit der Methode "Sand in die Augen" versucht.


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30.05.2020 um 10:51
Zitat von AndanteAndante schrieb:Natürlich kann er wie jeder hierzulande seine Meinung sagen. Aber es ist keine Expertenmeinung als solche.
Ich beziehe mich auf zwei Beiträge von Strate zur Corona-Krise, ich glaube, beide sind auf Cicero erschienen, kann mich aber auch täuschen. Ich sah das nicht als Expertenmeinung, sondern als Meinung eines Bürgers.


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30.05.2020 um 11:11
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich sehe das anders, eher wie ein Arzt, der z.B. einem krebskranken Patienten offen sagt, dass es nur eine 20% Chance gibt, zu überleben, der aber, wenn der Patient diese Chance wahrnehmen will, doch alles nach seiner "Kunst" tut, den Patienten zu retten. Wie würde man sich fühlen, wenn jeder Arzt nur abwinken würde und sagen würde, "nee, behandle ich nicht, da nicht von vornherein klar ist, dass du geheilt wirst."
Guter Vergleich, allerdings nicht konsequent ausgeführt. Wenn man Strate mit einem Krebsarzt gleichsetzen will, dann hat er es leider häufig mit Patienten zu tun, bei denen keinerlei Heilungschance besteht. Ein guter Krebsarzt sollte in solchen Fällen nicht unnötige Ressourcen für aussichtslose Behandlungen verschwenden, sondern den Fall an den Palliativmediziner bzw. Seelsorger überweisen.

Leider passiert es allerdings in der Medizin wie in der Justiz allzuhäufig, dass sündhaft teure aber aussichtlose Behandlungen durchgeführt werden.


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30.05.2020 um 11:51
Bei RA Strate sind die Erfolgsaussichten immer gering bis sehr gering. Das weiß auch RA Witting und Herr Petermann auch. Pro Bono werden sie kaum gearbeitet haben. Wieso auch? Der Auftraggeber ist der Bruder und der hat die Millionen des Mordopfers geerbt. Benedikt Toth ist mittellos.


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30.05.2020 um 14:11
Coconut19 schrieb (Beitrag gelöscht):Genauso ist das im Strafrecht. Es ist nicht unethisch oder Ressourcen verschwendend, wenn man den Mandanten aufklärt, dass die Aussichten mehr als schlecht sind
Und ich stelle eben infrage, dass diese Aufklärung immer Gewissenhaft geschieht. Nicht unbedingt bei Ärzten, aber sehr wohl bei Juristen, insbesondere wenn es um lukrative Fälle geht. Nachprüfen kann es keiner - und genau deshalb ist eine gewisse Skepsis angebracht.


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30.05.2020 um 15:15
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Und ich stelle eben infrage, dass diese Aufklärung immer Gewissenhaft geschieht. Nicht unbedingt bei Ärzten, aber sehr wohl bei Juristen, insbesondere wenn es um lukrative Fälle geht. Nachprüfen kann es keiner - und genau deshalb ist eine gewisse Skepsis angebracht.
Die Skepsis kann ich in gewisser Weise nachvollziehen.

Nur inzwischen gibt es soviel Rechtsprechung zu Lasten von Rechtsanwälten, über was wir alles aufklären müssen, mag es auch noch so abwegig sein, und wenn wir es nicht tun, dann in die Haftung geraten oder eben den Gebührenanspruch verlieren, dass man sich in der Regel ziemlich viel Zeit für alle möglichen und unmöglichen Hinweise nimmt und diese auch verschriftlicht an den Mandanten gibt.

Und unter dem Wort lukrativ kann man ganz viel verstehen.
Wenn man darunter, wie hier vorher angesprochen, mediale Aufmerksamkeit für einen Fall versteht, reicht das alleine nicht aus um kostendeckend eine Kanzlei zu betreiben.

Nur wenn Mandanten zufrieden sind mit der Arbeit des Rechtsanwalts, kommen sie wieder und es spricht sich auch herum, dass man ordentlich und transparent arbeitet. Und diese Arbeit besteht eben nicht unbedingt darin, den Prozess zb zu gewinnen, sondern eine akzeptable Lösung für das zugrunde liegende Problem zu finden oder auch manchmal von einem Verfahren abzuraten.

Und die meisten Kollegen, die ich kenne, arbeiten eben auch so, sie klären umfassend auf, beraten umfassend und zeigen auch Risiken auf, aber auch Alternativen, schlussendlich alles zum Wohl des Mandanten und nicht auf Presse oder hohes Honorar schielend.


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30.05.2020 um 15:39
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:Nur inzwischen gibt es soviel Rechtsprechung zu Lasten von Rechtsanwälten, über was wir alles aufklären müssen, mag es auch noch so abwegig sein, und wenn wir es nicht tun, dann in die Haftung geraten oder eben den Gebührenanspruch verlieren, dass man sich in der Regel ziemlich viel Zeit für alle möglichen und unmöglichen Hinweise nimmt und diese auch verschriftlicht an den Mandanten gibt.
Das ist mir soweit klar - aber keiner kann einen für eine private Einschätzung zur Rechenschaft ziehen. Wenn ein Anwalt seinem Mandanten mitteilt "Hier sehe ich verhältnismäßig gute Aussichten für eine Wiederaufnahme" dann ist das eine nicht quantifizierbare Aussage. Wenn er dann noch den allseits beliebten Standardspruch "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand" anfügt, kann ihm hinterher keiner was.


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30.05.2020 um 16:02
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:dass man ordentlich und transparent arbeitet.
Transparent? Auf die Frage: "Halten Sie ihn denn für unschuldig?" antwortete Witting:
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sich aus diesem Urteil niemals die Berechtigung für lebenslange Haft ableiten ließ. Hinzu kommt, dass Benedikt Toth ein intelligenter Kerl ist, der kein solches Risiko eingegangen wäre: Erst am helllichten Tag in die Parkgarage zu radeln, durch die Baaderstraße, wo er bekannt ist wie ein bunter Hund. Und dann in der ersten Vernehmung auszusagen, er sei zuhause in der Badewanne gelegen – wohlwissend, dass die Nachbarschaft befragt werden würde. Das passt doch nicht zusammen! Wenn jemand so eine Tat plant, dann plant er auch ein unwiderlegbares Alibi.
Quelle

Also unter Transparenz verstehe ich was anderes. Das hier ist verklausulierter Unsinn. Nach dem Motto: 'Selbst wenn er es war, soooo hätte er nicht verurteilt werden dürfen.' Schade, dass bei solch manipulativen Andeutungen nicht konkreter nachgefragt wird.


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30.05.2020 um 17:38
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Transparent? Auf die Frage: "Halten Sie ihn denn für unschuldig?" antwortete Witting:
Interessante Antwort. Das zeigt, wie bei der Öffentlichkeitsarbeit vorgegangen wird:

Witting will im Ergebnis auf Totschlag hinaus. Er nutzt das falsche Verständnis vieler Laien, Mord sei eine "geplante Tötigung". Und wer plant, stellt sich nicht so dämlich an wie der Angeklagte. Juristisch ist das völlig belanglos. Habgier als subjektives und Heimtücke als objektives Mordmerkmal bedürfen keiner Planung. Witting weiß das sicher auch. Warum erzählt er dann so etwas?

Er muss als Verteidiger etwas sagen und sagt etwas. Ok. Er kann die Leser, die Nichtjuristen, für seinen Mandanten einnehmen. Auch Ok. Er macht Akquise für sich, weil er ja das Entlastende sucht und betont. Aber sonst?

Die meisten Strafverteidiger dürften dagegen eher im Stillen arbeiten. Den Mandanten beraten, wie er sich am besten verhält. Versuchen ob die Sache mit Strafbefehl oder § 153a StPO vom Tisch zu kriegen ist. Eine Therapieauflage statt Gefängnis, Aussetzung zur Bewährung, Strafnachlass gegen Geständnis, saubere Beweisanträge usw. Wenn er dem Verfahren förderlich ist, dann kann der Verteidiger gerade bei Spielräumen erheblich was rausholen.

Leider sind bei Mord die Spielräume klein. Und damit ist das zwar die Königsklasse mit der meisten Publicity, aber auch ein Bereich, wo die persönliche Überzeugung aufgrund der mandantenfreundlichsten Auslegung der Tatumstände am leichtesten gegen die Wand läuft.

Auf dieses Interview mit Thomas Fischer zum Problem bei "Mord" wurde sicher schon häufiger verlinkt, ich tue es trotzdem nochmal. Sehr sachlich, sehr interessant:

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-128476243.html


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30.05.2020 um 18:27
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Also unter Transparenz verstehe ich was anderes. Das hier ist verklausulierter Unsinn. Nach dem Motto: 'Selbst wenn er es war, soooo hätte er nicht verurteilt werden dürfen.' Schade, dass bei solch manipulativen Andeutungen nicht konkreter nachgefragt wird.
Nein, das hat etwas mit dem ganzen Geflecht an Normen und Vorschriften, an die wir Anwälte uns gerade bei der Verteidigung halten müssen, zu tun.

Rechtsanwälte müssen grad bei der Verteidigung vieles beachten, damit sie nicht selber in den Bereich von Straftaten gelangen.
Ein Rechtsanwalt darf den Mandanten darüber beraten, dass eine Flucht an sich straflos ist, welche Länder nicht ausliefern, aber dem Mandanten nicht aktiv zur Flucht raten.
Ein Rechtsanwalt darf teils noch nicht einmal die kompletten Akten dem Mandanten zur Verfügung stellen, wenn damit zb die Auffindung von Beweismitteln vereitelt wird, weil grad die Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses ansteht oder der Rechtsanwalt vermuten darf, dass der Mandant versuchen wird, auf Zeugen Einfluss zu nehmen.

Von daher wird kein seriöser Strafverteidiger sagen, mein Mandant ist unschuldig, wenn die Presse ihn loechert, selbst wenn er von dessen Unschuld überzeugt ist. Er wird aber, wie hier völlig korrekt und professionell geschehen, alles zusammen fassen, was für die Unschuld des Mandanten spricht und alles aufzeigen, was gegen die Plausibilität der Annahmen des Gerichts spricht.


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Mordfall Charlotte Böhringer

30.05.2020 um 19:36
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:Er wird aber, wie hier völlig korrekt und professionell geschehen, alles zusammen fassen, was für die Unschuld des Mandanten spricht und alles aufzeigen, was gegen die Plausibilität der Annahmen des Gerichts spricht.
Mag ja sein, dass Witting mit dem Statement, dass das Vorgehen, wie das Gericht es angenommen hat, nicht zu BT passe, die Öffentlichkeit beeindrucken will. Aber er weiß doch, dass er damit schon bei Gericht nicht durchgekommen ist, wenn er es überhaupt dort jemals mit diesem wohlfeilen Allgemeinplatz versucht hat.

Weshalb also kommt er just mit diesem nicht gerade durchschlagenden Argument in der Öffentlichkeit??? Ich frage mich manchmal wirklich, für wie dumm (wahlweise natürlich auch klug) Anwälte die Öffentlichkeit halten.


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