Leider scheinen einige mitforenten hier eine vollkommen falsche Vorstellung von der Arbeit, aber auch der Motivation von Strafverteidigern zu haben, und auch nicht so recht das Verständnis der Rechtslage.
Aus guten Gründen, die
@Andante hier angesprochen hat, ist die Rechtssicherheit ein wichtiges Gut in einem Rechtsstaat. Mit anderen Worten: irgendwann muss Schluss sein, muss ein Urteil stehen bleiben. Man kann nicht bis zum St. Nimmerleinstag prozessieren.
Andererseits hat
@Coconut19 hier ganz Recht, dass die Freiheit eines Menschen eines der kostbarsten Güter in einem Rechtsstaat ist, und freilich, dass da wo Menschen urteilen, ob als Richter oder Schöffen, sachliche aber auch handwerkliche Fehler passieren. Selbst einem Götzl, der sich vielleicht für nahe an unfehlbar hält, passiert so was.
Daher ist es gut, dass es eine Revision gibt, und gut, dass es die Möglichkeit gibt, eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zu erreichen, aber auch gut, dass letztes nicht sehr einfach ist.
Und dann gibt es Verteidiger. Zwar sind alle geprüfte Juristen, aber nicht jeder Strafverteidiger hat die Erfahrung, die Kenntnisse und die Persönlichkeit, sich auf der ebene höchster Gerichte mit schwierigen Verfahren auseinanderzusetzen. Ein Mandant ist jedenfalls gut beraten, wenn er nach einem Mordurteil nicht gerade einen jungen, unerfahrenen Feld- Wald und Wiesenanwalt beauftragt, ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen, sondern einen eher erfahrenen Kollegen.
Und umgekehrt tut jeder Jurist gut daran, sich selbst zu prüfen, ob er sich das zutraut, und dann den Mandanten und seinen Fall genau zu prüfen, ob dieser eine Aussicht auf Erfolg hat. Hier allerdings muss man vorsichtig sein: es gibt so gut wie keine "offensichtlichen" Fehlurteile - dazu ist das Rechtssystem schon gut genug. Es kommt auf wichtige, oft versteckte Details an.
Und so gibt es relativ wenige Kollegen, die sich so etwas zutrauen, und vermutlich noch weniger Mandanten, deren Fälle den Anschein machen, dass hier ein Erfolg möglich ist. Umgekehrt darf man aber auch das Ansinnen, einen Fall zu prüfen nicht leichtfertig ablehnen, weil die Schuld doch so "offensichtlich" sei.
Und daher, das soll der langen Rede kurzer Sinn sein, gibt es auch m.E. keine Anwälte, die sich leichtfertig auf so einen Weg begeben, oder gar im Sinne des amerikanischen Sprichworts des "ambulance chasers" hinter solchen Fällen her sind. Im Gegenteil. Ich habe das Glück, dass ich in Wiederaufnahmen erfolgreich gewesen bin, aber solche Fälle kommen nur sehr sehr selten zur Tür hinein. Dagegen ist es schon so, und bestimmt beim Kollegen Strate auf grund seiner Bekanntheit noch viel mehr, dass einen sehr viele Anfragen von Verurteilten erreichen. Ich will es mal kurz und knapp darstellen: in 99 von 100 Fällen sage ich einem solchen Verurteilten, dass ich persönlich keine sonderliche Aussicht auf Erfolg sehe und daher den Fall nicht annehme.
Denn das will ich hier doch einmal deutlich machen: Man nimmt keine Fälle an, wenn man selbst nicht überzeugt ist, dass es zumindest eine ehrliche Chance gibt, den Fall zu gewinnen. Es wäre zutiefst unethisch einen Fall anzunehmen, ein Honorar zu kassieren - wenn es denn eines gibt - obwohl man weiss, dass die Erfolgschance bei fast 0 liegt. Täte man das, wäre es mit der Reputation auch bald vorbei, man würde sich selbst am Ende nur schaden.
Das bedeutet nicht, dass man Dinge nicht auch mal falsch einschätzt. Ich habe mal einen Fall abgelehnt, den ein anderer Kollege dann angenommen und zum Erfolg geführt hat - offensichtlich war meine Einschätzung falsch. Wie gesagt, wir sind alle nicht unfehlbar. Umgekehrt "verliert" man auch mal einen Fall, den man für absolut überzeugend gehalten hat.
Daher finde ich es schade, wenn hier z.B. RA Strate unterstellt wird, er würde Fälle nur als "Egotrip" sehen und sozusagen schon eine "Ausrede" parat haben, wenn es kein Erfolg wird.
Ich sehe das anders, eher wie ein Arzt, der z.B. einem krebskranken Patienten offen sagt, dass es nur eine 20% Chance gibt, zu überleben, der aber, wenn der Patient diese Chance wahrnehmen will, doch alles nach seiner "Kunst" tut, den Patienten zu retten. Wie würde man sich fühlen, wenn jeder Arzt nur abwinken würde und sagen würde, "nee, behandle ich nicht, da nicht von vornherein klar ist, dass du geheilt wirst."
Ich erinnere mich in meiner Kinderzeit gab es Lehrer, die Eltern unverblümt erzählten, dass ihr Grundschulkind am Ende der 4. Klasse keine Chance auf dem Gymnasium hätte und es daher gar nicht erst dort eingeschult werden sollte. Und dieses Kind hat, weil die Eltern stur blieben, einige Jahre später ein einser-Abitur gemacht.
:)Für mich ergibt sich daraus, dass jeder Fall verdient, zumindest einmal
sine ira et studio geprüft zu werden, ob man ihn übernehmen will und kann.
Und ja, im vorliegenden Fall, mit meinen Kenntnissen aus den vorliegenden öffentlichen Informationen, hätte ich ebenfalls vorausgesagt, dass das Wiederaufnahmegesuch wohl keinen Erfolg haben wird. Aber ich bin nicht das Mass aller Dinge.