@phoenix Danke für die Schilderung des Versuchsaufbaus.
Da hat die Frau Shaw also einen Ansatz gewählt, der vielversprechend erscheint, um statistisch relevante Ergebnisse zu erzielen.
- langer Zeitraum zwischen Erlebtem und Erinnerung (hier kann man natürlich leichter eine Beeinflussung hervorrufen, weil die Erinnerungen eh schon verblasst sind)
- Erinnerungen aus einer Zeit der Jugend, in der der Mensch sehr emotional ist und in der viel passiert
- mehrere Sitzungen (die falschen Geschichten bekommen also Zeit zum Wachsen, werden mehrfach wiederholt und wahrscheinlich auch ausgeschmückt)
- konkrete Informationen werden in die Erinnerung "reingeschmuggelt"
In keinem einzigen dieser Punkte kann ich hier eine Übertragbarkeit auf die Verhörsituation eines erwachsenen Mannes erkennen, der zeitnah nach dem Tod seiner Tante zu diesem befragt wurde.
Nicht falsch verstehen: diese falschen Erinnerungen gibt es. In Ausnahmefällen sind sie sogar aktiv herbeigeführt. Die überwiegende Mehrheit dürfte aber dadurch entstehen, dass Erinnertes immer wieder abgerufen und leicht verändert neu abgespeichert wird. Das ist ein gängiges Problem mit Zeugenaussagen in Kriminalfällen. Und im Wiederaufnahmeverfahren 2014 gegen Ulvi K. im Mordfall Peggy konnten reihenweise Zeugen nichts mehr sicher erinnern, selbst ganz konkrete Ermittlungsergebnisse waren nur noch vage oder gar nicht in der Erinnerung ehemaliger Ermittler verankert.
Aber nur weil unser Gedächtnis dynamisch ist wie diese Studie der Frau Shaw schön zeigt heisst das noch lange nicht, dass im Fall Böhringer die Ermittler die Rolle der Frau Shaw übernommen und Bence T. beeinflusst haben.
Was Du meinst ist wahrscheinlich eher der Effekt, dass Menschen in Extrem- oder Stresssituationen nicht immer rational agieren und ihre Erinnerungen nicht unbedingt zuverlässig abrufen können. Das stimmt, aber gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass Bence T. hier in dem besagten Verhör aus Druck falsch oder fahrig aussagte?
Dazu muss man schon anerkennen, dass Ermittler Erfahrung mit Zeugenvernehmungen haben und sehr wohl entscheiden können, ob Jemand gerade taktiert oder tatsächlich nervös ist, weil ihn die Situaton überfordert.