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Mord an Frauke Liebs

92.217 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Entführung, Telefon ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mord an Frauke Liebs

Mord an Frauke Liebs

05.11.2019 um 09:12
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Ich glaube nicht, dass diese Einbeziehung des Umfelds von Anfang an geplant war. Wie schätzt Du es ein?
Sehe das ähnlich wie Du, denke auch, dass der erste Anruf und die zweite SMS noch im 'geplanten Bereich' gelegen haben.
Gut vorstellbar, dass der Täter tatsächlich über eine vollkommen arglose Person aus Fraukes Freundeskreis/ Umfeld über die aktuellen Entwicklungen 'auf dem Laufenden gehalten' wurde, nachdem er erfahren hat, dass die Anrufe tatsächlich die polizeilichen Ermittlungen verzögern, wird er sich wohl entschlossen haben, Frauke weiterhin anrufen zu lassen.
Stelle mir das auch in etwa so vor, dass diese Person aus Fraukes Umfeld/ Freundeskreis wahrscheinlich auch erwähnt haben wird, in welcher Sorge/ Aufregung die Familie Liebs/Chris sind, von daher ist ein zusätzlicher 'Kick' des Täters aufgrund dessen m E gut möglich.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Vor allem der Anruf am Dienstag: Hier wurde an mehreren Stellen deutlich, dass FL sich nicht etwa eine "Auszeit" gönnte. Warum ließ der Täter das zu?
Vll, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits geplant hatte, Frauke zu töten, ob dies auch sein ursprünglicher Plan war oder nicht, wissen wir ja nicht.
Evtl ging es ihm zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorwiegend/ausschließlich um die Qual der Angehörigen/ Chris.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Er gestatte FL noch einmal eine kurze, aufwühlende und trügerische Nähe zu Menschen, die sie liebt - und dann folgt für sie nur noch die endgültige Verzweiflung. Für ihre Familie und ihre Freunde kann es nach diesem Gespräch keinen Zweifel mehr geben, dass FL in einer grausamen Lage ist - aber sie haben keine Möglichkeit, sie zu retten. Dieses Bewusstsein muss für sie die Hölle gewesen sein.
Genau das meine ich.
Geht m E in Richtung Sadismus des Täters.
So quälte er zum einen Frauke noch zusätzlich - dass die ganze Entführungssituation (für Frauke) qualvoll war, steht wohl außer Frage - und zum anderen eben Chris/Karen/(indirekt) auch Fraukes Eltern.


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Mord an Frauke Liebs

05.11.2019 um 19:38
Zumindest in Richtung Familie/Bekannte würde ich den gezielt psychischen Aspekt (durch die Anrufe eine gesteigerte negative Reaktion (quälen etc.) auszulösen) infrage stellen.
Zumindest ich wäre wohl als Angehöriger ohne diese Anrufe weitaus besorgter und in einer höheren Alarmbereitschaft gewesen (= es würde mich mehr quälen). So wusste man zumindest, sie lebt noch.
Wenn es dem Täter (auch) darum ging, warum hat er nicht drastischere Gesprächsvorgaben erzwungen. Für mich eignen sich die Anrufe und die Inhalte eher nicht dazu, die Familie/Bekannte gesteigert zu quälen.

Ich bin daher noch immer eher bei dem Motiv Hinhaltetaktik, das ausschließlich dem eigenen Plan diente. Zugegeben - hierbei war der Täter nicht sonderlich clever, da (wie schon jemand schrieb) hier auch besser gesteuerte Aktionen möglich gewesen wären, es sei denn, er konnte Frauke und ihr Umfeld eben so gar nicht beurteilend einschätzen. Dann passen für mich die "(Bin noch am leben) komme schon bald wieder"-Meldungen, wohl wissend, dass dies keine langfristige Lösung sein kann und auch nicht zwingend überzeugend sein muss.


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05.11.2019 um 20:04
@AnNevis

Naja, hätte die Familie gar nichts von Frauke gar nichts von ihr gehört, hätten sie sich auch große Sorgen gemacht, keine Frage.
Denke, der Täter wird zunächst durch die Anrufe/SMS eine Verzögerung der polizeilichen Ermittlungen beabsichtigt haben, dieses Ziel hat er ja auch phasenweise erreicht.
Im Laufe der Entführung kann dann gut ein (weiteres/zusätzliches) Quälen der Angehörigen/ Chris auch eine Rolle gespielt haben.

Sollte der Täter tatsächlich Infos aus Fraukes (weiteren) Umfeld gehabt haben (und somit evtl auch Kenntnis bzgl der Reaktionen von Fraukes Familie und/ oder Chris), stelle ich mir das so vor, dass er Gefallen daran fand, die Angehörigen/ Chris weiter zu beunruhigen


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Mord an Frauke Liebs

05.11.2019 um 22:09
@rayden
Zitat von raydenrayden schrieb:warum fährt er für die SMS nicht einfach zurück nach Paderborn?
Ich könnte mir vorstellen, dass es dem Täter einfach auf einen markanten Abstand zu Paderborn ankam.
Ich halte es für wahrscheinlich, dass er kein fundiertes Wissen über die einzelnen Funkzellen und deren Reichweite hatte. Wenn er von dem Ort der Entführung ablenken wollte, war es nach meiner Ansicht das Einfachste, einen Ort außerhalb PBs zu wählen, anstatt sich damit zu beschäftigen, wie weit die für die Umgebung des Pubs/den Nachhauseweg zuständige Funkzelle reicht.

Ausschließen würde ich auch nicht die Überlegung des Täters, dass eine freiwillige Fahrt mitten in der Nacht für eine Person aus dem Freundeskreis oder eine Liebesaffäre spräche.
Zitat von raydenrayden schrieb:oder lag Nieheim eventuell doch näher, als man nun andenken könnte, weil die Polizei dort nicht fündig wurde?
Bei einer vom Täter versandten 1. SMS gehe ich davon aus, dass Nieheim in einiger Entfernung sowohl zu seinem Wohnort als auch zu dem Festhalteort (falls nicht beides zusammenfällt) liegt.
Wenn der Täter also die 1. SMS versandte, dann doch wohl nur, um (in irgendeiner Weise) Spuren des Verbrechens zu verwischen - dann ist doch nicht anzunehmen, dass er ausgerechnet mit dieser SMS Hinweise auf FLs Aufenthaltsort gegeben hätte? Oder verstehe ich Deinen Einwand falsch?

@ThoFra
@AnNevis
Zitat von ThoFraThoFra schrieb:stelle ich mir das so vor, dass er Gefallen daran fand, die Angehörigen/ Chris weiter zu beunruhigen
Ich habe den Eindruck, dass es dem Täter um Macht ging. Vor allem um Macht über FL, aber dass er dann im Verlauf der Telefonate auch "Gefallen" an ein einer Ausweitung dieser Macht auf Chris und die Angehörigen fand.

Für einen derart machtfixierten und skrupellosen Täter hätte es doch durchaus eine enorme "Genugtuung" sein können, die Angst, die Verwirrung und die Hilflosigkeit zu beobachten - und selber alle Fäden in der Hand zu halten.
Ich glaube, ein solcher "Genuß" seiner Überlegenheit wäre ihm auch möglich gewesen, wenn er die Reaktionen von Chris und ihren Angehörigen nur im "Spiegel" ihrer Bekannten hätte wahrnehmen können.


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Mord an Frauke Liebs

05.11.2019 um 23:42
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Ich habe den Eindruck, dass es dem Täter um Macht ging. Vor allem um Macht über FL, aber dass er dann im Verlauf der Telefonate auch "Gefallen" an ein einer Ausweitung dieser Macht auf Chris und die Angehörigen fand.

Für einen derart machtfixierten und skrupellosen Täter hätte es doch durchaus eine enorme "Genugtuung" sein können, die Angst, die Verwirrung und die Hilflosigkeit zu beobachten - und selber alle Fäden in der Hand zu halten.
Ich glaube, ein solcher "Genuß" seiner Überlegenheit wäre ihm auch möglich gewesen, wenn er die Reaktionen von Chris und ihren Angehörigen nur im "Spiegel" ihrer Bekannten hätte wahrnehmen können.
Mir ist diese Annahme tatsächlich zu fiktiv.
"Wir" (annehmend, dass die Ermittlungsbehörden weitaus mehr Informationen haben) wissen nahezu nichts über den Täter. Wir (mutmaßliche Laien, jedoch mit einem zugestandenen Menschenverstand, aber ohne alle ermittelten Informationen - somit allenfalls "halbwissend") wissen nur ein paar wenige Details, die hier jedoch (meiner Ansicht nach) kaum einen Rückschluss über die Psyche / das Motiv des Täters erlauben.

Persönlich finde ich es aber dennoch immer wieder spannend (und selbstkritisch inspirierend für die eigene Einschätzung) andere Einordnung / Thesen zu lesen. Und auch ich kann ja nur nachdenkend spekulieren. Darum tauschen wir uns auch hier "meist" nachdenkend aus. Und ich wertschätze das immer wieder erneut, da ich neue Ansätze kennen lerne und für mich neu bewerten muss.

Mir persönlich fehlt jedoch (noch) ein überzeugendes Indiz für die Annahme, dass der Täter (möglicherweise) ein Genuss an einer Überlegenheit hatte. Allein, dass es möglich sein könnte, ist mir nicht ausreichend (und ich weiß sehr wohl, dass es ein "andersartiges" Verhalten von Menschen gibt, das in mein gesellschaftlich "erzogenes" Konsens-Bild nicht passt und dennoch nachweislich existiert).


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 08:05
Zitat von AnNevisAnNevis schrieb:Mir persönlich fehlt jedoch (noch) ein überzeugendes Indiz für die Annahme, dass der Täter (möglicherweise) ein Genuss an einer Überlegenheit hatte. Allein, dass es möglich sein könnte, ist mir nicht ausreichend (und ich weiß sehr wohl, dass es ein "andersartiges" Verhalten von Menschen gibt, das in mein gesellschaftlich "erzogenes" Konsens-Bild nicht passt und dennoch nachweislich existiert).
Danke, das habe ich mir gestern auch gedacht bin jedoch nicht zum Schreiben gekommen.

Für mich liest sich das so als würde er zu einem Übertäter stilisiert werden. Dass er alles bis ins kleinste Detail geplant hätte.. die SMS, die Anrufe - das alles muss jedoch so nicht gewesen sein. Dass er sich am Leiden ergötzt hat ist auch weit hergeholt, da fehlt mir der persönliche Bezug vom Täter - hätte er nicht die Gespräche geführt, die SMS geschrieben?


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 08:24
Zitat von EyaEya schrieb:Dass er sich am Leiden ergötzt hat ist auch weit hergeholt, da fehlt mir der persönliche Bezug vom Täter - hätte er nicht die Gespräche geführt, die SMS geschrieben?
Ich vermute, er hat ganz bewusst Frauke selbst telefonieren/ die SMS verfassen lassen, wahrscheinlich mit ein paar Vorgaben, was sie 'einbauen' sollte in das (jeweilige) Telefonat/die (jeweilige) SMS.

Wenn er tatsächlich aus Fraukes (weiteren) Umfeld stammte bzw evtl Kontakt zu diesem Umfeld (Familie Liebs, Chris) hatte, wird ihm zum einen das Risiko, am Telefon erkannt zu werden, zu groß gewesen sein - natürlich hätte er auch seine Stimme mit (technischen) Hilfsmitteln verzerren/verändern können - zum anderen denke ich, dass er Frauke so eine trügerische Nähe zu ihren Angehörigen/ Chris suggerieren wollte, anfangs u a wahrscheinlich auch, um Frauke 'bei Laune' zu halten bzw ihr zu zeigen, dass die Hoffnung auf Freilassung durchaus berechtigt ist/ sein könnte.
Zitat von EyaEya schrieb:Für mich liest sich das so als würde er zu einem Übertäter stilisiert werden. Dass er alles bis ins kleinste Detail geplant hätte.. die SMS, die Anrufe - das alles muss jedoch so nicht gewesen sein.
Da gebe ich Dir Recht.
Ein 'Übertäter' ist er m E definitiv nicht gewesen, er ist auch dank einiger (für ihn glücklicher) Zufälle - bisher - 'davon gekommen'.
Glaube auch nicht, dass er alles von Anfang an exakt durchgeplant hatte, stelle mir das eher so vor, dass er im Laufe der Entführung 'Gefallen' daran fand, z B eben auch am Leid des Umfeldes/der Angehörigen.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 08:46
Weiß eigentlich irgendjemand @Malinka @Solaar ..und @LL
was die Cold-Case macht?

Es ist ja medial sehr ruhig in dem Fall von Frauke geworden, vielleicht ein gutes Zeichen?
Arbeiten sie an dem Fall möglicherweise schon oder liegt dies noch in ferner Zukunft?


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 09:22
Hallo Doverex,

ich weiß nicht genau, was die CC-Unit zur Zeit macht.

Aber ich habe in letzter Zeit ein paar Informationen sammeln können, um zu verstehen, wie man sich die Arbeit der CC-Unit in NRW ungefähr vorzustellen hat. Für das, was nun folgt, übernehme ich keine Gewähr.

Die Ursprünge der CCUs, auch in Nordrhein-Westfalen, reichen in die 80er Jahre zurück. Damals wurden die bundesdeutschen "Kriminaler" mit dem Phänomen der US-amerikanischen "Cold Case Units" konfrontiert. Es gab erste Fachveröffentlichungen in einschlägigen Fachzeitschriften, auch erste Kontakte mit FBI-Beamten. Nun lebte man in der Bundesrepublik ja keineswegs hinter dem Mond, hatte ein eigenes, vielfach bewährtes Instrumentarium mit z.B. den Mitteln der Fachanalyse zur Hand. Aus diesem Grund rannten diejenigen Beamten, Kriminologen (geschult v.a. im Strafrecht) und Kriminalisten, die die Vorteile der amerikanischen CC-Units, der Verhaltensanalyse, des "Profiling" propagierten, nicht nur offene Türen ein.

Ich hatte Anfang dieses Jahres das Glück, mit einem pensionierten KHK und ehemaligen Leiter einer Mordkommission in einer deutschen Großstadt zu telefonieren. Er war sehr zugänglich, ohne jedoch irgendwelche Details preiszugeben. Was er mir aber erzählte, war sehr aufschlussreich. Er war nämlich in den 1980er Jahren einer der Initiatoren der intensiveren Beschäftigung damit, was die amerikanischen Kollegen da so machten und lehrten. Es wurde, u.a. auf seine Invektive und mit seiner aktiven Beteiligung, eine erste Taskforce gebildet, die darüber beriet, wie man das amerikanischen "Modell" in das deutsche, föderative System integrieren könne. Die Mühlen mahlten zunächst eher langsam, es mussten finanzielle, rechtliche, organisatorische und personelle Weichen gestellt werden - man kam aber im Zuge v.a. der immer erfolgversprechenderen DNS-Auswertungsmethoden dann doch voran.

Was tut die CC-Unit eigentlich?, fragte ich. Antwort: Die Ermittler haben freie Hand. Sie können sich aus dem Bündel der Altfälle jene aussuchen, die ihnen bezüglich einer etwaigen Aufklärung besonders vielversprechend erscheinen. Diese CC-Beamten hätten, so der pensionierte Kriminaler, den großen Vorteil, sich vollkommen ablenkungsfrei mit ihren Fällen zu beschäftigen. Sie nehmen sich Zeit und haben - und das war für mich vollkommen neu - sämtliche Möglichkeiten eigenständiger, erneuter Ermittlungen. Dazu zählen, zu meiner damaligen Überraschung, auch neue Vernehmungen "alter" oder "neuer" Zeugen. Es sei keineswegs so, dass die CC-Leute nur nach Aktenlage entschieden oder gar auf die Befindlichkeiten der eigentlich zuständigen Dienststellen Rücksicht zu nehmen hätten. Dass nicht jede per se zuständige Stelle von der Arbeit einer externen Expertengruppe begeistert ist, deren Aufgabe ja durchaus auch darin besteht, die bisherigen Ermittlungen kritisch auf den Prüfstand zu stellen, kann man m.E. nachvollziehen.

Um es kurz zu machen: Der CCU steht die komplette Palette der Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie wählt die prioritären Fälle selbst aus. Bevorzugt angegangen werden wohl Fälle, bei denen die Erfolgschancen einer Aufklärung höher erscheinen. Dafür gibt es (mindestens) zwei Hauptkriterien: Das Vorhandensein einer mutmaßlichen Täter-DNS und ein nicht zu großer zeitlicher Abstand zum Tötungsdelikt. Vielleicht kommen noch jene Fälle dazu, in denen sich die damaligen Ermittler ziemlich sicher waren, den "Richtigen" zu kennen, aber eine Anklageerhebung aus juristischer Sicht/von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht praktikabel oder aussichtsreich genug erschien.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 12:51
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Ich könnte mir vorstellen, dass es dem Täter einfach auf einen markanten Abstand zu Paderborn ankam.
Ich halte es für wahrscheinlich, dass er kein fundiertes Wissen über die einzelnen Funkzellen und deren Reichweite hatte. Wenn er von dem Ort der Entführung ablenken wollte, war es nach meiner Ansicht das Einfachste, einen Ort außerhalb PBs zu wählen, anstatt sich damit zu beschäftigen, wie weit die für die Umgebung des Pubs/den Nachhauseweg zuständige Funkzelle reicht.

Ausschließen würde ich auch nicht die Überlegung des Täters, dass eine freiwillige Fahrt mitten in der Nacht für eine Person aus dem Freundeskreis oder eine Liebesaffäre spräche.
Zweifellos sollte diese SMS suggerieren, dass alles in bester Ordnung ist, aber ausgehend davon, dass die Entführung bereits in PB stattgefunden hat, hätte er die meiste Zeit danach darauf verwendet, viel Abstand zu PB zu gewinnen, um dann eine unverdächtige SMS zu versenden, anstatt sich dem Opfer zu widmen. Das macht für mich nur Sinn, wenn die SMS bspw. eine Panikreaktion auf einen nicht vorgefundenen Schlüssel bei der Durchsuchung FLs, und Nieheim nicht ganz so weit vom Versteck entfernt war, und da wäre dann Altenbeken schon das Maximum an Entfernung von Nieheim aus.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Bei einer vom Täter versandten 1. SMS gehe ich davon aus, dass Nieheim in einiger Entfernung sowohl zu seinem Wohnort als auch zu dem Festhalteort (falls nicht beides zusammenfällt) liegt.
Wenn der Täter also die 1. SMS versandte, dann doch wohl nur, um (in irgendeiner Weise) Spuren des Verbrechens zu verwischen - dann ist doch nicht anzunehmen, dass er ausgerechnet mit dieser SMS Hinweise auf FLs Aufenthaltsort gegeben hätte? Oder verstehe ich Deinen Einwand falsch?
Bei einer vom Täter versandten SMS sehe ich es auch so, dass Nieheim, oder zumindest die Richtung Nieheim von PB aus eine gewisse Bedeutung hinsichtlich des Festhalteorts haben muss. Denn sonst hätte er sie ja in die Gegenrichtung von PB aus verbringen müssen, um dann nach Nieheim zu fahren, und dort die SMS zu versenden. Natürlich liegt auch das im Bereich des Möglichen, aber es macht auch aus Tätersicht keinen Sinn. Zudem hätte er FL kidnappen, ins Versteck verfrachten, ihr direkt die Info für die SMS entlocken, und dann zügig Richtung Nieheim aufbrechen müssen. Dann hätte er den Großteil dieser knapp zwei Stunden allein im Auto verbracht, anstatt sie dem Opfer zu widmen, das ist für mich nicht vorstellbar, wie oben bereits angedacht.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 15:16
@Solaar
Herzlichen Dank für deine genauen Ausführungen über die CC-Unit.
Gerade die untere Ausführung von dir finde ich hoch interessant:
Zitat von SolaarSolaar schrieb:Was tut die CC-Unit eigentlich?, fragte ich. Antwort: Die Ermittler haben freie Hand. Sie können sich aus dem Bündel der Altfälle jene aussuchen, die ihnen bezüglich einer etwaigen Aufklärung besonders vielversprechend erscheinen. Diese CC-Beamten hätten, so der pensionierte Kriminaler, den großen Vorteil, sich vollkommen ablenkungsfrei mit ihren Fällen zu beschäftigen. Sie nehmen sich Zeit und haben - und das war für mich vollkommen neu - sämtliche Möglichkeiten eigenständiger, erneuter Ermittlungen. Dazu zählen, zu meiner damaligen Überraschung, auch neue Vernehmungen "alter" oder "neuer" Zeugen. Es sei keineswegs so, dass die CC-Leute nur nach Aktenlage entschieden oder gar auf die Befindlichkeiten der eigentlich zuständigen Dienststellen Rücksicht zu nehmen hätten. Dass nicht jede per se zuständige Stelle von der Arbeit einer externen Expertengruppe begeistert ist, deren Aufgabe ja durchaus auch darin besteht, die bisherigen Ermittlungen kritisch auf den Prüfstand zu stellen, kann man m.E. nachvollziehen.

Um es kurz zu machen: Der CCU steht die komplette Palette der Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie wählt die prioritären Fälle selbst aus. Bevorzugt angegangen werden wohl Fälle, bei denen die Erfolgschancen einer Aufklärung höher erscheinen. Dafür gibt es (mindestens) zwei Hauptkriterien: Das Vorhandensein einer mutmaßlichen Täter-DNS und ein nicht zu großer zeitlicher Abstand zum Tötungsdelikt. Vielleicht kommen noch jene Fälle dazu, in denen sich die damaligen Ermittler ziemlich sicher waren, den "Richtigen" zu kennen, aber eine Anklageerhebung aus juristischer Sicht/von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht praktikabel oder aussichtsreich genug erschien.
Diese Info von dir deckt sich fast zu 100% mit dem was Kurt Linzer, Chef der Cold Case Abteilung im Bundeskriminalamt (Ö.) in einem Interview tiefere Einblicke in die Arbeitsweise des Cold Case Management (CCM) darüber erzählte.
Hier scheint es wohl nicht gar so viel Unterschied darin zu geben, zwischen D. und Ö.
Interessant auch, wie sie neue Spuren finden, etwa (Beispiel) wie wichtig darin wie unten so ein Podcast ("True Crime") für neue Ermittlungsansätze sein können für die Polizei.
Und wie wichtig oft die Zusammenarbeit von Polizei und Bevölkerung zur Aufklärung ist.

Interview vom 13. September 2019
https://dunklespuren.podigee.io/b10-bonus-interview-mit-kurt-linzer

Wenn man bedenkt, dass die etwa auch noch einen Fall aus dem Jahr 1972 neu aufrollen, so ist sowieso klar, dass der Fall von Frauke Liebs auch in Deutschland sicher - solange er nicht aufgeklärt ist - die weitern Jahre/Jahrzehnte nicht abgehackt sein wird.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 19:22
Einen Gedanken der mich seit ein paar Wochen beschäftigt und gerade weil mir oft auffiel was nicht geschah, sind zu Bild 19, die Abstände zwischen den Worten der ersten sms.
Davon ausgehend, dass dieser Text so wie er auf besagtem Bild gezeigt wird, echter ist, als z.B. die Bilder der ersten sms in den Medien, fällt mir auf, dass zwischen vielen Worten je 2 Leerschläge stehen. Leerschläge auf einem Handy mit Tastenfunktion zu drücken, ist ganz anders als mit Touchscreen. Es bedingt nämlich ein Warten, bis der Cursor die Ausführung getätigt hat. Kein Vielschreiber würde sowas tun wollen.

Der Gedanke, der mir bei dieser Betrachtung geschah - was ist, wenn die sms im Ursprung sehr viel länger und ausführlicher war. Was denkt ihr?


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 19:50
Zitat von ThoFraThoFra schrieb:Wenn er tatsächlich aus Fraukes (weiteren) Umfeld stammte bzw evtl Kontakt zu diesem Umfeld (Familie Liebs, Chris) hatte, wird ihm zum einen das Risiko, am Telefon erkannt zu werden, zu groß gewesen sein - natürlich hätte er auch seine Stimme mit (technischen) Hilfsmitteln verzerren/verändern können - zum anderen denke ich, dass er Frauke so eine trügerische Nähe zu ihren Angehörigen/ Chris suggerieren wollte, anfangs u a wahrscheinlich auch, um Frauke 'bei Laune' zu halten bzw ihr zu zeigen, dass die Hoffnung auf Freilassung durchaus berechtigt ist/ sein könnte.
Klar, das schließt für mich jedoch das Quälen aus. Wenn der Täter derart sadistisch gewesen wäre, hätte er aus meiner Sicht die Leiche von FL womöglich anders zugerichtet. Und ginge es ihm um das Quälen der Familie, hätte er sich womöglich nicht damit zufrieden gegeben sie ein paar mal telefonieren zu lassen dann zu töten und in einem Wald abzulegen, ohne deren Ängste/Verzweiflung vollumfänglich auszukosten - idem er sie wissen ließe dass sie in seiner Gewalt ist.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 20:37
@Solaar
@Doverex

Vielen Dank für Eure hochinteressanten Informationen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Täter bei einer Wiederaufnahme der Ermittlungen gefasst wird. Die sehr gründlichen, aber ergebnislosen Ermittlungen von Herrn Östermann machen nach meiner Ansicht den Weg frei für einen neuen Ermittlungsansatz. Außerdem hoffe ich auf die technischen Fortschritte in der Spurenanalyse.

@MGunderson
Zitat von MGundersonMGunderson schrieb:dass zwischen vielen Worten je 2 Leerschläge stehen
Das ist eine sehr interessante Beobachtung.
Zitat von MGundersonMGunderson schrieb:wenn die sms im Ursprung sehr viel länger und ausführlicher war
Wenn diese Textfassung identisch mit dem Original wäre, fände ich Deine Vermutung, dass der Text überarbeitet wurde, sehr plausibel. Allerdings ließe sich auch dann nicht ausschließen, dass der Täter seine eigene Version korrigierte, aber es spräche auch viel dafür, dass es ein Textentwurf von FL war.

@Eya
Zitat von EyaEya schrieb:ür mich liest sich das so als würde er zu einem Übertäter stilisiert werden. Dass er alles bis ins kleinste Detail geplant hätte.
Ich weiß zwar nicht, ob Du Dich auf meine Ausführungen beziehst, aber sicherheitshalber möchte ich klarstellen:

Ich gehe gerade nicht davon aus, dass der Täter alles von Anfang an geplant hat, sondern dass er mit den jeweiligen Anrufen auf die aktuelle Entwicklung reagierte. Ich finde zwar nicht, dass der Täter hochintelligent gewesen sein muss, aber für einen Dummkopf, der unüberlegt handelte, halte ich ihn nicht.
Für ihn stand sehr viel auf dem Spiel. Ist es da nicht wahrscheinlich, dass er gründlich nachdachte, um der Polizei zu entgehen?
Zitat von EyaEya schrieb:Wenn der Täter derart sadistisch gewesen wäre, hätte er aus meiner Sicht die Leiche von FL womöglich anders zugerichtet.
Einen derartigen Sadismus meine ich nicht - und @ThoFra, wenn ich sie richtig verstanden habe, auch nicht.
Ich sehe das Bedürfnis nach Macht als Motiv.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 23:02
Zitat von MGundersonMGunderson schrieb:Der Gedanke, der mir bei dieser Betrachtung geschah - was ist, wenn die sms im Ursprung sehr viel länger und ausführlicher war. Was denkt ihr?
Ein guter Gedankengang m E.
Wobei ja nicht sicher ist, ob es sich dabei tatsächlich um die 'Original - SMS' handelt, wenn ich das richtig verstanden habe?
Sollte es dennoch in der Original - SMS auch so gewesen sein, fände ich es auch naheliegend, dass der Täter Frauke evtl.aufgefordert haben könnte, eine - für sie typische - SMS zu verfassen und dann entweder selbst die Passagen herausgelöscht hat, die ihm nicht passten/gefielen, oder Frauke angewiesen hat, genau diese zu löschen.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Ich gehe gerade nicht davon aus, dass der Täter alles von Anfang an geplant hat, sondern dass er mit den jeweiligen Anrufen auf die aktuelle Entwicklung reagierte. Ich finde zwar nicht, dass der Täter hochintelligent gewesen sein muss, aber für einen Dummkopf, der unüberlegt handelte, halte ich ihn nicht.
Das sehe ich ebenso.
Denke auch, dass der Täter sein Verhalten immer wieder situationsbedingt anpasste.
Einen 'groben Plan' mag er wohl vorab schon gehabt haben, denke ich, die Details ergaben sich dann m E aus der jeweiligen Situation heraus.
Würde mir auch am ehesten einen durchschnittlich intelligenten Täter vorstellen.
Zitat von birkenseebirkensee schrieb:Einen derartigen Sadismus meine ich nicht - und @ThoFra, wenn ich sie richtig verstanden habe, auch nicht.
Ich sehe das Bedürfnis nach Macht als Motiv.
Genau.
Es gibt physische Gewalt (z B zurichten der Leiche) und psychische Gewalt (z B die Angehörigen durch Anrufe/falsche Hoffnung etc quälen).
Die Macht, die den Täter 'anmachte' wird eher die psychische gewesen sein, sonst hätte man wohl tatsächlich (eindeutige) Spuren an Fraukes Leichnam (z B Knochenbrüche) gefunden, wenn es ihm (auch) um physische Gewalt gegangen wäre.


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Mord an Frauke Liebs

06.11.2019 um 23:52
Zitat von ThoFraThoFra schrieb:Es gibt physische Gewalt (z B zurichten der Leiche) und psychische Gewalt (z B die Angehörigen durch Anrufe/falsche Hoffnung etc quälen).
Warum sollte er aber seinen "eigentlichen" Charakter derart kontrolliert und dem (zuvor nicht wissenden) Verlauf angepasst situativ und derart verspätet einsetzen?
Warum also zunächst eine Unterdrückung des eigentlichen Egos (dem ja offensichtlich innewohnenden Teufel auf der Schulter)?
Ein spontanes Ausbrechen der bislang unterdrückten dunklen Seite?

Mir persönlich fehlen noch immer die Hinweise für die Annahme, dass der Täter bei den späteren Anrufen die Angehörigen bewusst "quälen" wollte, auch wenn ich es nicht kategorisch ausschließen kann/möchte.


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Mord an Frauke Liebs

07.11.2019 um 00:11
Zitat von AnNevisAnNevis schrieb:Warum also zunächst eine Unterdrückung des eigentlichen Egos (dem ja offensichtlich innewohnenden Teufel auf der Schulter)?
Ein spontanes Ausbrechen der bislang unterdrückten dunklen Seite?
Nunja, eine solche 'Unterdrückung des eigentlichen Egos' würde ich definitiv beim Täter vermuten, denn der Entführungsfall Frauke Liebs ist in seinen Details einzigartig, sodaß wir davon ausgehen sollten, dass dies die erste - zumindest was die Details wie Anrufe, SMS ... betrifft - Tat/Entführung des Täters war.
Dies impliziert für mich eher weniger, dass diese 'dunkle Seite' spontan ausbrach, sondern vielmehr, dass diese immer schon (latent) vorhanden war und der Täter schon länger den groben Plan für die Tat im Kopf hatte.
Frauke erschien ihm offenbar als geeignetes Opfer, diesen dann tatsächlich zu realisieren, auch die Umstände (sie kam alleine aus dem Pub, es war überall noch 'etwas los' aufgrund der Fußball - WM im eigenen Land) waren an diesem Abend aus Tätersicht wohl passend.

Wenn er sein 'eigentliches Ego' nicht hätte unterdrücken/verheimlichen können, wäre er wohl schon viel früher in seiner Familie/ Umfeld 'auffällig' geworden/wäre polizeibekannt, dann würden wir hier wohl nicht (mehr) rätseln, wer der Täter im Fall Frauke Liebs gewesen sein könnte.


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Mord an Frauke Liebs

07.11.2019 um 00:30
@ThoFra
Soweit für mich verständlich. Aber warum unterdrückt er dann die angenommene dunkle Seite zeitweise, wenn er nun mittelbar in der Lage war, jene (endlich und fast zwingend annehmend planend) auszuleben?
Oder anders hinterfragt: Was war das Motiv und welche Indizien weißen darauf hin?


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Mord an Frauke Liebs

07.11.2019 um 00:42
@AnNevis
Zitat von AnNevisAnNevis schrieb:Aber warum unterdrückt er dann die angenommene dunkle Seite zeitweise, wenn er nun mittelbar in der Lage war, jene (endlich und fast zwingend annehmend planend) auszuleben?
Meinst Du, warum er während der Entführung sein "dunkle Seite" unterdrückte?


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Mord an Frauke Liebs

07.11.2019 um 00:47
Zitat von AnNevisAnNevis schrieb:Was war das Motiv und welche Indizien weißen darauf hin?
Das ist die große Frage, denke, wenn man diese Frage sicher beantworten kann, dann ist man auch am Täter schon sehr 'nah dran'.

Kann mir eigentlich nur die Ausübung von Macht/psychischer Gewalt als Motiv vorstellen oder eine - wie auch immer geartete - sexuelle Vorliebe, die der Täter mit Frauke ausleben wollte und wahrscheinlich auch ausgelebt hat.
Eventuelle Spuren davon könnten durch die längere Liegezeit von Fraukes Leichnam verloren gegangen sein bzw bei der Obduktion nicht mehr nachweisbar gewesen sein.

Das Quälen der Angehörigen - sofern man annimmt, dass dies vom Täter beabsichtigt war - würde ich nicht als 'ursprüngliches' Motiv sehen, sondern könnte mir eher denken, dass der Täter im Laufe der Entführung merkte/evtl auch aus Fraukes (weiteren) Umfeld 'zugetragen bekam', welches 'Wechselbad der Gefühle' Fraukes Anrufe/SMS bei ihren Angehörigen/ Chris verursachten und er dies zunehmend mehr genoss.


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