@Mister-X sören42 schrieb:Eben - und wenn es um Leben und Tod geht, dann besteht "Gefahr im Verzug".
Mister-X schrieb:Das stimmt! Jedoch ist fraglich, in wie weit das damals für die Justiz den Anschein hatte.
Das Erstaunliche ist doch, dass der Kripo in weniger als 48 Stunden nach FLs Verlassen des Pubs bereits die Handydaten der 1. SMS vorlagen. D. h. kurz nach FLs Verschwinden wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine richterliche Anordnung erwirkt, ohne die der Funkzellenbetreiber diese Daten der Kripo nicht hätte zur Verfügung stellen dürfen.
Zu einem Zeitpunkt also, als FL erst sehr kurze Zeit verschwunden war, sahen bereits Staatsanwaltschaft und der zuständige Ermittlungsrichter immerhin einen ausreichenden Verdacht gegeben, um mit der Ermittlung des Absendeorts der 1. SMs in FLs Grundrechte einzugreifen - obwohl FL volljährig war und es keinen Hinweis auf eine Gewaltanwendung gab.
Die Freiwilligkeit der 1. SMS wurde damals weder von der Kripo noch von FLs Angehörigen bezweifelt. Unter dieser Voraussetzung muss man konstatieren, dass Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter bemerkenswert früh bereit waren, FLs Verschwinden ernst zu nehmen - trotz der zu diesem Zeitpunkt sehr dürftigen Faktenlage.
Diese sehr dürftige Faktenlage änderte sich durch die Telefonate.
Es war eine sehr unglückliche Entwicklung, dass die Kripo die Ermittlungen offenbar nur unter dem energischen Druck der Mutter aufnahm, und deshalb leider allzu schnell bereit war, sich dieses Falls wieder zu entledigen, indem sie sich mit den Anrufen als bloßes Lebenszeichen begnügte.
Das war unbestritten ein schwerer Fehler und alles andere als eine "in solchen Fällen übliche" Entscheidung. Das zeigt auch die Bemerkung von Herrn Östermann: "Ob die Kollegen zu dem Zeitpunkt schon zwingend von einem Kapitaldelikt ausgehen mussten, will ich heute offenlassen."
Wenn man bedenkt, dass es absolut unüblich und unerwünscht ist, dass sich Angehörige verschiedener Dienststellen in der Öffentlichkeit offen kritisieren, ist diese Distanzierung Herrn Östermanns von der Entscheidung seiner Paderborner Kollegen durchaus als klare Kritik zu werten.
Da ja bereits ein "Verfahren wegen des Verdachts einer Geiselnahme" eröffnet war, wäre es naheliegend gewesen, für eine Aufzeichnung der Gespräche zu sorgen und durch eine professionelle Auswertung für (größere) Klarheit zu sorgen.
rayden schrieb:und bis sich Experten dann wohl vom LKA die Stimme angehört und ausgewertet hätten, wer weiß wie viel Zeit verstrichen wäre.
Das stimmt nicht. Bei dem Verdacht auf eine Entführung wird sehr schnell gehandelt, weil man davon ausgeht, dass das Leben des Opfers in Gefahr ist. Da geht es nicht mehr um Anfragen auf dem "normalen Dienstweg".
rayden schrieb:und es traf die Polizei, die sicher auch genug mit der WM zu tun hatte, gänzlich unvorbereitet.
Bei einer Entführung wäre die Paderborner Polizei keineswegs auf sich allein gestellt gewesen. Und die Spezialisten, die in einem solchen Fall zum Einsatz kommen, gehören nicht zu denen, die während der WM auf den Straßen für Sicherheit sorgen mussten.
Und dass jene, die die aufgezeichneten Gespräche analysiert hätten, von einem freiwilligen Verschwinden FLs ausgegangen wären, kann man wohl ausschließen.
Und man kann, glaube ich, davon ausgehen, dass ein Staatsanwalt und ein Ermittlungsrichter, die bereits den nur vagen Verdacht ernst nahmen, nach dem Ergebnis der Gesprächsanalyse erst recht zu Maßnahmen wie z. B. einer Handy-Ortung bereit gewesen wären.