Doverex schrieb:Ich denke also so, wenn es diese "halb-heimlichen Dinge" wie du es bezeichnest echt gegeben hätte, frage ich mich dann schon, wieso die Ermitterl ihn dann nicht ausforschen konnten?
Nun, die Ermittler müssen davon erst mal erfahren. Ich habe als Student mal in einer Klinik gearbeitet. Eine Rose in einem unbeachteten Moment an den Spind meiner Angebeteten im Umkleideraum der Station angebracht, das wäre leicht gewesen. Frauke sieht das, grinst, und vergisst das innerhalb von einer Woche. Und nie hat jemand davon erfahren. Der Täter allerdings erinnert sich an diesen ganz wichtigen Moment. Da ist so viel möglich.
Malinka schrieb:Dennoch unternahm der Täter nichts, um sich die Polizei oder die Familie tatsächlich vom Leibe zu halten,
Das ist richtig: das Verhalten des Täters zeigt m.E. dass er keine Befürchtung hatte, von Polizei oder sonstwem entdeckt zu werden. Mit Störung meine ich etwas anderes. Z.B. wenn er nur eine Zeitlang sturmfreie Bude hatte, und nach 2 Wochen seine Eltern aus dem Urlaub zurückkamen und er bis dahin eine Lösung haben musste usw. Ich glaube nicht, dass der Täter sich hier auf ein langfristiges Unternehmen eingestellt hatte. Das unterscheidet m.M.n. diesen Fall vom Fall Kampusch und ähnlichen Fällen.
Ich will es mal überspitzt beschreiben: es gab einmal einen comic, calvin and hobbes, da fordert der kleine Calvin ebenfalls eine positive Antwort mit der Drohung: ich halte jetzt die Luft an bis du ja sagst. Natürlich kann er nicht die Luft viel länger als 40 Sekunden anhalten.
Übertragen auch hier: Die Lösung, und das kann für ihn nur die positive Antwort Fraukes sein, muss in der Zeit erfolgen, in der er die Luft anhalten kann. Die ganze Aktion war nicht darauf angelegt, "seine Frauke" ewig in Gefangenschaft zu halten.
Wäre es ihm nur darum gegangen, dann wären die Telefonanrufe usw. wirklich unsinnig gewesen. Dann ab in den Keller wie bei Kampusch. Nein, ich habe das Gefühl, er hat sich -natürlich völlig irrational- gedacht, er kann Frauke
überzeugen. Und dazu dienten auch die Anrufe: sieh her, ich bin doch kein Unmensch, ich lasse Dich sogar telefonieren usw.
Für mich ergibt sich aus dieser verdrehten Geisteshaltung die wahrscheinlichste Erklärung für das ansonsten merkwürdige Verhalten. Ich sehe die Telefonanrufe z.B. auch nicht als sadistische "Quälerei" der Angehörigen. Da hätte man ganz anders vorgehen können und sich am Leiden der Mutter z.B. aufgeilen können, sorry for my French, usw. Nein, ich glaube, der Täter hat sich selbst vorgemacht, doch ein ganz "normales" Verhältnis mit "seiner Frauke" zu haben. Sie ist halt bei ihm, wie es eine normale Freundin wäre, sie telefoniert mit ihren Freunden und Geschwistern, usw.
Allerdings, und das ist ja klar, bedeutet das, der Täter war hochgradig gestört. Das hat er mit Tätern wie im Fall Kampusch gemeinsam, die sich auch irgendwann eingeredet haben, es ist doch ganz normal, eine Gefangene jahrelang im Keller zu haben, mit ihr intim zu werden usw.
Ich glaube, wir haben es mit einem Täter zu tun, der in seiner eigenen, kranken, Vorstellungswelt lebte, in der Frauke leider eine zentrale Rolle spielte, der am Ende aber nicht mit dem zwangsläufigen Konflikt mit der Realität zurecht kam. Oder anders ausgedrückt: dem die Situation in dem Moment über den Kopf wuchs, als er bemerkte, dass seine Traumwelt eben nicht real ist.
In den USA gab es einen ähnlichen Fall in 2002. Die 14jährige Elizabeth Smart wurde von Brian Mitchell entführt und wurde monatelang gefangen gehalten. Sie wurde von ihrem Entführer in einem unglaublich bizarren Fall sogar immer wieder in der Öffentlichkeit präsentiert. Er betrachtete sie als "seine Braut." Psychiater haben ihm später eine tiefgreifende narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
In diese Richtung stelle ich mir unseren Täter hier vor.
frauZimt schrieb:Vielleicht konnte- oder kann er - keine Liebe empfinden, jedenfalls nicht so, wie Liebe definiert wird (Sorge um des Geliebten Wohlergehen).
Vielleicht wollte der Täter Frauke kontrollieren, dominieren, wollte sie besitzen. Vielleicht hat er genossen, dass sie ihm vollkommen ausgeliefert war. (Und das war in seinem armen System "Liebe")
Genau das würde auf eine solche NPS hinweisen.
Wikipedia: Narzisstische Persönlichkeitsstörung