Der Yogtze-Fall

mattschwarz schrieb:Die Bezeichnung bleibt auf dem Aktendeckel in der Regel, d.h. wird auch nicht verändert, wenn die Ermittlungen in eine andere Richtung gehen.

Aha. Ist eine vernünftige Erklärung.

mattschwarz schrieb:Ich würde ohnehin bezweifeln, dass eine Verurteilung der Yogtze-Buben möglich wäre, selbst wenn man diese ermitteln würde und rauskäme, dass hier ein absichtliches Überrollen vorlag.

Wie sollte man denn auch eine Absicht einwandfrei nachweisen?

mattschwarz schrieb:wenn die Yogtze-Jungs (naja, so jung sind die ja jetzt nicht mehr) brav auf der Anklagebank sitzen und das tun würden was sie schon jahrzehntelang tun: schweigen

Oder das sagen, war hier viele vermuten: Es war ein Unfall.

Der Sendeschluß war am 25. Oktober 1984 in der ARD um 0:50, im ZDF bereits um 0:10. Der WDR als drittes Programm vor Ort war bereits vor 0:00 Uhr schlafengegangen.

Es lief an jenem Abend übrigens diese Ausgabe von Dalli Dalli und Mireille Mathieu und Peter Alexander stellten dort ihr seinerzeit neues Duett "Goodbye My Love (Verzeih My Love)" vor.

Dies hat jetzt konkret gar nichts mit dem Fall hier zu tun, mag aber für euch ein gutes Hilfsmittel zur zeitlichen Einordnung sein, falls Ihr euch - so wie ich - an die Ausstrahlung erinnert. Mir, der sich solchen Fällen stets auch über zeitgenössische Populärkultur wie Film, Fernsehen oder zum Zeitpunkt des Geschehens aktuelle Musik nähert, hilft sowas jedenfalls immer, um eine etwas plastischere Vorstellung davon zu bekommen, wann und in welchem zeitlichen Kontext sich etwas zugetragen hat.

Besuch bei der alten Dame um 1,00 Uhr, danach 100 km Fahrt über einen höchst problematischen Autobahnabschnitt und dann um 3.00 uhr Auffinden mit kaltem Motor kann ganz einfach vom Zeitfenster her nicht sein, in welchem auch noch die Tatausführung plus Anfahrt zur Autobahnauffahrt und mit Sicherheit ein Tankstopp liegen müssen.

Daß an diesen überlieferten Daten eine Angabe zumindest nicht stimmen kann, muß dem Autor aufgefallen sein, denn als Oldtimer-Spezialist versteht er genug von Fahrzeugen.

Doch das Urteil darüber wollte er wohl lieber dem Leser überlassen.

h.

histokrat schrieb:Besuch bei der alten Dame um 1,00 Uhr, danach 100 km Fahrt über einen höchst problematischen Autobahnabschnitt und dann um 3.00 uhr Auffinden mit kaltem Motor kann ganz einfach vom Zeitfenster her nicht sein, in welchem auch noch die Tatausführung plus Anfahrt zur Autobahnauffahrt und mit Sicherheit ein Tankstopp liegen müssen.

Der Meinung bin ich auch. Die Zeitangabe von Frau Helfritz kann einfach falsch ein. Ich kann mir das so vorstellen:

GS hat frau Helfritz nicht erst um 1 Uhr nachts aus dem Schlaf geklingelt, sondern schon einige Zeit früher. Man stelle sich folgende Situation vor:

GS ist von der Kneipe fast sofort zu ihr gefahren. Konstruiert man die Sache mal zeitlich, war er gegen 23 Uhr in der Kneipe vom Hocker gekippt und war sicherlich ein paar Minuten ohnmächtig. Lässt man GS jetzt zwischen 23:15 Uhr und 23:30 Uhr von der Kneipe abfahren, kommt er 15 - 20 Minuten später bei Frau Helfritz an. Dann wäre es spätestens 23:50 Uhr. Er überlegt einige Zeit, ob er zu Frau Helfritz oder zu seinen Eltern gehen soll - die wohnten ja in der Nachbarschaft von Frau Helfritz. Vielleicht stand er ja schon bei seinen Eltern vor der Haustür hat sich aber umentschieden und ist zu Frau Helfritz gegangen.
Schließlich klingelt er bei Frau Helfritz. Die wird auch wach, guckt im Halbschlaf auf den Wecker und liest 1 Uhr. Dabei verwechselt sie aber Stunden- und Minutenzeiger. Stattdessen ist es "erst" 0:10 Uhr.

So verschiebt sich das Zeitfenster mal schnell um eine 3/4 Stunde nach vorne.

Sorry, habe eben nochmal nachgelesen: Der Autor schreibt doch an einer Stelle "...er klingelt gegen ein Uhr bei einer Nachbarin seiner Eltern ....". Was er jedoch offen läßt, wann Stoll die Kneipe im 10 km entfernten Wilnsdorf verlassen hat. Lediglich, daß er kurz vor 23 Uhr von seiner Wohnung in Anzhausen in das sieben Kilometer entferntliegende Wilsdorf aufgebrochen ist. Trotzdem aber spekuliert der Autor, "wo sich Stoll zwei Stunden lang aufgehalten hat, seit er das Papillon verlassen hat....."

Doch wo sollen diese 2 Stunden herkommen? Die Spekulation ist sinnlos, solange seine Verweildauer in der Kneipe nicht bekannt ist.

Etwas weiter schreibt der Autor: "...erst drei Stunden später, um 3.05, taucht der VW Golf wieder auf...." Gemeint ist das Auffinden kurz vor Hagen. Nun sind es auf einmal doch drei Stunden!

Dieses Wirrwarr an Zeitangaben läßt sich nur lösen, wenn Stoll direkt von der Kneipe zu Fr. Hellfritz gefahren ist und schon gegen ca. 0.00 Uhr bei ihr war. Dann würde auch das darauffolgende Zeitfenster wieder passen. Nur die Feststellung mit dem abgekühlten Motor kann dann immer noch nicht stimmen!

Ein weiteres Indiz ist der Hinweis mit dem Sendeschluß: Warum sollte die alte Dame noch nach Sendeschluß vorm Fernseher sitzen?

Ein weiterer Widerspruch ist die Beschriftung des Bildes mit dem verunfallten Golf, wo dieser mit offen stehender Heckklappe zu sehen ist: Stolls Autoschlüssel soll auf der Hutablage gelegen haben. Durch deren Schrägstellung beim Öffnen müsste er jedoch auf die Rücksitze herabgerutscht sein.

Als Quelle für den Hinweis des Studienkollegen mit der schimmelfreien Brotformel werden die Polizeiakten angegeben.

h.

histokrat schrieb:Warum sollte die alte Dame noch nach Sendeschluß vorm Fernseher sitzen?

Das halte ich auch für unwahrscheinlich. Das Testbild wird sie sich mit Sicherheit nicht bis 1 Uhr nachts angesehen.Ergibt einfach keinen Sinn.
Sie wird sich vielleicht noch das Programm angesehen haben, was sie wollte und ist dann ins Bett gegangen. Mit drei Sendern gab es damals nicht wirklich viel Auswahl, was man gucken konnte.

histokrat schrieb:Nur die Feststellung mit dem abgekühlten Motor kann dann immer noch nicht stimmen!

Wenn ich zu einem Unfallort, an dem ich einen schwer Verletzten finde komme, werde ich mich wohl kaum dafür interessieren und nachprüfen, ob der Motor noch warm ist. Also handelt es sich vermutlich um eine später dazu erfundene Ausschmückung oder um ein Gerücht.

histokrat schrieb:Warum sollte die alte Dame noch nach Sendeschluß vorm Fernseher sitzen?

Weil sie beim Fernsehen eingeschlafen ist. Kommt bei vielen Leuten vor.

histokrat schrieb:Dieses Wirrwarr an Zeitangaben läßt sich nur lösen, wenn Stoll direkt von der Kneipe zu Fr. Hellfritz gefahren ist und schon gegen ca. 0.00 Uhr bei ihr war. Dann würde auch das darauffolgende Zeitfenster wieder passen.

100 km auf der Autobahn in 2 Stunden sind locker zu schaffen. Da bleibt sogar noch viel Zeit übrig für andere Ereignisse, wie in diesem Fall.

Mr.Brain schrieb:Wenn ich zu einem Unfallort, an dem ich einen schwer Verletzten finde komme, werde ich mich wohl kaum dafür interessieren und nachprüfen, ob der Motor noch warm ist. Also handelt es sich vermutlich um eine später dazu erfundene Ausschmückung oder um ein Gerücht.

Polizisten fühlen mitunter heute noch, ob die Motorhaube kalt ist. Dann kann man zumindest halbwegs feststellen, wie lange ein Auto schon steht. Wobei das nachts und im Winter verfälscht sein kann.


Handy gab es früher noch gar nicht und Funkgerät hatten auch noch nicht viele Lkw. Heißt, der Fahrer musste in dem Fall erstmal eine Notrufsäule gesucht haben. Und es wird auch einige Zeit gedauert haben, ehe ein Polizist am Tatort erschienen ist.