Der Yogtze-Fall
15.04.2019 um 05:26
Ich denke, die Frage ob GS nun irrational/wahnhaft/psychotisch handelte oder nicht, lässt sich nicht eindeutig anhand seiner Verhaltens vor den für ihn tödlichen Geschehnissen belegen und klären. Es liegt im Auge des Betrachters, welche Argumente pro/contra nun auf den geneigten Betrachter schlüssiger wirken, oder eben nicht. Vlt. ist es daher interessanter, sich auf die Geschehnisse nach dem Besuch bei Fr. Hellfritz zu konzentrieren und sich der Thematik "Psychose mit anonymen Helfern" oder "böse Aggressoren" auf diese Weise zu nähern.
Es gibt einen unbekannten Geschehnisort, an dem GS seine später tödlichen Verletzungen erlitt. Nehmen wir einmal an, GS wurde dort von Peronen verletzt, die zufällig und ohne jede Absicht in diese Situation gerieten. Nehmen wir sogar weiter an, diese Personen waren mit dieser Situation ggf. ersteinmal überfordert. Dann stellen sich mir persönlich dennoch die Fragen, warum Stoll jede Hilfe am Geschehnisort verweigert wurde und ihn die Verursacher in seinem eigenen Auto (!), via Autobahn durch die Gegend kutschierten. Es stellt sich auch die Frage, warum diese Personen dann an der bekannten Stelle von der breiten, übersichtlichen und freien Fahrbahn in den Graben fuhren, flüchteten und den sterbenden GS erst jetzt, nach einer bereits so lang andauernden (Ausnahme-)Situation schließlich doch sich selbst überließen, obschon sie das bereits an dem Ort hätten machen können, an dem GS die Verletzungen erlitt. Ich vermute, dieses nahzu unerklärliche Verhalten ist das eigentliche Rätsel an diesem Fall. Mehrheitlich die Vertreter der Psychose-Theorie bemühen dazu die Hilfskonstruktion, die Verursacher hätten vlt. aufgrund eigener Verfehlungen (z.B. Alkohol/Drogen am Steuer) keine Hilfskräfte, schon garnicht die Polizei alarmieren wollen und wären durch den zweiten Unfall auf der BAB beim Versuch gescheitert, GS anonym in ein KH zu befördern.
Bei dieser Hilfskonstruktion sehe ich persönlich ziemlich markante Schwächen. Zunächst gab es für die zufällig zu Verursachern gewordenen Personen mehrere Möglichkeiten, noch am ersten Geschehnisort zu reagieren. So hätten sie grundsätzlich ersteinmal Maßnahmen der ersten Hilfe an GS einleiten können. Es hätte dabei ausgreicht, die mutmaßlich stark blutenden Verletzungen selbst ohne mitgeführten Verbandkasten z.B. mit Kleidungsstücken Stolls zu versorgen/abzudecken/abzubinden. Sie hätten ferner Maßnahmen gegen die Unterkühlung Stolls treffen können (z.B. durch das Anziehen oder zumindest Auflegen/Abdecken des nackten Körpers durch Kleidungsstücke Stolls). Es sind jedoch offensichtlich keinerlei Maßnahmen erfolgt, obwohl die Armverletzung und das Ereignis an sich (Überfahren) schwere Traumata vermuten ließ bzw. diese bereits offensichtlich waren (Armverletzung). In diesem Zusammenhang dürfte den Verursachern auch klar gewesen sein, dass GS in diesem Zustand ohne jede Versorgung z.B. durch Verbluten alsbald versterben würde und somit nur wenig Zeit verblieb, sein Überleben zu sichern. Trotzdem investierten die Verursacher eben jene wertvolle Zeit, das Opfer in dessen Auto zu schaffen und in selbigem eine Fahrt mit unbekanntem Ziel über die BAB anzutreten. Man muß kein Mediziner sein um zu erahnen, dass dieses Vorhaben so ziemlich die Schlechteste Option war, GS zu retten.
Alternativ hätte sich deutlich zielführender angeboten, GS durch Erstversorgung zu stabilisieren und dann bzw. parallel dazu Hilfe zu holen. Das war sogar auch anonym möglich. Die Notrufsäulen an der BAB, ein öffentlicher Münzfernsprecher (z.B. Telefonzelle, in Gaststätten, an/in Tankstellen) oder auch die gewagtere Methode, an Wohnhäusern zu klingeln und dort um Hilfe zu ersuchen (selbstverständlich ohne sich namentlich vorzustellen bzw. gleich Stoll selbst dort abzusetzen und sofort zu verschwinden). Letztere Möglichkeit schien sich aus Sicht von um Ananonymität bemühten Samaritern nicht gerade zu empfehlen, doch eine Identifizierung/Beschreibung durch Stoll nahmen sie ja bereits dadurch in kauf, GS irgendwo lebendig abzuliefern zu wollen.
Stattdessen derfolgte jedoch dieser vollkommen unerklärliche Trip über die nächtliche BAB in dessen Auto ohne jegliche, vorherige Opferversorgung. Gehen wir von einer Psychose Stolls aus, war das wohl ansteckend. Denn auch die Helfer reagierten hier scheinbar vollkommen irrational.
Eine weitere Schwäche offenbart sich am zweiten und letzten Geschehnisort. Aus irgendeinem Grund kommt es hier zu einem (neuerlichen) Unfall, als Stolls Golf mit allen Insassen auf nahezu gerader, freier und übersichtlicher Strecke, plötzlich nach rechts von der Fahrbahn abkommt und in den Graben kracht. Auch jetzt reagieren die wiederholt zu Verursachern gewordenen "Helfer" wie schon zuvor mit der Wahl der schlechtesten Option. Anstelle die nahegelegne Notrufsäule zu bemühen und Stoll endlich zu helfen, verschwinden sie mehrheitlich -vermutlich nach weiterer, sinnlos verschwendeter Zeit- per pedes im nächtlichen Unterholz oder alternativ im nachgefolgten eigenen Fahrzeug. Wohlgemerkt nicht alle. Eine Person bleibt bei Stoll zurück. Sie schleicht ohne ersichtlichen Grund allein um das verunfallte Auto herum, verschwindet dann aber auch gleich mal zu fuß im Dickicht, als ein LKW anhält, der den verufallten Golf nebst der verbliebenen Person bemerkt hat. Warum sie nicht gemeinsam mit den Anderen flieht, ist völlig unerklärlich. Ebenso die Möglichkeit, dass sie wenig später in Gegenrichtung in Form eines scheinbaren Trampers ganz allein wieder in Erscheinung trat.
Was mindestens 4 Personen in geraumer Zeit nicht geschafft haben, macht dieser LKW-Fahrer gleich goldrichtig. Er startet die längst mehr als überfällige Rettungskette. Zusammen mit einem weiteren Fahrer, der mit seinem LKW ebenfalls um zu helfen angehalten hat, kümmern sie sich um den schwer verletzten Mann und organisieren über eine Notrufsäule an der BAB die Rettung. Wie wir heute wissen, leider zu spät. Stoll stirbt noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
Jetzt betrachte ich einmal die Situation mit angenommenen Aggressoren. Zunächst zwingen sie GS am ersten, unbekannten Geschehnisort dazu, sich seiner Kleidung zu entledigen. Ob dies aus Gründen der Dememütigung geschieht oder die Aggressoren GS und seine Kleidung nur gründlichst untersuchen möchten, es einen anderen Grund z.B. Spurenvernichtung gibt, bleibt völlig unklar. Darauf folgend wird GS dann von den Agressoren überfahren. Ob dies geplant/gewollt ist oder ungewollt/ungeplant geschieht ist ebenfalls offen. Klar scheint hingegen zu sein, dass sie GS in diesem Zustand nicht am ersten Geschehnisort zurücklassen können bzw. wollen. Auch wenn die Verletzungen Stolls offensichtlich nahelegen, dass er ohne baldige Zuwendung durch Rettungskräfte nicht lange überleben wird, scheint der Geschehnisort ungeeignet, Stoll seinem Schicksal zu überlassen. Kurzerhand wird er ohne Erstversorgung in sein eigenes Fahrzeug verfrachtet, da auch das nicht zurückbleiben darf, wenn keine Rückschlüsse/Erkenntnisse durch Dritte aus dem Ort gezogen werden sollen. Das Ausbleiben der Erstversorgung Stolls kennzeichnet dabei entweder einen überhasteten Aufbruch und/oder die von vornherein fehlende Absicht, dass Überleben Stolls zwingend zu sichern. Mit für die Ermittler und uns unklarem Ziel fahren sie schließlich über die BAB. Das Fahrzeug gerät -aus unbekanntem und unerklärlichem Grund- von der Fahrbahn und kracht in den Graben. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder man überlässt ihn hier seinem Schicksal und flüchtet oder man stellt sein Ableben definitiv sicher. Eine Weiterfahrt steht mit Stolls Auto jedenfalls nicht zur Debatte, da nicht möglich. Es gibt noch eine dritte, denkbare Variante, in der das Fzg. Stolls absichtlich an dieser Stelle in den Graben gefahren wird. In diesem Fall stellen sich allerdings auch die zwei vorgenannten Möglichkeiten. Ob sich die Aggressoren bewusst dafür entscheiden Stoll nicht an Ort und Stelle zu töten und wenn ja warum, bleibt unklar. Denkbar ist für mich jedoch, dass sich zunächst einmal 3 der vermutlich 4 Täter vorab vom Unfallort entfernen und das Schicksal Stolls durch den zurückbleibenden vierten Mann besiegelt werden soll, ehe auch er den Anderen folgen wird. Vlt. wird er bei seinen finalen Tätigkeiten durch die anhaltenden LKW überrascht, so das er -egal warum er zurückgeblieben ist- nun auch zur Flucht gezwungen ist. Vlt. hat er aber auch schon erledigt, weshalb er an Stolls Golf noch zurückgeblieben ist und wäre auch ohne haltende LKW geflüchtet.
Skurril bleibt zumindest, dass bald nach den Geschehnissen in der Gegenrichtung auf der BAB ein Anhalter auftaucht. Wenn es sich dabei um den zurückgebliebenen Aggressor handelte ist unverständlich, warum er sich diesem Risiko aussetzte oder überhaupt wieder an der BAB auftauchte. Ggf. wollten ihn die anderen Täter dort auch abholen. Man weiß es nicht. Fakt ist: Mit der Verbringung Stolls weg vom ersten Geschehnisort, setzte man sich einem sehr hohen Risiko aus. Stoll lebte noch, eine Polizeikontrolle wäre für die Täter aber ohnehin fatal gewesen. Egal ob Stoll atmet oder nicht. Zudem wurden Zeugensichtungen riskiert. Andererseits könnten die Agressoren aber auch schon durch das Verbringen vom ersten Geschnisort ihr wichtigstes und vorderrangigste Ziel erreicht haben, da dieser Ort ein noch höheres Risiko bedeutete. In sofern könnte der Rest zwar ungeplant und knapp für die Aggressoren verlaufen sein, war aber für die Sicherheit der Beteiligten scheinbar nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Es wäre dann eher so etwas wie "Ergebniskosmetik" gewesen, die eben nicht ganz so gelang, wie es sich die Aggressoren erdacht haben mögen. Fakt ist schlussendlich auch, dass die Aggressoren in diesem Szenario zumindest das Ziel erreichten, für das Ableben Stolls nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Sie sind bis heute nicht ermittelt.
Nun, egal zu welchem Szenario man tendieren mag, ob nun Samariter oder Aggressor, beide sind theoretisch möglich. In meinen Augen gilt für beide Ansätze, dass Stoll an ziemlich üble Typen geriet. Denn sowohl Samariter als auch Aggressoren, nahmen durch ihr Verhalten das Ableben Stolls zumindest billigend in Kauf. Mehr noch, sie forcierten es sogar, in dem auf jegliche Maßnahmen der Erstversorgung verzichtet, keine verfügbare Hilfe organisiert und stattdessen eine Tour über die BAB unternommen wurde. Bekanntermaßen tendiere ich eher nicht zu den Samaritern mit edlem Ansinnen und Dreck am Stecken. Allerdings machten sich die Protagonisten in beiden Ansätzen schuldig und wurden so zu Tätern, selbst wenn sie es am Anfang noch nicht gewesen sein mögen. In beiden Fällen gab es also verwerfliches, strafrechtlich relevantes Fehlverhalten. Schade, das der Tod des Hr. Stoll bis heute ungeklärt und ungesühnt ist.