schluesselbund schrieb:Zwei von den vieren hätten problemlos Hilfe anfordern können. Und zwei beim Verletzten bleiben. So das wäre ein normales Verhalten. Und lernt man auch so.
So ist es. Damals gab es in jedem Dorf mindestens eine, nachts erleuchtete, Telefonzelle, von der aus man bequem den Notruf absetzen konnte.
Ich kenne das Siegerland ein wenig, und würde mal sagen im Durchschnitt liegen die Dörfer etwa 5km auseinander. Dann hätte man selbst von der einsamsten Stelle auf einer Landstrasse, an welcher man Stoll und sein Fahrzeug gefunden hätte, etwa 5 bis maximal 10 Minuten zu fahren gehabt, bis man in jener handylosen Zeit einen Notruf absetzen konnte.
Auf der Autobahn standen die Notrufsäulen in etwa 2 km voneinander entfernt. So wäre es noch viel schneller möglich gewesen, einen Notruf abzusetzen, wenn man Stoll bereits auf oder an der Autobahn gefunden hätte.
Rettungswachen im Siegerland sind in Siegen, Kreuztal und einigen anderen Orten, sowie weiter nördlich in Olpe, Lüdenscheid, Hagen usw. Vermutlich ist man in der Gegend dort nie weiter als maximal 20km von einer Rettungswache entfernt.
Daraus ergibt sich eine vermutete durchschnittliche Einsatzreaktionszeit von maximal ca. 20 Minuten, also die Zeit, vom Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen der professionellen Helfer.
Nicht viel anders sah das bei der Polizei aus. Nachts waren damals zwar vermutlich im Kreis Siegen nur die Wache in Siegen und die Autobahnwache in Freudenberg besetzt, aber Streifen waren im gesamten Kreisgebiet unterwegs und daher kann auch hier angenommen werden, dass die erste Streife nach einem Notruf höchstwahrscheinlich innerhalb von ca. 15 Minuten vor Ort gewesen wäre.
Was die Krankenhäuser der Gegend angeht, so wird die Sache schon etwas anders. Siegen, Gummersbach, Lüdenscheid und, weit weg, Hagen kommen in Betracht. Keines liegt in der Nähe der Autobahn. Man muss sich auskennen, um es in einer Stressituation schnell zu finden. Ein Privatwagen hat weder Blaulicht noch Signalhorn und muss daher etwas vorsichtiger fahren als ein RTW, NAW oder NEF. Die Wahrscheinlichkeit, sich in dieser Stressituation zu verfahren ist nicht klein.
Daher kann ein vernünftig denkender Mensch durchaus annehmen, dass es länger dauern wird, einen Verletzten selbst ins Krankenhaus zu fahren, als professionelle Helfer brauchen werden, um beim Verletzten einzutreffen. (Unter Fachleuten gilt das zum Beispiel als die entscheidende Masszahl, das deutsche, weltweit vorbildliche Rettungshubschraubersystem ebenso wie die damals üblichen Notarztwagen wurden eingerichtet, um einen Arzt so schnell wie möglich zum Verletzten zu bringen, und nicht um den Verletzten so schnell wie möglich in ein Krankenhaus zu bringen. Eine kleine Nuancenverschiebung, die den meisten vermutlich nicht bewusst ist, die uns in unserer Ausbildung aber plausibel begründet wurde).
Nun, aus all den vorgebrachten Dingen bleibe ich dabei: die "Samariter Theorie" ist absurd. Wie dargestellt hatten die unbekannten Personen, die Stoll transportierten die Gelegenheit, einen Notruf abzusetzen und professionelle Helfer zu alarmieren, die relativ schnell am Einsatzort eintreffen konnten und haben es nicht getan. Da ich der Meinung bin, dass ein solcher Notruf eine typische Reaktion eines Unbeteiligten, der auf einmal auf eine schwer verletzte Person stösst gewesen wäre, muss es einen Grund geben, warum unsere Unbekannten hier untypisch gehandelt haben. Und da ist für mich naheliegend, dass sie mit der Ursache von Stolls Verletzungen zu tun haben.
Nur am Rande bemerkt, es hätte auch noch eine dritte Möglichkeit für unbeteiligte Samariter gegeben: einen Notruf abzusetzen und dem Rettungswagen entgegen zu fahren. Anstatt von Pampahausen bis ins Krankenhaus nach Siegen zu fahren hätte man an der nächsten Telefonzelle einen Notruf absetzen können und sagen können: "ich habe einen Schwerverletzen an Bord und fahre jetzt von Pampahausen über die B 978 nach Huxeldorf in Richtung Siegen. Und die Rettungsleitstelle hätte gesagt: OK, der NAW kommt Ihnen auf der B978 entgegen und kann Ihren Patienten in Huxeldorf übernehmen..." In den USA kommt es auch ab und zu mal vor, dass ein solcher privater Krankentransport (meistens bei plötzlich eingesetzten Geburten) dann von einem Polizeiwagen begleitet wird, der unterwegs auf der Strecke gewartet hat und dann nicht nur die Richtung zum Krankenhaus weisen kann sondern mit den Sondersignalen eben auch eine schnellere Fahrt ermöglichen kann.
All das hätte man mit einem einfachen Notruf in jedem beliebigen Dorf erreichen können. Stattdessen fährt man einfach auf die Autobahn und verunfallt dort auch noch.