Der Yogtze-Fall
09.01.2016 um 12:08
Auch ich bin der Meinung, daß der XY-Film sowie Ede's Interpretationen nur so gut sein können wie die Zeugenaussagen der Wahrheit entsprechen.
Daß ein Mann, der von irgendwelchen Assos bedroht wird, seiner Ehefrau nichts Genaues erzählt, ist absolut natürlich. Schließlich hat man doch seinen mänlichen Stolz, sich selbst verteidigen zu können. Andererseits konnte er seine innere Anspannung auch nicht vollständig verbergen. Vielleicht musste G. Stoll zudem damit rechnen, daß sie die Geschichte, was Günter ihr da so Unglaubliches anvertraut hätte, sofort am nächsten Tag im ganzen Dorf herumerzählen würde, naiv und geschwätzig wie Frauen ja oft sind. Möglicherweise kannte sie sogar die Typen fand sie "eigentlich doch ganz nett".
An die Existenz dieses ominösen Zettels glaube ich ebensowenig wie an die Aussage des Wirts der Kneipe in Wilnsdorf: Eine Frau, die erfährt, daß ihr Mann tot aufgefunden wurde, hat andere Gedanken, als irgendwelche Zettel zu entsorgen. Ein Wirt kann es sich nicht leisten, gegen seine Stammgäste auszusagen, schon gar nicht, wenn sie dem kriminellen Milieu nahestehen. Die Behauptung, er sei "vom Stuhl gefallen" klingt genauso plump, wie eine von ihrem Typ geschlagene Frau, die auf ihre Verletzungen angesprochen sagt, sie sei die Treppe runtergefallen.
Ich gehe davon aus, daß G. Stoll in der Kneipe bereits tätlich angegriffen wurde. Hinterher hat ihn noch irgendjemand mit dem Pflaster am Kopf gesehen, weshalb es überhaupt zur Nachfrage durch die Polizei kam. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß der Schlüssel zur Tat in dieser Kneipe liegt und daß Stolls Peiniger hier ein- und ausgingen. Neben purem Übermut und Langerweile kommt auch illegales Glücksspiel als Motiv in Frage.
Die Zeitspanne zwischen dem Auftauchen bei der alten Frau und dem Auffinden passt ganz gut, um Fahrzeit und Tatausführung unterzubringen. Wir müssen bedenken, wie problematisch dieser Autobahnabschnitt ist, mit allen möglichen Behinderungen, wobei noch mindestens ein Stau einzukalkulieren ist.
Dabei muß man sich fragen, warum Täter und/oder Opfer den Weg Richtung Norden wählten, anstatt Richtung Wetzlar/Gambacher Kreuz zu fahren, wo die Strecke überschaubarer ist. Wollte man mit dem Tatort evtl. von Hessen nach NRW ausweichen, um das bekannte Kompetenzgerangel der zuständigen Polizeibehörden zum Vorteil zu nutzen?
Ich stelle mir vor, daß Stoll kurz nach dem Wegfahren bei der alten Frau gekidnappt wurde. Z.B. an einer Tankstelle oder an einer roten Ampel. Da eine unsichere Fahrweise des Golf mit Sicherheit mehreren Zeugen aufgefallen wäre, gehe ich davon aus, daß er nicht selbst unter Bedrohung gefahren ist, sondern einer der Täter am Steuer saß. Eine Gruppe von vier Mann halte ich für plausibel. Zwei in seinem Auto, die anderen zwei im späteren Tatfahrzeug hinterher oder vorweg.
Doch warum fuhren sie so weit?
Wahrscheinlich liefen sie mehrere Parkplätze an, fühlten sich dort aber nicht sicher und fuhren weiter, bis sie sich schließlich auf dem letzten Parkplatz vor Hagen-Süd zur Tatausführung entschlossen.
Warum das Auto als Mordwaffe?
Ganz klar, die Typen hatten keine Erfahrung im Umbringen von Menschen. Das Fahrzeug schaffte die notwendige Distanz zum Opfer. Es ist auch völlig unerheblich, ob er liegend überrollt oder vor das mit hoher Geschwindigkeit heranbrausende Fahrzeug geworfen wurde. Tatsache ist, daß er durch ein Fahrzeug gewaltsam zu Tode kam.
Über die Bauart des Tatfahrzeugs ist zwar nichts überliefert, doch es könnte statt einem normalen PKW auch ein Vorläufer der heutigen "SUVs" gewesen sein, wie ein Range Rover oder Chevrolet Blazer.
Warum das Ausziehen?
Es ist in zweifacher Hinsicht plausibel, das Opfer vor dem Überfahren zu entkleiden: Die Kleidung hinterläßt in jedem Fall nachweisbare Spuren am Tatfahrzeug. Es entstehen winzige Faserspuren im Autolack, die durch Laboranalysen nachgewiesen und zugeordnet werden können. Das war bereits Mitte der 1960er Jahre möglich und könnte den Tätern bekannt gewesen sein. Die ADAC-Motorwelt Ausgabe 12/1971 berichtete anhand eines konreten Falles, der zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre zurücklag, darüber, wie ein unfallflüchtiger Fahrer, der einen jungen Mann totgefahren hatte und auf diese Weise überführt wurde.
Zum anderen war wohl geplant, hinterher mit Stolls Golf einen Unfall zu simulieren und ihn mit unversehrter Kleidung wieder angezogen hinter dem Steuer seines demolierten Autos zu plazieren, wie ich hier schon mehrfach geschrieben habe.
Denn ich glaube nicht an einen Unfall. Die Auffindestelle liegt in einer langgezogenen Rechtskurve der Autobahn. Hier, in einer Rechtskurve nach rechts von der Fahrbahn abzukommen, ist wenig logisch. Den Gesetzen der Physik gehorchend hätte das außer Kontrolle geratene Auto stattdessen in die Mittelleitplanke rauschen müssen. Es kann dabei zwar abgeprallt und nach rechts geschleudert sein, doch es ist nichts über eine festgestellte Anprallstelle an der Mittelleitplanke bekannt und der Golf hätte vorne links stärker beschädigt sein müssen.
Daß an dieser Stelle seinerzeit keine rechte Leitplanke vorhanden und kein Hindernis wie Autobahnwegweiser oder Brückenpfeiler im Wege standen, sind neben der geringen Fahrzeugbeschädigung weitere Gründe, von einem fingierten Unfall auszugehen.
Es ist jedoch wenig logisch, jemanden erst mit einem Auto brutal töten zu wollen, um ihn dann doch lebendig ein paar Kilometer weiter am Straßenrand liegenzulassen. Ein überlebendes Opfer, das seine Peiniger identifizieren kann, hätte die ganze Aktion ja vollständig ad absurdum geführt. Das ist der einzige Punkt, für den ich auch keine allzunaheliegende Erklärung habe.
Aber es wäre ja gut möglich, daß Stoll bis zum Ansprechen durch den LKW-Fahrer bewußtlos blieb und die Typen ihn für tot hielten. Andernfalls hätten sie ja noch Zeit gehabt, ihn mit den bloßen Händen zu töten. Ihm die Klamotten wieder anzuziehen, hatten sie schließlich keine Zeit mehr, weil unerwartet ein fremdes Fahrzeug auftauchte und sie schnell verschwinden mussten.
Wer war der ominöse Tramper, der kurz nach dem Auffinden auf der gegenüberliegenden Autobahnseite gesichtet wurde? Wer stellt sich nachts um drei an die Autobahnauffahrt, in der Hoffnung mitgenommen zu werden? Könnte es der "Stuntman" gewesen sein, der das Auto crashen sollte und nun von seinen Komplizen wieder Richtung Heimat abgeholt werden wollte?
Passt doch alles zusammen!
h.