InMemoriam schrieb:Mir reicht deshalb „es hat eine Vertuschung gegeben“ als Erklärung für die vorliegenden Hinweise nicht aus. Was wurde vertuscht, für wen und warum, und vor allem: wie genau lief das ab?
Ich vermute nicht, dass irgendwelche Handlungen an dem Kind selbst Teil einer Vertuschung darstellen. Meines Erachtens diente nur die Ransom Note einem Cover up der vorangegangenen Tat und der Täterschaft. Ich bin daher auch fast sicher, dass nicht beabsichtigt war, dass JonBenét im Haus der Ramseys gefunden wurde. Das Schreiben sollte ursprünglich Zeit dafür verschaffen, die Leiche aus dem Haus zu transportieren. Demnach würde es sich bei der Auffindung um eine spontane, ereignisgetriebene Handlung gehandelt haben. Als Auslöser kann meines Erachtens die Dynamik betrachtet werden, die durch den 911-Call in Gang kam, nicht vorhergesehen war und zur Improvisation zwang.
Da hier nochmals darüber diskutiert wurde, habe ich hier versucht, alle Punkte, die gegen ein Eindringlings-Szenario sprechen, strukturiert zusammenzufassen (Vielleicht ist das ja vor allem auch für zukünftige Neuankömmlinge hier im Thread interessant). Im ersten Teil (1-5) finden sich alle Punkte, die die Ramseys belasten, im zweiten Teil (5-10) solche, die gegen einen Eindringlich sprechen:
Was gegen die Eindringlings-Theorie spricht: 01.
Umstände der Ransom Note: d.h. Auffindeort (Orts- und Verhaltenskenntnisse), Schriftart und –weise (Ähnlichkeiten zu Patsy),
Schreibutensilien (Notizblock und Stift gehörten in den Haushalt bzw. zu Patsy) bzw. Ort an dem die Note verfasst wurde,
Fingerabdruckspuren (keine bzw. von Patsy (am Block)), Auffindesituation (Patsy liest, ohne die Note in die Hand zu nehmen),
persönliche Kenntnisse (Höhe der Forderung), Länge der Note bzw. notwendiger Zeitraum der Erstellung, Patsys genaue Kenntnisse des
Inhalts ("Name" der Entführer), obwohl sie aussagte, sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig gelesen zu haben (nur bis zum
ersten Absatz: „we have you daughter“), sinnvolle Funktion der Note (Cover up).
02.
Tatwerkzeuge: Der Pinsel aus Patsys Malutensilien als Penetrationswerkzeug und Bestandteil der „Garrotte“; Kaufbelege (Kolar
2003) sollen außerdem dafür sprechen, dass Patsy auch die Kordel bzw. das Klebeband gekauft hatte.
03.
Zwei mögliche Tatwerkzeuge: Eine Taschenlampe sowie ein Baseballschläger, die von den Ermittler als mögliche Tatwaffen für
die Kopfverletzung betrachtet wurden, konnten im Haus bzw. auf dem Grundstück sichergestellt werden (in beiden Fällen
äußerte wenigstens John (vgl. Verhörprotokolle) Zweifel daran, ob a) die Taschenlampe tatsächlich die eigene sei und b) ob der
Baseballschläger im Garten tatsächlich Burke gehöre).
04.
Tatgeschehen/Cover up: Fesselung und Knebelung dienten während der Tat keinem Zweck, da das Kind zum entsprechenden
Zeitpunkt schon bewusstlos war (dafür sprechen die Art der Kopfverletzung, die Art der Fesselung und die Abwesenheit typischer
Abwehrverletzungen)
05.
Faser- und DNA-Spuren: Die Ermittler waren überzeugt, dass das Fasergutachten Patsy schwer belastet (vgl. Verhörprotokolle);
es wurden keine DNA-Spuren gefunden, die einem Täter bzw. Tatverdächtigen außerhalb der Familie zugeordnet werden konnten. Die
gefundenen unidentifizierten DNA-Spuren basierten auf sehr geringen Mengen Fundmaterials, die vermutlich vollständig oder
wenigstens in Teilen durch Kontamination erklärbar sind. Dafür spricht, dass diese genetischen Spuren von min. 6 verschiedenen
Individuen stammen, darunter wenigstens eine Frau (Kolar 2003).
06. Notwendige
Verweildauer des Eindringlings im Haus
07. Notwendige
Kenntnisse des Eindringlings über das Haus (wo ist was?, wo schläft wer?)
08.
Fehlende Einbruchsspuren: John Ramsey brachte als möglichen Eintritts- und Austrittpunkt, gelegentlich/nicht kontinuierlich und
zum ersten Mal überhaupt 4 Monate nach dem Verbrechen, das zerbrochene Kellerfenster ins Gespräch. Dabei verwickelte er sich in
den Vernehmungen in Widersprüche (hat es selbst zerbrochen/weiß nicht, ob es repariert wurde/erinnert sich, dass die Tür dieses
vermeintlichen Fluchtraums von außen (sic!) durch einen Stuhl blockiert gewesen sei); sowohl John als auch ein Polizist, der als erster
am Tatort waren, gaben zu Protokoll (später durch John teilweise widersprochen), alle Türen seien verschlossen vorgefunden worden.
09.
Logik des Tatgeschehens: vermeintlicher Einbruch, vermeintliche Entführungsabsicht, Schlag auf den Kopf, Penetration mit dem
Pinsel, Fesselung, Strangulation, Zurücklassen der Leiche UND des Erpresserschreibens
10.
Logik des Verbrechers: Die zurückgelassene Note hatte keine Funktion mehr für ihn, nachdem er – offensichtlich – den Plan,
JonBenét zu entführen bzw. Lösegeld zu verlangen, fallen gelassen hatte. Nach dieser Entscheidung hatte es für den Täter nur noch
Nachteile, das handschriftlich verfasste Schriftstück im Haus zu belassen.