InMemoriam schrieb: Nach meinem „gefühlten“ Eindruck trägt die RN ziemlich eindeutig Patsys Handschrift, und zwar in jeder Hinsicht, also auch Wortwahl, Inhalt, Länge...
Da gebe ich Dir recht! Oben hatte ich ja auch geschrieben, dass sehr vieles dafür spricht, Patsy für die Autorin der Note zu halten. Das stimmt vermutlich, die vielen
guten Gründe dafür wurden hier schon oft aufgezählt (Pad, Stift, Schrift, Formulierungen, Fundort der Note, uvm.). Dem ist zunächst nicht zu widersprechen. Der eigentliche Grund dafür, mir die Note noch einmal gründlicher anzuschauen, war daher weniger, dass ich Patsy nicht für die Autorin hielt, sondern dass ich mit den sog. „Statement-Analysen“, die an dem Schreiben vorgenommen wurden, recht unzufrieden bin.
Da ich die Note bislang immer auf Englisch gelesen hatte, habe ich damit begonnen, sie so wörtlich wie möglich ins Deutsche zu übersetzen. (Als einzige Vokabel, die dabei etwas Schwierigkeiten machte, stellte sich der Begriff „stray dogs“ heraus, der wörtlich übersetzt einfach „streunende Hunde“ bedeutet, was aber natürlich nicht den Kern trifft, der
gemeint ist, wenn ein Amerikaner diesen Begriff idiomatisch gebraucht. Sinngemäß bedeutet der Ausdruck vielmehr so viel wie ‚parasitäre Freunde‘ (eigene Übersetzung in Ermangelung eines besseren Worts), Leute also, die sich bei einem zu Hause einnisten und den Kühlschrank leer machen oder Gäste, die man nicht mehr los wird und die sich ungeniert an den Ressourcen der Gastgeber laben.* - Ich möchte an dieser Stelle noch nicht inhaltlich interpretieren, aber es ist schon interessant, dass man 'solche Freunde' im Umfeld der Ramseys sicher finden konnte. Wer wusste davon und konnte daher in der Note so pointiert formulieren!?)
Nach der Übersetzung habe ich dann begonnen, das Schreiben formal zu 'analysieren': Zunächst ist mir aufgefallen, dass der Autor für den Beginn des Schreibens eine ungewöhnlich sorgfältige Formatierung gewählt hat, nämlich die
Einrückung der ersten beiden Absatzanfänge (derartige Erkenntnisse fehlen den veröffentlichen Statement-Analysen meines Erachtens deshalb, weil die Analyse dort sogleich auf Satz- bzw. Wortebene beginnt, ohne das Schreiben zunächst als Ganzes zu betrachten). Einerseits machen diese Einrückungen auf mich den Eindruck, dass der Autor der Note ein ebenso erfahrener wie stilbewusster Briefeschreiber ist (das spräche ja durchaus nicht gegen Patsy!). Andererseits ließ mich diese (nicht durchgehend vollzogene) Formatierung des Layouts aber auch fragen, welche Gliederung der Autor seinem Text, der auf mich ursprünglich einen recht erratischen Eindruck gemacht hatte, eigentlich inhaltlich zugrunde gelegt hatte.
Daher habe ich den Brief schließlich inhaltlich gegliedert, wobei ich, zu meiner Überraschung, schnell feststellte, dass die Note einer
absolut logischen und kohärenten Struktur entspricht, die einer (geradezu klassischen) inhaltlichen Gliederung in drei Teilabschnitten folgt - das spricht meines Erachtens nicht unbedingt für Patsy!
Der ‚Analyse‘ der Gliederung der Note zufolge kann diese, weitgehend ohne Überhänge oder fragliche Passagen übrigzulassen, klar in die folgenden drei inhaltlichen Gliederungspunkte unterteilt werden (wichtig: diese Aufteilung entspricht der tatsächlichen Note und nicht einem übergestülpten Analyseraster!):
1. Einleitung: - Direkte Ansprache an John als Herr Ramsey („Mr. Ramsey“)
- Markierung als ernsthaft, wichtig, alarmierend!
- Verschleierung
-
Sachverhalt- Belehrung
2. Hauptteil: -
Genaue Instruktionen (Summe, Stückelung, Vorgehen)
-
Ankündigung der Kontaktaufnahme- Motivation, das Geld bald zu besorgen
3. Schluss: -
Bedrohung bei Zuwiderhandlung
-
Sanktionen: Exekution, Verschwindenlassen der Leiche, persönliche Abneigung
- Verbotene Handlungen: Über die Entführung sprechen (generell aber auch ausdrücklich: Polizei, FBI, parasitäre Freunde, Banken), Geld
markieren, Sender etc. verwenden, Taktiken der Polizei anwenden, eigene Taktiken anzuwenden
- Motivation, den Instruktionen zu folgen
- Informelle, persönliche Bedrohung: You, John, großer Fisch, Südstaaten-Verstand
- Persönliche Verantwortungszusprechung
- Schlussformel
Vorläufig würde ich deshalb zusammenfassen, dass die Ransom Note meines Erachtens inhaltlich und in Bezug auf die Reihung der inhaltlichen Gliederungspunkte (Einleitung – Sachverhalt, Hauptteil – Geldforderung und -übergabe, Schluss – Drohungen und Belehrungen) ganz und gar einer klassischen Ransom Note entspricht. Die Annahme, dass sie erratisch sei und von einem verwirrten Geist verfasst wurde und eben diesem Umstand ihre Gestaltung verdanke, lässt sich damit nicht mehr unbedingt aufrechterhalten. Als einziges deutliches Merkmal dafür, dass es sich nicht um eine typische Ransom Note handelt, bleibt damit vorläufig, d.h. vor einer genaueren inhaltlichen Untersuchung, die Länge des Schreibens.
Inhaltlich finde ich bislang den Turn zum Ende des 3. Abschnitts besonders interessant. Hier wird die von Beginn an auffällige persönliche Adressierung an John noch einmal deutlich verstärkt, in dem er nun persönlich als "John" angesprochen und bedroht wird.
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*Quelle:
https://www.urbandictionary.com/define.php?term=stray%20dogPS:
InMemoriam schrieb:S.B.T.C
Ich denke diese Abkürzung wird man im Kontext der Eingangs des Schreibens erwähnten "foreign faction" interpretieren müssen: Der Autor wollte wohl den Eindruck einer politisch motivierten Tat einer terroristisch motivierten Gruppe vorspiegeln (so sinnwidrig dies im Zusammenhang mit allen anderen Eigenschaften des Verbrechens auch erscheinen mag), für die die Unterzeichnung (im Sinne eines Bekenntnisses/Bekennerschreibens) typisch wäre. Eine entsprechende Gruppierung mit der Bezeichnung S.B.T.C ist aber natürlich weder vorher noch nachher jemals in Erscheinung getreten und darf damit in das Reich der Märchen und Legenden verschoben werden. Daher bin ich der Auffassung, dass diese Abkürzung zufällig gewählt wurde und entweder auch für den Autoren keinerlei Bedeutung hatte oder ihm aus einem völlig anderen Kontext ins Bewusstsein kam. Die religiöse Bedeutung, die die Abkürzung haben kann, ist dabei nur eine Möglichkeit. Es gibt in den USA auch einen Motorradclub mit der Bezeichnung - und - wenn ich mich nicht täusche auch einen Basketball- oder Football-Club!?