@zilch 1. Der Aufsatz ist als Einstieg in die Problematik gedacht, ersetzt aber nicht das Studium weiterführender Literatur, nicht nur zur Aussagepsychologie, sondern auch zur historischen Quellenkritik.
2. Bitte lies den Aufsatz bis zum Schluss.
3. Zu den einzelnen Punkten nur ein paar kurze Anmerkungen:
zilch schrieb:Also: Nicht jede Zeugenaussage ist falsch. Zur Wahrscheinlichkeit liefert der Autor folgende Zahlen:
Konservative Schätzungen vermuten eine Falschidentifikationsrate von 0,6 Prozent, realistischere Schätzungen gehen von
bis zu fünf Prozent aus.
Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass die Aussage eines Zeugen fehlerhaft aufgrund verzerrter Wahrnehmung ist, liegt bei höchstens 5 %.
Da ging es um Falschidentifikation von Tätern, nicht generell um die Frage, wie hoch die Quote von Falschaussagen ist. Bei der Suggestion von Scheinerinnerungen konnten sich 25 % der Probanden an das fiktive Ereignis erinnern.
zilch schrieb:Das geschilderte Beispiel zum Fall der Studentin im Fall Ponto ist übrigens sehr schwach. Ein Alibi wird als Beleg angeführt. Wieviele scheinbar sichere Alibis haben sich schon als unwahr erwiesen?
Ja, das würde mich auch mal interessieren. Wenn Du wissenschaftlich fundierte Quellen zu der Thematik hättest, bitte hier einstellen. Mir genügt der Verweis auf die Quelle.
zilch schrieb:Postschaffner Mayer
1. Wahrnehmungstäuschung: Da es weitere Zeugen für das Ereignis gibt, kann sie praktisch ausgeschlossen werden.
Zutreffend.
zilch schrieb:3. Lüge: Es besteht kein Anlass zu Annahme, dass es sich um eine Lüge handelt.
Zutreffend.
zilch schrieb:2. Gedächtnistäuschung: Da es sich nicht um eine Nebensächlichkeit handelte, sondern aktiv handelnde Personen klar identifizierte, kann sie praktisch ausgeschlossen werden.
Falsch. Die Aussage wurde 30 Jahre nach dem konkreten Ereignis getätigt. Ein Ereignis, das innerhalb dieser 30 Jahre intensiven Besprechungen ausgesetzt gewesen ist, angefangen mit den auf der Aussage von LS fußenden Zeitungsberichten über LS selber bis hin zu etwaigen direkten suggestiven Nachfragen seitens der Ermittler. Die Kontamination des Gedächtnisses bezüglich dieses Ereignisses liegt damit absolut im Bereich des möglichen.
Generell ist dieser Sachverhalt erst dann als vollkommen gesichert anzunehmen, wenn es eine weitere zeitnahe Aussage gibt, die diesen bestätigt. Leider ist da keine überliefert. Die von Stegmeier käme in Betracht, wenn man wenigstens das genaue Datum wüsste, wann sie aufgenommen wurde. Aber nichtmal das ist gegeben.
Auf der anderen Seite hat Sigl dieses angeblich ihm von Stegmeier selbst überlieferte Ereignis am 5.4. selber trotz der enormen Wichtigkeit im Tatkontext nicht erwähnt. Und Mayer wird (ebensowenig wie Ritzl oder Schwaiger, dessen Aussage auch nur aus zweiter Hand kommt) von Pielmayer als Zeuge genannt, obwohl zumindest Mayer laut eigener Aussage von Goldhofer bereits zeitnah vernommen wurde und damit dem leitenden Ermittler Pielmayer auch vorliegen musste. Im Gegenteil, Pielmayer bezieht sich ausschließlich und explizit nur auf zwei Zeugen, LS und Stegmeier. Auch bei Riedmayer gibt es noch keine Hinweise auf weitere Zeugen.
Das alles schließt natürlich nicht aus, dass diese Aussagen der Wahrheit entsprechen. Aber die Möglichkeit, dass dem eben nicht so ist, muss hier in Betracht gezogen werden. Daher kann man die Aussage des Mayer eben nicht uneingeschränkt stehen lassen.
Sobald eine weitere zeitnahe Aussage auftaucht, die die Geschichte unabhängig stützt, bspw. die von Stegmeier so sie denn tatsächlich zeitnah erfolgte, werden die späten Aussagen auch glaubhaft. Bis dahin bleiben sie mit Zweifeln behaftet.
@Dew Dew schrieb:Du scheinst das mit den Dachziegeln von der praktischen Seite aus nicht ganz verstanden zu haben. Es handelte sich bei den verschobenen Ziegeln nicht um neue Ziegel. Bei denen darunter auch nicht.
Eine Ziegeldeckung lebt davon, dass sich die Ziegel überlappen. Wiessner beschreibt, wie die unterhalb der verschobenen Ziegel gelegenen da aussehen, wo die verschobenen Ziegel sie bislang vor Wetter und Rauch schützten.
Ich gebe ja gerne zu, dass ich handwerklich nicht der begabteste bin, aber wie das mit den Ziegeln funktioniert, weiß ich schon. Ich habe selber auch mal eine alte Scheune mitgeholfen abzudecken.
Dew schrieb:Wie dem auch sei, wenn die Täter im Rahmen der Tat ( -nachbereitung? ) die Ziegel verschoben, bestand diese Veränderung maximal erst die paar Tage.
Ja, davon ist auszugehen. Aber das ergibt sich aus anderen Umständen, nicht aus der Färbung, es sei denn, Du glaubst, so ein Teilstück des Ziegels verfärbt sich innerhalb von ein paar Tagen genauso wie der Rest vom Ziegel. Aber ich glaub, wir schreiben hier schon seit zwei, drei Beiträgen aneinander vorbei, und der Sinn Deiner Fragen erschließt sich mir hier auch nicht weiter.
Fakt ist:
Die Ziegel auf dem Dach sind verschoben worden. Dass das geschehen ist, lässt sich aus der Verfärbung bzw. teilweise fehlenden Verfärbung dieser Ziegel erkennen. Das muss sich auch in einem bestimmten zeitlichen Rahmen ereignet haben, denn würden diese Löcher im Dach schon lange bestehen, wären die Ziegel ja überall so verwittert oder der Unterschied zumindest nicht mehr so deutlich. Da ich nicht weiß, wie schnell sich Ziegel verfärben, kann ich auch nicht genau sagen, wann die Ziegel
frühestens verschoben worden sein können.
Allein von der Verfärbung her würde ich aber vermuten, dass ein Ziegel innerhalb von ein paar Wochen noch nicht so stark verwittert, dass man den Unterschied nicht mehr deutlich erkennen würde, lasse mich hier aber gern eines besseren belehren. Jedenfalls aber ist es äußerst unwahrscheinlich dass die HKler aus den offensichtlichen von Dir benannten Gründen diese Ziegel verschoben haben. Daher ist diese Verschiebung der Ziegel höchst wahrscheinlich von dem oder den Tätern vorgenommen worden. Ob das schon vor der Tat (aber sicherlich nicht Wochen vorher) zur Tatvorbereitung geschah oder erst der Tatnachbereitung diente, ist so ohne weiteres nicht feststellbar. Ich persönlich tendiere mittlerweile dazu, hierin lediglich die Vorbereitung der Flucht vom Anwesen zu sehen, mithin also die Verschiebung der Ziegel erst nach der Tat stattfand. Aber natürlich ist weiterhin beides möglich.
@Kurt_Eisner Kurt_Eisner schrieb:Deutlicher formulliert, wenn man sieht wie organisiert der Tatort war, d.h. das aufwändige abdecken der Leichen, die Verbringung der Tatwaffe im Fehlboden und mögliche andere Aufräumarbeiten, kann man auch in Betracht ziehen, dass sich der Täter ähnlich viel Gedanken an eine manipulation des Tatorts gemacht haben dürfte.
Erstens sehe ich da nicht so viel Aufwand, zweitens ließe sich daraus auch nicht schließen, dass der oder die Täter den Tatort noch "manipuliert" hätten.