Guten Morgen
@jaska jaska schrieb:Der Negativbeweis pfuscht hier wieder rein. Während Du fehlende zeitnahe Aktenbezüge auf weitere Zeugen als dem Schlittenbauer so auslegst, dass es diese weiteren Zeugen nicht gab, besteht für mich die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sie gab aber die Akten dazu uns heute nicht bekannt sind.
Da verstehst Du mich falsch. Für mich bedeuten die fehlenden Aktenbezüge auf weitere Zeugen nicht zwangsläufig, dass es diese nicht gab. Aber mir fehlt damit halt auch ein klarer Beweis, dass es sie gab. Daher hatte ich auch meine Frage an Dich gerichtet, ob Du in den letzten 15 Monaten, die ich komplett draussen war, eventuell noch etwas Neues in dieser Richtung in Erfahrung bringen konntest. Dann hätte ich die "Spuren im Schnee" für mich mal als eindeutigen Fakt klassifizieren können.
jaska schrieb:der Zufall, dass zeitnahe Zeitungsartikel quasi versehentlich schon von mehreren Zeugen berichten, die es gar nicht gab, die später aber mittels identischer Erinnerungs-Projektion zu genau diesem Sachverhalt aussagen ist für mich zu groß ist.
jaska schrieb:als dass dieser ganze Sachverhalt von den Reportern
Meines Erachtens kann man hier nicht von "den Reportern" sprechen. Von den fünf Zeitungen, die von den Spuren im Schnee überhaupt berichten, erwähnen drei explizit nur einen Zeugen (darunter ist auch der ausführliche Artikel von Lautenbacher). Eine dieser Zeitungen, die Münchner Zeitung, bleibt auch in ihrem nachfolgenden Bericht am 10.04. dabei. Von den beiden anderen Zeitungsberichten wurde einer von einem nicht weiter identifizierten Leser dieser Zeitung (Bayerischer Kurier) geschrieben (also kein Reporter), der angeblich selbst vor Ort war. Dieser Brief könnte zB auch ohne weiteres von LS selbst stammen. Damit bleibt nur eine Zeitung übrig, die das unabhängig berichtet. Und die scheint das mE nicht besonders genau zu nehmen mit der Zeugenanzahl. ZB behauptet diese Zeitung auch, dass "[n]ach Aussage von Leuten [...] ca. 100.000 Mark an Papiergeld vorhanden gewesen sein [müssen]". Tatsächlich hat aber (auch hier) nur LS solch konkrete Angaben gemacht. Da wurde also auch grundlos aus dem Singular ein unbestimmter Plural.
Und was die anderen Zeugen angeht:
* Die Schwaiger-Aussage kommt aus zweiter Hand, wird auch von Pielmayer nicht erwähnt.
* Mayer wird laut dessen Aussage von Goldhofer zeitnah vernommen, Pielmayer erwähnt ihn aber nicht als Zeugen für die Spuren. Grundsätzlich möglich, dass diese Aussage nicht bei der StA landete, aber für mich eher unwahrscheinlich, denn der Postbote war dann doch ein zu wichtiger Zeuge, als dass dann nicht zumindest Pielmayer das Fehlen von dessen Aussage aufgefallen wäre und man eine solche Aussage in irgendeiner Form beigebracht hätte. Hinzu kommt, dass Mayers späte Aussage sehr vage ist. Er erinnert sich weder an das konkrete Datum des Ereignisses noch an die fehlende Spur zurück.
* Bei Stegmeier habe ich nach wie vor das Problem, dass laut Sigls Aussage von 1952 Stegmeier ihm noch am nämlichen Tag von den Spuren berichtet und ihn gewarnt haben soll. Sigl erwähnt diesen Sachverhakt in seiner Aussage vom 5.4.1922 aber nicht, obwohl er explizit nach Verdachtsmomenten befragt wird. Schrätzenstallers Geschichte ist ihm eine Erwähnung wert, der Einbruch oder Einbruchsversuch am Tag vor dem Mord aber nicht? Das irritiert mich sehr.
* Hueber steht schon im Wiki. Seine Aussage bezog sich auf Spuren im Schnee, die er angeblich
nach dem Mord am Samstag dort gesehen haben will. Auch wenn diese Aussage sehr von der "Spuren im Schnee"-Geschichte inspiriert zu sein scheint, würde ich das so belassen, wie es zur Zeit im Wiki dargestellt ist.
Auch mit der Geschichte selbst habe ich so meine Probleme.
1. Wenn diese Leute alle den HKlern begegnen konnten, wann sind dann die HKler nach Schrobenhausen zum Markt? Zumindest VGa war am nämlichen Tag in Mühlried gewesen, um Maria Baumgartner abzuholen (die dann aber nicht anwesend war).
2. Wenn tatsächlich so viele Leute von den Spuren wussten, warum hat dann nicht schon jemand früher nachgesehen? Ich kann grundsätzlich nachvollziehen, dass man sich da nicht einmischen wollte, weil die HKler zurückgezogen lebten. Aber bei dieser Vorgeschichte, die so vielen Nachbarn bekannt gewesen sein soll? Das fällt mir dann schon wieder schwer zu glauben.
jaska schrieb:Pielmayer, der erst 1924 in den Akten in Erscheinung tritt hat einen eher passiven Part, er berichtet. Aus welchen Quellen er seine Informationen bezieht wissen wir nicht. Aber dass ihn nicht alle Informationen erreicht haben ist meiner Einschätzung nach wahrscheinlicher als dass dieser ganze Sachverhalt von den Reportern, von Schlittenbauer, von Mayer und von Stegmeier als "zeitnahen" Zeugen sämtlich falsch sind. Dass sich dann nochmal zu unterschiedlichen Zeiten mehrere völlig unabhängige Augenzeugen mit derselben Geschichte auftun, deren Erinnerungen in diesem Punkt sämtlich übereinstimmen und sich als psychologische Fatamorgana ergeben sollen ist für mich nicht glaubhaft.
Ich glaube, hier unterschätzt Du einerseits die Macht der Auto-Suggestion und der Gerüchteküche etwas. Auf der anderen Seite ist es für mich nicht glaubhaft, dass Pielmayer bei der Vielzahl dieser Aussagen nur zwei in seinen Akten hatte. Er war immerhin - laut Wiki - seit 1925 der leitende Ermittler in diesem Verfahren und zitiert in seinem Bericht von 1926 mehrfach explizit aus den Hauptakten.
Aber wie gesagt: Mir ging es hier auch gar nicht darum, Dich von meiner Ansicht zu überzeugen, dass die Spuren im Schnee mglw. doch kein gesicherter Fakt sind.
Mich würde mal interessieren, was Du glaubst, hat sich da ereignet, unterstellt die Erzählungen der Zeugen sind wahr gewesen:
Also zwei Spuren führen zur Motorenhütte. Der Verschluss der Motorenhütten wird aufgerissen (wie auch immer dieser Verschluss konkret aussah). Die betreffenden Personen waren auch in der Hütte. Sie nahmen nichts mit. Danach (?) geht man ein paar Schritt weiter zur Futterkammertüre. Da waren Eindrücke von Brechwerkzeugen ersichtlich. Und dann? Es sollen ja keine Spuren weggeführt haben. Was haben dann die zwei Einbrecher da gemacht? Die Erzählung von LS legt nahe, dass es bei der Futterkammertüre beim Einbruchsversuch blieb. Einen erfolgreichen Einbruch hätte der AGr ja wohl auch bemerkt und anders beschrieben. Aber was haben die zwei dann gemacht, wenn es da keine weiteren Spuren mehr vom Haus weg gab, sie aber auch nicht weiter eindringen konnten? Levitiert werden sie nicht sein. Gab es dann doch einen - von der Gerichtskommission verneinten - Durchgang irgendwelcher Art zwischen Motorenhütte und Futterkammer/Stadl? Oder ist doch die andere LS zugeschriebene Geschichte richtig, dass es nur eine Person gewesen ist, die dort die Spuren legte, und dann rückwärts gehend die zweite Spur? Oder war die Spur noch nichtmal rückwärtsgehend gelegt worden und hatte AGr die Spuren von vornherein fälschlicherweise als von zwei verschiedenen Personen stammend interpretiert, in Wirklichkeit waren das aber die Spuren einer Person, die hin und nach erfolglosem Einbruch wieder wegging?
Also hier würde mich Deine Meinung interessieren: Wie kamen diese ganzen Spuren zustande? Was ist da passiert?
Liebe Grüße,
G.