@DerGreif Hallo!
Ich weiß, dass Du diesen Sachverhalt schon früher angezweifelt hast.
Für mich ist das alles stimmig, auch wenn Du natürlich den Finger in die Wunde legst und zu recht die vielen späten Zeugenaussagen erwähnst.
Ich erklär Dir mal, wie ich das sehe und warum das für mich passt:
Lass uns das mal in der zeitlichen Entstehung und in der inhaltlichen Übereinstimmung anschauen. Beides ist meines Erachtens wichtig, um die Kongruenz und damit die Glaubwürdigkeit einer Aussage einzuschätzen.
Auch wenn ich tatsächlich immer skeptisch bei späten Zeugenaussagen bin, so kommt es dennoch darauf an, ob der Zeuge a) zuvor schon ausgesagt hat und nun erhebliche Abweichungen/Auslassungen auftreten oder b) ob ein neuer Zeuge überprüfbare oder schon bekannte Eckpunkte benennt, anhand derer man erkennen kann, ob die Erinnerung des Zeugen nahe an der Realität bleibt oder nicht (das wirkt sich dann auf die Glaubwürdigkeit von neuen Informationen aus). Schließlich ist es auch noch wichtig, ob der Zeuge über eigene Erlebnisse berichtet oder Hörensagen.
Also, was wissen wir und wie bewerte ich das?
Alle (mir) bislang bekannten Aktenauszüge zu diesem Komplex sind im
Wiki aufgelistet.
Am 5. April 1922, einen Tag nach der Auffindung berichtet Schlittenbauer von Spuren (Plural) zum Haus aber von keiner Spur (Singular), die vom Hof wieder weggehe. Außerdem erwähnt er ein abgerissenes Schloss an der Motorenhütte, dass die Einbrecher in der Motorenhütte waren und dass Gruber zudem noch Spuren von Brechwerkzeug an der (benachbarten) Tür zur Futterkammer fand, dort wo später die Leichen gefunden wurden.
Am 8. April erwähnen gleich 2 Zeitungen diese Spuren im Schnee, wobei sich das
Ingolstädter Tagblatt nur auf 1 Zeugen (wahrscheinlich wieder Schlittenbauer) beruft, während der
Bayerische Kurier von "Leuten" redet, denen Gruber von den Spuren erzählt habe. In ähnlicher Weise berichtet
Schrobenhausener Wochenblatt.
Danach haben wir erst 1926 den
zusammenfassenden Bericht von Staatsanwalt Pielmayer. Dieser erwähnt Schlittenbauer als den einen Zeugen für diesen Sachverhalt und als zweiten den Kaspar Stegmeier.
1930 dann kommen die privaten Ermittler, von denen Wenzeslaus Bley ebenfalls hierzu etwas sagt. Seine Aussage füge ich der Vollständigkeit halber auch mit an und ich sehe diese Spur(en) im Schnee als konsistente Information, um diesen Teil seiner Aussage neutral zu sehen (also die Existenz von Spuren im Schnee, andere belastungseifrige Gerüchte lassen das nicht für sein Gesamtwerk zu). Bley ergänzt, dass Gruber selbst diesen Sachverhalt in einer Eisenhandlung erzählt haben soll. Interessant hierbei ist eventuell noch, dass Bley jeweils von 1 Spur spricht, die zum Haus und nicht wieder davon weg ging.
1931 wird Schlittenbauer im Verhör nochmal nach diesen Spuren gefragt und die überlieferte Fragestellung impliziert, dass es einen weiteren Zeugen gab, der ergänzende Informationen hatte, wonach Gruber schon zuvor mehrmals fremde Spuren festgestellt hatte. Schlittenbauer wiederholt wie 1922, dass er am Tag vor der Tat Spuren von 2 Personen gesehen hat.
Mit den weiteren Aussagen landen wir dann schon in der Ermittlungswelle Anfang der 50er, wo wegen der Verjährung nochmal viele der Zeitzeugen befragt wurden. Auch wenn man mit diesen zeitfernen Aussagen vorsichtig sein muss, so ist das Interessante hier, dass sich noch zwei weitere vermeintliche Augenzeugen melden, die die Spuren selbst sahen plus einen weiteren, dessen Sohn davon berichtete.
Da wäre zunächst einmal Andreas Schwaiger, der eine Begegnung seines Vater (und seines Bruders?) mit Gruber. Als Referenz für den Zeitpunkt der Begegnung nennt Schwaiger den Schrobenhausener Viehmarkt, der damals tatsächlich donnerstags abgehalten wurde. Thomas Schwaiger konnte die Spuren sehen und Gruber soll auch ihm gegenüber die Verwunderung geäußert haben, dass keine Fußtritte mehr weg vom Haus gingen. Dieser Aussageteil stimmt so weitgehend mit den bislang schon bekannten Informationen überein, dass kein vernünftiger Grund für mich besteht, diese zu bezweifeln. Der Postschaffner Mayer berichtet gleich in zwei getrennten späten Aussagen über die Spuren im Schnee: er berichtet von einer Begegnung an just jenem Vormittag nicht nur mit dem Gruber sondern auch mit Viktoria, die ihm beide von einer Spur ins Stadel erzählten. In seiner 2. Aussage spricht er von Spuren zum Motorenhaus und beschreibt auch, von woher sie kamen. Sigl sagt aus, sein Schwiegervater Kaspar Stegmeier hätte ebenfalls mit Gruber über die Spuren gesprochen und über den Verdacht, dass "Spitzbuben" im Haus seien. Da Sigl hier seinen Schwiegervater einbringt, der schon 1926 der Polizei als Zeuge für ein solches Gespräch bekannt war, gibt es auch hier keinen Grund, diesen Teil nicht zu glauben.
Und schließlich haben wir noch den Pfarrer Ritzl, der ebenfalls an dem Donnerstag vor der Tat an Hinterkaifeck vorbeigekommen war und mit Gruber ein ähnliches Gespräch geführt hatte. Ebenfalls wurde eine Spur zum Haus erwähnt und keine, die zurück ging. Ritzl konnte sich nicht mehr erinnern, ob es eine oder zwei Spuren waren.
Insgesamt sind für mich die übereinstimmenden Elemente dieses Sachverhaltes ausreichend, um ihn als wahr anzunehmen. Die Zeugenaussagen sind zu zahlreich.
- Schlittenbauer
- Stegmeier
- Schwaiger
- Mayer
- Ritzl
(davon oder plus mehrere nicht namentliche Zeugen (1, der im Polizeiverhör erwähnt wurde und mehrere (unspezifisch) in den zeitnahen Zeitungsartikeln)