@margaretha herzlichen Dank für die mühevolle Suche nach Material und die fachgerechte Aufbereitung. Mitsamt Deinen Anmerkungen erleichtert uns das die Arbeit zum Themenkomplex - insbesondere was im und mit dem Mordhof in den Tagen nach der Aufdeckung geschah - doch erheblich.
Von mir zunächst:
Maria M. und die Verhaftung der Gebrüder Ga. aus Laag.Soweit für mich ersichtlich, liegt der Haftbefehl samt Begründung uns (noch) nicht vor - Meiendres dürfte derzeit die einzige direkte Quelle zu den Umständen sein, die zur Verhaftung geführt haben.
vgl. aber auch zutreffend
@jaska heute weiter oben : Brückl von der Landespolizei fasst die Ermittlungen aufgrund der Misselaussage 1953 so zusammen:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Berichte:_1953-03-03_Brückl_an_Dr._MaginotJetzt aber zu Meiendres
....
"Glaublich im Jahre 1934 gab ein Brief von einer gewissen, damals in Augsburg wohnhaften Frau Miesl?, die aus Wangen, Lkr. Schrobenhausen, stammte und sich nach Augsburg verehelichte, Anlaß zur Festnahme der besagten Gebrüder Gabriel. In dem an die Gendarmerie Hohenwart gerichteten Brief wurden die Gebrüder Gabriel des Mordes von Hinterkaifeck bezichtigt. Die Miesl war zur Tatzeit bei den Eltern der Gabriel als Magd bedienstet. Während einer Stockrodung im nahen Wald will Miesl nach ihren brieflichen Angaben mit den Brüdern Gabriel in Streit geraten sein, im Verlaufe dessen sie dem Gabriel den Mord von Hinterkaifeck vorgeworfen haben will. Einer der Gebrüder Gabriel soll daraufhin erwidert haben, wenn sie nicht ihren Mund halte und noch ein Wort verliere, würde er sie auf der Stelle und zwar auf die gleiche Weise wie die Hinterkaifecker erschlagen, in ein Stockloch werfen und verscharren. Soweit zum Inhalt des Briefes.Die umfangreichen Erhebungen in dieser Richtung, welche im Auftrage der Staatsanwaltschaft Augsburg von dem damaligen Kommissär Peter Schuster vom Gend.-Posten Sandizell, Lkr. Schrobenhausen und mir durchgeführt wurden, führten zur Festnahme der drei Brüder Gabriel, von denen einer das elterliche Anwesen in Laag übernommen hatte, der zweite in Rettenbach, Lkr. Wasserburg, ein schönes Anwesen mit Gastwirtschaft besitzt und der dritte in Schlott, Gde. Seibersdorf, Lkr. Schrobenhausen, ein ansehnliches landwirtschaftliches Anwesen käuflich erwarb. Die damaligen Erhebungen gingen dahin, festzustellen, woher die in Rettenbach, bzw. Schlott wohnhaften Gebrüder Gabriel die Mittel zum Erwerb ihrer Anwesen hatten. Allgemein bekannt waren die sehr guten wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern der Gabriel. Es konnte nachgewiesen werden, daß der Kauf der gen. Anwesen fast ausschließlich vom elterlichen Anwesen und aus eigenen Ersparnissen finanziert worden war. Da weitere stichhaltige Verdachtagründe nicht vorhanden waren und auch nicht ermittelt werden konnten, wurden die Gebrüder Gabriel nach etwa 3 Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen."...Soweit Meiendres. Quelle:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Berichte:_1948-08-12_Meiendres( Achtung: In dem Brief von 1953 der Bayerischen Landpolizeiinspektion an Oberstaatsanwalt Dr. Maginot in Augsburg wird abweichend zu Meiendres das Jahr 1937 benannt. (siehe Brückl) Dann ist zeitlich nicht völlig ausgeschlossen, dass auch ihre jetzt vorliegende Zeugenaussage vom 6.5.1937 zumindest mit in dem Haftbehl bewertet worden sein könnte.
Dieser Brief an die Gendarmerie Hohenwart, der nach Meiendres die Verhaftung der Brüder zumindest ausgelöst haben soll, fehlt soweit ersichtlich derzeit noch - ebenso wie der Haftbefehl und der Aufhebungsbeschluß dazu samt Begründung. Es würde mich allerdings auch sehr wundern, wenn lediglich ein solcher Brief zur Verhaftung der Brüder geführt haben sollte und keine eingehende Vernehmung der Maria M. zum Vorgang im Gehölz vorausgegangen wäre.
Reichsstrafprozeßordnung von 1879
§. 112.
"Der Angeschuldigte darf nur dann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorhanden sind und ..."(es folgen die sog. Haftgründe Flucht usw.)
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Gesetze:_Die_Strafprozessordnung_(1877)#Die_Strafproze.C3.9Fordnung.2C_g.C3.BCltig_ab_1._Februar_1877https://de.wikisource.org/wiki/Strafproze%C3%9Fordnung#.C2.A7._112.
[Ein Gesetzestext aus den 30er Jahren liegt mir nicht vor, die erforderliche Grundlage zur Begründung eines dringenden Tatverdachts dürfte aber gleichgeblieben sein zu früher, bei Erweiterung der sog. Haftgründe in der Nazizeit.]
heutiger § 112 StPO :
"Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht..."
Zum Begriff des dringenden Verdachts :
"Dringender Verdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in seiner Gesamtheit eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat (allg. Meinung...)..."
(vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung 2.Aufl. § 112 StPO Rdnr. 1 wird dort weiter ausgeführt).
Ich bin der Überzeugung, daß
mangels dringendem Tatverdacht weder auf die von Meiendres genannten Gründe, aber ggf. auch sogar kumulativ mit den zusätzlich jetzt bekannten Angaben der Zeugin Mißl kein Haftbefehl zu stützen war. Dies gilt sowohl sowohl nach heutiger - auch an Art. 2 des Grundgesetzes orientierter Rechtsprechung - wie auch in der 30er Jahren bei genügender Beachtung des Tatbestandsmerkmals "dringende Verdachtsgründe". Schließlich bedeutet "dringend", daß der Verdachtsgrad über einen bloßen einfachen Anfangsverdacht hinausgehen mußte.
Aber letztlich kann man so einen weit zurückliegenden Vorgang erst dann fair und abschließend beurteilen, wenn uns eines Tages mindestens der Haftbefehl samt Begründung vorliegt. Bei der Frequenz wie neuerdings Material auftaucht bin ich da zuversichtlich.