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Mordfall Hinterkaifeck

51.943 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

28.08.2014 um 18:36
@pensionär
@Hathora

Euch liegt "der Browning" auf der Seele bzw. am Herzen?

Dazu erstmal herzlichen Dank an @pensionär für den wirklich erhellenden Beitrag zu der Episode mit der Faustfeuerwaffe.

"alter Trommelrevolver" ( Leuschner ) vs. "Browning" ( J. Schlittenbauer ), was war es denn nun ( höchstwahrscheinlich ) ?

Grundsätzlich wäre beides möglich gewesen.

Es gab den "Reichsrevolver Modell 1889".
Wikipedia: Reichsrevolver
...wurde als Modell 1883 oder auch Kurzer Reichsrevolver geführt. Sie verblieb bis 1908 im Arsenal der Streitkräfte, bis sie von der Pistole 08 abgelöst wurde. Exemplare aus Reservebeständen wurden jedoch noch im Ersten Weltkrieg eingesetzt.
So einen könnte sich der L.S. aus dem Krieg mitgebracht haben und das wäre dann 1922 tatsächlich ein alter Trommelrevolver gewesen.

Wie A.Gr. an seiner alten Perkussionsflinte hing, so hätte auch L.S. an seinem Revolver gehangen haben können. Er hätte aber bestimmt Probleme mit der Munition gehabt. Es gab sie nicht mehr und mit Schwarzpulver geladene Patronen lassen sich nicht unbegrenzt lange lagern, weil Schwarzpulver sehr hydrophil ist. Will sagen, das Zeug zieht die Luftfeuchtigkeit an und wenn das Pulver nass ist, ist nix mehr mit schießen.

Viel wahrscheinlicher allerdings ist tatsächlich "der Browning", seit Beginn des 20sten Jahrhunderts geradezu das Synonym für die kleine, handliche Selbstladepistole, so wie wir "Q-Tip" sagen, wenn wir Wattestäbchen meinen oder "Tempo" für Papiertaschentücher. Und genauso verbreitet.

@Hathora wollte keine hier schwer erhältliche Pistole aus USA sehen und da hat sie zwei Faktoren übersehen:
Erstens den I. Weltkrieg, eine Veranstaltung, an der sich auch die USA beteiligten. Die "Doughboys" brachten jede Menge Erzeugnisse der Firma Browning mit über den großen Teich.

Und zweitens die Tatsache, dass FN in Belgien schon seit vor 1900 Patente von Browning erworben hatte und Lizenzfertigung dieser Waffen betrieb.
Kann man auch hier nachlesen, der Artikel ist gut recherchiert.
Wikipedia: John Moses Browning
Als die Amerikaner in Europa antraten, konnten sie also schon mit Erzeugnissen ihres Landsmannes beschossen werden.

L.S. war im I. WK in Belgien und auch daher liegt für mich der "Browning" ( aus FN-Fertigung ) mittlerweile näher, als der "alte Trommelrevolver".

Ich vermute, dass Leuschner den "erfand", weil für den waffenhistorisch eher unbeleckten Menschen die Kombination "Browning + Colt = Revolver" gängiger erscheint, als der Umweg über Belgien und die Fabrique Nationale.

Das für mich eigentlich erhellende an @pensionär´s Beitrag war die Interpretation der Episode weg von dem Angebot des L.S., A.Gr. eine Faustfeuerwaffe auszuleihen, sondern diese zu holen und gemeinsam bewaffnet das Anwesen HK zu durchsuchen.

MfG

Dew


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Mordfall Hinterkaifeck

28.08.2014 um 19:43
@Dew
Danke für Deine fachliche Ausführung. Aus diesem Blickwinkel jetzt gesehen, schauts schon ganz anders aus und rückt den Besitz einer derartigen Waffe von L.Sch. schon ins Licht der Wahrscheinlichkeit. Ich habe das halt alles aus dem Blickwinkel eines "Normalos" gesehen. Die Menschen in Gröbern und HK waren einfache Leute aus der ländlichen Bevölkerung und ich bin es auch. Deswegen denke ich, kann ich mich in meiner Denkweise gut in die damaligen Protagonisten hineindenken und die Handlungen, bzw Redeweisen gut umsetzen. Wenns aber dann um so hochkomplizierte Sachverhalte geht, bin ich halt doch auf die "akademischen" unter uns angewiesen.
@alle
Wenn also der L.Sch. so ein "modernes" hochwirksames Halunkenvertreibgerät besaß, dann hätte er es dem Gruber sicher nicht überlassen, sonst wäre selbst mit Mr. Browning in der hand auf dessen Hof mitgekommen. Schon gar nicht hätte er es ihm länger überlassen, denn der L.Sch. hat doch selber auf Heudiebe "angesessen".


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Mordfall Hinterkaifeck

28.08.2014 um 19:58
@Dew
Am meisten freut mich, daß die Gedanken von @ hathora und meine Bemerkungen Dich veranlassen konnten, nach - soweit für mich ersichtlich - Deinem über zweijährigem Schweigen auf allmy Dich hier wieder mal mit so einem fundierten Beitrag einzubringen.

Das trifft sich gut - Synergien herstellen - auch zwischen HK.net und Allmy. Das war auch einer der Gründe, warum ich mich nach meiner weitgehenden Sommerabstinenz jetzt gerade vor ein paar Tagen unter dem Nick pensionär mit kleinem p (zu Unterscheidungszwecken) bei HK-net mit einen account angemeldet habe. (Das frei zugängliche HK-Wiki hatte ich ja schon immer ausgebeutet).


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 00:34
@pensionär
Danke, für das schöne Foto, das wäre ja mal eine Reise wert.
Was mich eigentlich sehr interessiert, ist die Frage, ob in irgendeinem Bericht zu lesen ist, wie die Gefühlslage einzelner Zeugen war, die enger mit Familie Gruber bekannt oder verbunden waren, aufgrund des schrecklichen Verbrechens.

Wie hatte eigentlich Hr. Schlitt. reagiert, als er über sein Verhältnis mit Victoria erzählte oder wie hat er auf die anderen Anwesenden gewirkt, als er die Toten aufgefunden hat?

Er muss doch fix und fertig gewesen sein, denn er hatte doch ein Verhältnis mit Victoria Gruber.
Man kann nichts darüber lesen, doch das sind doch wichtige Indizien.


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 09:18
@zauberfee1211

ja, die Protokolle der Ermittlungsbehörden sind häufig entweder inhaltliche Fehlanzeigen oder Rohrkrepierer, wirken auch oft eher lustlos angefertigt.

In der Hilflosigkeit der Tat gegenüber hat man gerne eher danach gefragt, wem so etwas zuzutrauen wäre und wem nicht. (Wer heutzutage sich beruflich mit Ermittlungen im Kapitalverbrechensbereich auch nur irgendwie beschäftigen muß und nicht in der Lage ist, gedanklich zunächst einmal jedem –einschließlich sich selbst– alles zuzutrauen, sollte m. E. die Berufswahl besser nochmal überdenken.)

Es war auch generell keine gute Zeit für Gefühle. Von 1914-1918 sind zu viele Gefühle enttäuscht worden und Hoffnungen zerstört. Vielleicht hat man damals einfach mehr in die Kissen geweint, besonders wenn man gerade einen oder gar mehrere Söhne auf dem Feld der Ehre verloren hatte.

Aber es gibt zu Deinen Fragen doch etwas mehr als Du bisher gefunden hast.

Sollte ich Dir raten, den auf LS abzielenden Teil des frühen Berichts von Reingruber zu lesen?

Sollte ich Dir raten im Hinterkaifeck-Net Wiki alle Aussagen der zwei weiteren Auffindezeugen zu analysieren?

Sollte ich Dir raten über das Wiki alles zu analysieren, was von jenen stammt, die zeitnah zur Auffindung als Hinterkaifeck- Touristen noch später hinzugekommen sind und LS dort noch live in Aktion erlebt haben ?

Sollte ich Dir raten, den von Riedmayr zu verantwortenden Vernehmungsversuch bezüglich LS von 1931 zu analysieren, der in den interessantesten Teilen fast nur von Gefühlen des LS handelt ?

Auch im folgenden ist von Gefühlen des LS die Rede:

...„Ich glaub im Leben nie, daß ein Mensch neben dran da immer arbeiten könnte, wenn er sechs Menschen da umgebracht hat, denn ganz ohne Schreien und ganz ohne Dagegenhalten wird das ja auch nicht abgegangen sein, selbst wenn er sich ein leichtes Spiel gemacht hat…“ [Diesen Satz ihres Vaters, so erinnert sich R.W. – Tochter des LS – hat er gesagt, als ihn die Kinder auf dem Acker mal wieder nach Hinterkaifeck fragten… Zit. nach einem der Kurt Hieber- Filme].

Schau Dir den Film an, es werden viele Zeitzeugen auch aus Gröbern und Laag interviewt. Dann sieh Dir den zweiten Hieber-Film an, in dem auch die heutige Polizei zu Wort kommt. Dann lies den Leuschner.

Wenn Du auch damit durch bist kennst Du aber nicht die Lösung - sondern Du hast bestenfalls eine Menge Fragen.

Dann fahr mal nach Gröbern, Hinterkaifeck und Waidhofen und schau Dir das alles mal an.

Und wenn Du noch so jung bist wie mich Dein Nick vermuten läßt – ja dann – allerspätestens dann – dann dreh Dich nie mehr zum Geschehen ums Marterl und der Wetterfichte um. Nie mehr !

Dann geh stattdessen tanzen !


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 11:14
@pensionär
Danke für die vielen Tipps, ich werde mich damit auseinandersetzen.
Bei meinem Nick ist eher der Wunsch der Vater des Gedankens. :)
Wenn Du verstehst, was ich meine.

Ich setze mich erst so ca. seit 1,5 Wochen mit dem Fall auseinander und ich merke, dass dieser Fall einen nicht mehr loslässt.
Warum auch immer...

Wahrscheinlich ist es so, weil der Mensch psychologisch gesehen, für alles einen Schuldigen sucht und dieses "Nichtwissen" schwer aushalten kann.

Aus diesem Grund hat der Mensch auch Gott und den Teufel "erfunden" ( Beweise gibt es ja nicht ), zur Not sind sie schuld.

Wie ist es bei Dir, wenn ich fragen darf?
Seit wann beschäftigst Du Dich mit HK?


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 11:45
@zauberfee1211
Kleiner Tip : Gehe oben in den Kopfzeilen des Forums auf den Link "Infos" da findest Du die Mitglieder. Darunter auch meinen Nick. Dann gehe über meinen NickLink (ziehe aber keine 300 Euro ein !) und es öffnet sich eine Liste meiner Beiträge. Etwa zeitgleich habe ich angefangen, mich mit HK zu beschäftigen.

[Über die Risiken und Nebenwirkunken der Beschäftigung mit dem Komplex HK habe ich Dich ja schon aufgeklärt. Stichwort: Hinterkaifeckvirus !]

Viel Erfolg.


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 12:05
@pensionär
Ich merke, der Hinterkaifeckvirus ist ziemlich ansteckend und langlebig....
Okay, aber mich hat er leider schon befallen und ich muss mich weiterhin mit ihm auseinandersetzen.

Meiner Meinung nach gibt es mit Sicherheit Einwohner des Dorfes, die ihr Wissen mit ins Grab genommen haben.


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 14:03
@Hathora

Danke für die Blumen.
Zitat von HathoraHathora schrieb:.....
@alle
Wenn also der L.Sch. so ein "modernes" hochwirksames Halunkenvertreibgerät besaß, dann hätte er es dem Gruber sicher nicht überlassen, sonst wäre selbst mit Mr. Browning in der hand auf dessen Hof mitgekommen. Schon gar nicht hätte er es ihm länger überlassen, denn der L.Sch. hat doch selber auf Heudiebe "angesessen".
Das sehe ich ganz genauso unter der Voraussetzung, dass der L.S. und der A.Gr. schon wieder so gut "miteinander konnten".
Dafür spricht, dass A.Gr. den L.S. überhaupt auf seinen Verdacht ansprach.

Kenntnisse über Waffen sind "Nischenkenntnisse" heutzutage, genau wie der Besitz immer weiter kriminalisiert und politisch heruntergeregelt wird.
Es ist also tatsächlich eher der Normalfall, über solche Gegenstände und Zusammenhänge nichts zu wissen.
Damals war so gut wie jeder mit einer Feuerwaffe bewaffnet und wenn man entsprechenden Fachleuten glauben mag, dann ist das auf dem Land heute noch immer so.


@pensionär

Auch Dir ein Dankeschön. Eher ein "Danke gleichfalls".

Im Rahmen meiner mehr oder weniger regelmäßigen Besuche hier im thread sind mir Deine Beiträge immer positiv aufgefallen.

Der "Browning-Beitrag" der mich animiert hat, auch hier mal wieder was zu posten, zeigt sehr schön, dass ein nur geringfügig veränderter Blickwinkel auf einen Sachverhalt eine Kette von Rückschlüssen ermöglichen kann, die Bewertungen verändert, wenn man nur bereit ist, die Augen aufzumachen.

MfG

Dew


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Mordfall Hinterkaifeck

29.08.2014 um 23:00
@pensionär
Danke für Deine Beiträge, die lese ich wirklich gerne!
Zitat von pensionärpensionär schrieb:ja, die Protokolle der Ermittlungsbehörden sind häufig entweder inhaltliche Fehlanzeigen oder Rohrkrepierer, wirken auch oft eher lustlos angefertigt.

In der Hilflosigkeit der Tat gegenüber hat man gerne eher danach gefragt, wem so etwas zuzutrauen wäre und wem nicht. (Wer heutzutage sich beruflich mit Ermittlungen im Kapitalverbrechensbereich auch nur irgendwie beschäftigen muß und nicht in der Lage ist, gedanklich zunächst einmal jedem –einschließlich sich selbst– alles zuzutrauen, sollte m. E. die Berufswahl besser nochmal überdenken.
Meine Rede! Aber mir glaubt man das immer nicht.

Beste Grüße,
G.


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30.08.2014 um 00:49
@DerGreif

Verstehe ich. Mein Mitgefühl ist ganz bei Ihnen!

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

30.08.2014 um 12:29
@Der Greif

Du hast ja auf HK-Net zu den unterhaltsrechtlichen Fragen und zur Einschätzung der Qualität der Arbeit der Ermittlungsbehörden seit den Beiträgen auf allmy von vor etwa 2 Jahren - wie damals hier schon angekündigt und immer noch lesenswert - bei gleichem Grundtenor noch mächtig nachgelegt. Ich bin gerade dabei, Deine neuen Texte portionsweise zu lesen und bei Gelegenheit vielleicht hie und da häppchenweise darauf einzugehen.

Du hast wohl, wenn ich Dich richtig verstanden habe, bei Riedmayr Zweifel an seiner Qualifikation und siehst ihn als Kriminaler bei dem eher der Karrierist durchscheint. Letzteres spielt sicher eine Rolle, denn ganz ohne Machtinstinkt gerät man wohl nach dem Krieg nicht bekanntlich in die Position des Chefs des bayerischen Verfassungsschutzamtes. Da müssen schon noch weitere Begabungen dazugekommen sein. [Vgl. etwa http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-28957706.html ].

Der Ablauf der 1931er Vernehmung - jedenfalls so wie er sich im Protokoll niedergeschlagen hat, wirkt m. E. aber tatsächlich eher wie ein verkorkster, „Vernehmungsversuch“, den man irgendwie halt doch schnell hinter sich bringen wollte, nachdem der Vernehmer den Eindruck gewonnen hatte, daß LS die Vernehmung durchsteht.

Denn nach dem m.E. ziemlich tricky angesetzten Vernehmungstermin, Vernehmungsort und einem Ladungstext, in dem LS ziemlich unverblümt nahegelegt wurde – um im Jargon zu reden – „vorsorglich schon mal seine Zahnbürste mitzubringen“ (was das auch heißen könnte, kapiert jeder) darf man sich schon fragen, welches primäre Ziel man eigentlich bei der polizeilichen Vernehmung überhaupt verfolgte. Ihn als „Zeugen“ zu vernehmen ? Den Sachverhalt zwei Tage lang mit weiteren zeugenschaftlichen Erkenntnissen anzureichern?

Die in Aussicht gestellte Vernehmung mit Übernachtugsmöglichkeit, die dann schon nach allenfalls wenigen Stunden wieder beendet wurde und in unprofessionelle nicht protokollierte Nachgespräche mündete – das alles belegt auch aus meiner Sicht die Taktik bei der Ladung.

Dieser Abbruch nach dem Abtücken vorbereiteter Themen – ohne wirkliches Nachfassen – läßt auch für mich den Schluß zu, daß ermittlungstaktisch ganz –wenn nicht fast ausschließlich – eigentlich im Vordergrund stand, den LS zum Auspacken zu bringen. Bzgl. der ins Auge gefassten Dauer weitgehend eine Kulisse, Theaterdonner – um LS schon im Vorfeld zu destabilisieren. Ob das rechtlich koscher war ?

Aber LS hatte m. E. den Braten gerochen.

Zunächst einmal vermute ich das nur.
Ein klitzekleines Indiz dafür, das er möglicherweise im Rahmen der Vernehmung sogar etwas den Spieß umdrehen konnte und dem Vernehmer sogar Vorhaltungen über die Umstände dieser Ladung gemacht haben könnte, mag aber vorhanden sein. Denn wenn ich das nach den scribd – Aktenauszügen bei HK-net richtig rekonstruiert habe und erinnere, hat sich Riedmayr veranlasst gesehen, noch nach der Vernehmung (also für eine Ladung zu sehr später Stunde)den bisher nicht bei den Akten befindlichen ausführlichen Ladungstext zu den Akten nachzuliefern. Wenn schon, dann hätte der Ladungstext chronologisch eigentlich seinen Platz vor der Vernehmung haben müssen. Für mich eher nicht normal. Das läßt in mir den Verdacht aufkeimen, dass er – was ursprünglich gar nicht für nötig gehalten wurde - zur eigenen Absicherung den Originaltext - Text der Ladung - doch noch in den Akten dokumentiert haben wollte, um späteren Spekulationen vorzubeugen. Eigene Erkenntnis - oder hatte da jemand vorwurfsvoll den Finger in eine Wunde gelegt. Gewiß Spekulatius meinerseits – aber nur vielleicht.
LS war nach meinem Eindruck keinesfalls ein tumber Bauer und auch mehr als vielleicht nur bauernschlau.

Riedmayr hatte sein Handwerk aber auch intellektuell drauf.

Ich habe in der FU mir den 91. Band „Archiv für Kriminologie“ von 1932 in den Lesesaal kommen lassen und mit Spannung seinen Aufsatz „Vorgetäuschter Raubmord“ gelesen. Kurz : Soweit ich es beurteilen kann genügt der ausführliche Text sowohl sprachlich wie auch im kriminalistischen Inhalt auch modernen Anforderungen. Genügend Zeit scheint er damals auch gehabt zu haben, wissenschaftlich zu arbeiten. [Bei dem Fall handelt es sich um die Kaschierung des Selbstmords eines Familienvaters als Raubmord, um der Familie Versicherungsleistungen zuzuschanzen].

Riedmayr schreibt etwa:
„..dunkle Gedanken reiften zu einem Entschluß…“ (aaO, Seitenzahl habe ich leider nicht notiert)
„..ist man beim Versicherungsbetrug meist nur auf die Auswertung des Tatortbefundes angewiesen. Was hier in den ersten Stunden versäumt wird, ist in der Regel nicht mehr nachzuholen.“ (aaO S.1).

Aha.

Aber zurück zu unserem Fall:

Das große Rätsel bleibt für mich:

Wenn die Richtung der Münchener Vernehmung wie ich –mit vielen- glaube, das vorrangige Ziel hatte, den LS zum „Auspacken“ über sein Gesamtwissen zu bringen – warum hat dann Riedmayr so wenig für die Erreichung des Ziels getan. Normal scheint mir das jedenfalls nach den protokollierten Gesamtumständen und Wortlaut der Vernehmung nicht zu sein. Und ein Intelligenzdefekt oder Mangel an Erfahrung scheiden für mich nach Obigem ebenfalls aus.
Im Gegenteil.
Warum hat er ihn nicht regelrecht mit allen legalen Mitteln „gegrillt“ um im flapsigen Jargon mancher Kriminalromane zu bleiben? Ich habe früher mal von einer „Kehre“ im Aussageverhalten des LS. gesprochen. Spätestens da hat dieser doch eine vieldeutige Volte geschlagen – geschwächelt -, was er als erfahrener Vernehmer hätte legal nutzen können und auch müssen ?...

Es bleibt spannend.

[„Achtet nicht auf den Mann hinter dem Vorhang.“ Aus: Der Zauberer von Oz.]


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Mordfall Hinterkaifeck

31.08.2014 um 14:03
Also, ich habe den Film Tannöd geschaut und bin extrem entäuscht...
Der Film ist schlecht produziert und es fehlt gänzlich die Spannung.
Außerdem konnte außer Frau Bleibtreu als Schauspielerin, keiner so richtig überzeugen.

Ich wollte gerne wissen, was Ihr über den Film denkt?


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Mordfall Hinterkaifeck

31.08.2014 um 18:01
@pensionär
Ja, auch mir erscheint die Vernehmung von schlittenbauer 9 Jahre nach der Tat nicht fachlich und sachlich korrekt ausgeführt. Besonders folgendes fiel mir auf:
Zum Abschluss der Aussage bemerkt Riedmayr, dass "Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen nicht mehr vorhanden" seien. Danach sah er also nur die Notwendigkeit nachzuhaken bei 1. Vaterschaft, 2, Zahlung und Abfindung von Alimenten, bzw Rückgabe des Geldes und 3. Beschuldigungen von Siegl und Dersch.
Eine eventuelle Vaterschaft, die ominöse Abfindung und Rückgabe derselben hätten doch eigentlich schon längst geklärt sein müssen. Hat Riedmayr direkt nach dem Mord nicht in diese Richtung ermittelt? Damals waren noch die Pfandbriefe vorhanden.(Bevor die Erbschaft verteilt wurde) Da hätte man abklären können, welche Schlittenbauer zeitweise in seinem Besitz hatte, wenn die Geschichte wahr gewesen wäre.
Ich glaube, die Ermittlungen haben sich von Anfang an auf Raubmord "eingeschossen" und erst als Beschuldigungen die Runde machten, sah man sich gezwungen, (oder wurde man von höherer Stelle genötigt) den öffentlich Beschuldigten noch einmal vorzuladen.
Das, so hatte es den Anschein, wurde dann recht lasch gehandhabt, nur um der Rüge von oben oder dem Drang in der Öffentlichkeit Genüge zu tun.
Dass L.Sch. der Täter sein könnte, daran hat Riedmayr meines Erachtens nach niemals ernsthaft geglaubt. Er hat genauso auch alle Personen aus dem Umfeld der ermordeten Familie nie in Betracht gezogen. Das war der Grund, warum er den L.Sch. nicht "gegrillt" hat und wahrscheinlich auch andere nicht "knallhart" vernommen hat. Zumindest wissen wir nichts davon.
Ich bin sicher, wenn die kriminalistischen Untersuchungen und die Vernehmungen von Anfang an mit mehr Nachdruck geführt worden wären, hätte man schon Spuren und sogar auch "heiße Spuren" entdeckt.
Ich bin mir deshalb immer noch nicht sicher: Ist der/die Täter (wer immer es auch war)ungeschoren davon gekommen, weil er/sie besonders schlau waren oder weil sie nur Glück hatten wegen der schlechten Ermittlungen.


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Mordfall Hinterkaifeck

31.08.2014 um 20:44
@zauberfee1211
Da lagen vielleicht Deine Erwartungen etwas zu hoch. Ich hatte das Büchlein "Tannöd" vorher gelesen und fand dann die Szenen am Hexenholz und vor allen Dingen die Ankunft der Magd und ihrer Schwester in HK sehr gelungen. Wenn Du mehr Ansichten zu Tannöd lesen willst, dann geh auf die "Suchen" Seite und gib Tannöd als Suchwort ein. Du wirst vielleicht noch einige User finden, die Deine Meinung teilen. Schönen Restsonntag !

@Hathora
Du schreibst :
"Hat Riedmayr direkt nach dem Mord nicht in diese Richtung ermittelt?"

Nein Hathora, direkt nach dem Mord hat Oberinspektor Reingruber ermittelt. Und auch der mußte akzeptieren, daß die Statsanwaltschaft Neuburg/Donau damals die eigentliche Herrin der Ermittlungen war.

Riedmayr wurde erst viel später damit befasst, wenn ich mich recht erinnere etwa 1930, jedenfalls nachdem Reingruber in Pension gegangen war. Den Komplex Riedmayr kannst Du überhaupt erst ganz erfassen, wenn Du zu HK-net ins Wiki gehst und dort eine Personensuche startest mit dem Namen Riedmayr. Dann studiere ! dort genau seinen Vermerk, den er an den Oberstaatsanwalt Kestel gerichtet hat. Zwischenzeitlich war die Zuständigkeit in dem Fall nach Augsburg gegangen.

Du schreibst:
"Dass L.Sch. der Täter sein könnte, daran hat Riedmayr meines Erachtens nach niemals ernsthaft geglaubt."

Wenn Du das machst, was ich Dir geraten habe, wirst Du vielleicht wie ich auf den Gedanken kommen, dass er zumindest der Erste war, der gewagt hat, den Komplex LS begründet mit anderen Augen als bisher zu sehen und dies auch in der Hauptakte und nicht vielleicht etwa in irgendeinem sekretierten oder verlorengegangenen Retent niedergelgt hat. Ob er damit richtig lag ist eine andere Frage.

Du schreibst:
"Ich glaube, die Ermittlungen haben sich von Anfang an auf Raubmord "eingeschossen" und erst als Beschuldigungen die Runde machten, sah man sich gezwungen, (oder wurde man von höherer Stelle genötigt) den öffentlich Beschuldigten noch einmal vorzuladen.
Das, so hatte es den Anschein, wurde dann recht lasch gehandhabt, nur um der Rüge von oben oder dem Drang in der Öffentlichkeit Genüge zu tun."

Da hast Du auch nach meiner Auffassung weitgehend recht. Ob der Druck der Öffentlichkeit 1931 noch sonderlich groß war, möchte ich bezweifeln.

Mit Kestel und Riedmayr war aber jetzt eine andere Generation dran, die aufgrund ihrer Ausbildung nicht mehr so fixiert war auf die Frage, ob jemand eine Tat zuzutrauen war oder nicht.

"Von höherer Stelle genötigt" : ja vielleicht war da jetzt auch eine Bremse gelockert.

Dennoch glaube ich eher an eine besondere Art von Sebstbindung:

Riedmayr hatte mit seinem zu den Akten gegebenen Vermerk über den Komplex LS nichts weniger getan als nach bisheriger fast 9jähriger Ermittlungsarbeit einen gut begründeten Paradigmenwechsel vorgenommen, an dem kein anderer Ermittler mehr vorbeikam - es sei denn, man hätte seinen Vermerk aus der Akte genommen, und stattdessen ein Fehlblatt eingefügt.

Nach der Persönlichkeitstruktur von Kestel, wie sie bei den Fememordermittlungen durchscheint, glaube ich sogar, dass der ihn dazu ermuntert haben könnte oder ihn durchgewunken hat. Danach gab es aber kein Zurück mehr und man mußte einfach an LS nochmals herantreten -ob man wollte oder nicht.

"Du schreibst
Zum Abschluss der Aussage bemerkt Riedmayr, dass "Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen sind nicht mehr vorhanden" seien."

Das war nach meiner Überzeugung inhaltlich nicht zutreffend. Und das war eine große Anmaßung, denn eine solche Schlußbemerkung stand ihm m. E. nicht zu. Herrin der Ermittlungen war die Staatsanwaltschaft Augsburg und nicht PP München. Ich meine Anhaltspunkte dafür zu haben, dass nach der Vernehmung des LS in München es zu einer Verstimmung zwischen Kestel und Riedmayr kam und ich werde vielleicht darüber noch irgendwann schreiben.


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Mordfall Hinterkaifeck

02.09.2014 um 02:41
@pensionär

Auch Sie machen den Fehler, die Polizei von 1918-1945 mit heutigen Maßstäben messen zu wollen.

Fakt ist, dass - nicht nur im Fall HK und insbesondere von der Münchener Polizei - nur ermittelt wurde, was ermittelt werden sollte/wollte.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

02.09.2014 um 03:58
@Kailah
Zitat von KailahKailah schrieb:Fakt ist, dass - nicht nur im Fall HK und insbesondere von der Münchener Polizei - nur ermittelt wurde, was ermittelt werden sollte/wollte.
Ein Forscherkollege (hier kein Mitglied) hatte mal die These aufgestellt, dass der Lenz ev. wusste, dass auf HK "Etwas" gelagert war, aber aufgrund von Angst nichts gesagt hat.

Wenn er dann im Verhör mit Riedmayer "gesungen" hat, wäre die kurze Vernehmung mit dem bekannten Ausgang zu erklären.

Ich bin nicht in der Lage, mir dazu eine Meinung zu bilden...

Aber: Ich finde nicht, dass Riedmayer zu lasch war. Es ist ein himmelhoher Unterschied eine Vernehmung zu lesen oder bei der Vernehmung vor Ort zu sein.
Emotionen, Betonung, Mimik usw. sind ja nicht nachzuvollziehen...

Riedmayer bastelt fast ein Jahr an der Vernehmung, legt das Datum geschickt auf das Datum der Morde und leiert dann seine Fragen runter, die nichts bringen?


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Mordfall Hinterkaifeck

02.09.2014 um 09:03
@Heike75

Na, an ein Waffenlager auf HK denke ich ja weniger , eher an ein Wissen, das Verratmöglichkeiten bietet.
Gepaart mit 'undeutschem, nicht nationalem Denken, der Rücksichtslosigkeit gegenüber Familie Gabriel und der unverändert bestehenden 'Blutschande', die freilich allen in der Bürgerwehr bekannt war , gab es genügend Sprengstoff.

Mit 'zu lasch' würde ich die Untersuchungen in der 20er/30er Jahren nicht beschreiben; aber ich glaube eher an ''Anweisung von höherer Stelle" nicht zu tief zu bohren und nur die allzu öffentlich Verdächtigten zu verhören und in jedem Fall sicherzustellen, dass 'der nationalen, völkischen Sache' keine Ehrabschneidung widerfährt.
In der Haut der jeweils bei der Münchener Polizei Verantwortlichen hätte ich nicht stecken wollen - zuerst gefährlich für die Karriere, später dann gar existenzbedrohend.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

02.09.2014 um 11:52
@Kailah

Sie haben geschrieben:

"In der Haut der jeweils bei der Münchener Polizei Verantwortlichen hätte ich nicht stecken wollen - zuerst gefährlich für die Karriere, später dann gar existenzbedrohend."

Hier ein solches Beispiel aus der Pöhnerzeit 1921 (Streiflicht aus dem Fall Hartung):

„4. März 1921 (Leichnam aufgefunden): Hans Hartung (* 1897), Kellner, erschossen und mit Steinen beschwert aus der Zusam bei Zusmarshausen geborgen; ermordet nachdem er sich für sein Schweigen über die Aktivitäten der Bayerischen Einwohnerwehr hatte bezahlen lassen wollen.“ (Quelle Wikipedia : Liste der Opfer von Fememorden).

Pöhner hatte einen Zuständigkeitswechsel weg von der politischen Abteilung, wo die Sache zunächst eher zufällig wg. anderweitiger Ermittlungen gelandet war in die allgemeine KapVerbrechensabteilung angeordnet und von Merz mit der Weiterbearbeitung beauftragt. Dieser opponierte dagegen:

McGee, James H., III
THE POLITICAL POLICE IN BAVARIA, 1919-1936
University of Florida, 1980
Chapter 2 : A CASE OF POLITCAL MURDER

“The three political policemen on the case … shared the conviction that they were on the threshold of breaking the case” [80]

“at eleven in the morning on March 9, the head of the political police, Pöhner´s close associate Frick, contacted Carl von Merz, the director of the homicide squad in Department I, and communicated Pöhners´s order that the homicide squad assume responsibility for the case in cooperation with the Public Prosecutor in Augsburg. Merz immediately objected…he believed that the Munich end of the case should remain in the hands of PDM VI…"[80]

Von Merz sorgte sich, “If the case failed now, it would most certainly be a black mark against him and against the reputation of Department I, hitherto unbesmirched by charges of political bias." [87].

“The next day Merz was summoned to Ramer´s office where he found Ramer and Krick´s superior Kraus [Krick und Kraus waren die zust. Staatsanwälte - Erläuterung von mir]. Ramer explained, that he had already conveyed the substance of Merz´s objections to Kraus. Kraus then sternly reminded Merz that, as a police officer, he was duty-bound to obey the instructions of the prosecutor´s office. He professed himself satisfied with Merz´s conduct of the case up to that point, but wanted to make certain Merz would continue in the right direction; this final remark passed without further explanation.

Ramer then warned Merz not to hurt himself and his career by doing something stupid. (“…Ramer redete mir zu und meinte ich solle keine dienstliche Dummheit machen…”).

The interview concludes with a direct order from Ramer to Merz to continue as head of the investigation.(Testimony von Carl von Merz, October 24., 1924, StAnw. Mü. I 3081d/3.) [McGee S. 87].

„But the case had clearly collapsed.“ (McGee a.a.O. S..87)…

Ich hatte damals nur die Buchausgabe der FU aber mittlerweile steht die Dissertation von McGee auch im Internet. http://archive.org/stream/politicalpolicei00mcge/politicalpolicei00mcge_djvu.txt

Ulrike Hofmann: Verräter verfallen der Feme!: Fememorde in Bayern in den zwanziger Jahren - hat folgende Einschätzung geäußert:

„Trotz ihrer nationalen Gesinnung hielten sie an dem Grundsatz, Mord bleibt Mord, fest. Es stand für sie im Vordergrund, ihre Pflichten als Untersuchungsbeamte zu erfüllen und für die Wahrung der Staatsautorität einzutreten.
Zu diesen Beamten gehören vor allem Staatsanwalt Dresse und Regierungsrat von Merz, aber auch Untersuchungsrichter Kestel, Oberinspektor Reingruber und Polizeidirektor Ramer.“ [aaO 298]


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Mordfall Hinterkaifeck

02.09.2014 um 12:18
Bei der Gelegenheit:
Wer sich auch für die mögliche Einflußnahme des Justizministeriums auf Staatsanwälte interessiert, sollte sich auch den übrigen Ermittlungsgang im Fall Hartung zu Gemüte führen:

Der Staatsanwalt, der einen Haftbefehl gegen Leute der Einwohnerwehr erlassen hatte, bekam noch am selben Tag eine Einladung ins Justizministerium. Am darauffolgenden Tag hob er entweder den Haftbefehl wieder auf oder setzte ihn außer Vollzug (für mich nicht eindeutig). Später gab er folgende Begründung:

„Ich berichtete … meinem Amtsvorstand … über meine Tätigkeit in München und den Gang der Erhebungen in grossen Zügen…
Ich weiß nun nicht mehr, ob bei dieser Unterredung mir Bedenken aufstiegen, ob ich mit meinem Haftbefehl nicht etwa daneben getappt hätte, oder ob vielleicht Staatsanwalt Kraus derartige Bedenken aussprach. Ich glaube eher, daß das letztere der Fall gewesen sein mag. Die Bedenken mögen nach der Richtung gegangen sein, daß die Beschuldigten anständige Leute und Angehörige der Einwohnerwehr, also einer sozusagen staatlichen Einrichtung waren, und daß man wegen des Eindrucks, den in diesem Fall ein Mißgriff auf die öffentliche Meinung machen müsse, Grund zu besonderer Vorsicht habe…“

[Testimony of Wilhelm Krick 29. 7. 1924, StAnw. Mu. I. 3081d/1.] [McGee S. 90].

„1924 wurde das Verfahren auf Initiative des II. Staatsanwalts beim Landgericht München I Dresse wieder aufgenommen… Reingruber erzählte dem Staatsanwalt auch, bei Beamten der politischen Abteilung herrsche die Auffassung, daß die Verhafteten auf Eingreifen des Justizministeriums aus der Untersuchungshaft entlassen worden seien.“

Ulrike Hofmann aaO vorigen Beitrags [S. 220]


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