Mord an 16-jähriger Kölnerin Caglar Seckin im Oktober 1991
19.04.2023 um 13:04cjelli schrieb:Nützt das alles nichts, wird schließlich ein Zwangstest angeordnet.Der Richter darf nur aufgrund der Verweigerung keinen Zwangstest anordnen.
Mangelnde Freiwilligkeit in der Praxis und Druck auf UntersuchungsverweigererQuelle: Wikipedia: DNA-Reihenuntersuchung#Mangelnde Freiwilligkeit in der Praxis und Druck auf Untersuchungsverweigerer
Insbesondere wird eine durch die Praxis der Behörden entstehende Unfreiwilligkeit oftmals kritisiert. Da die Teilnehmer für eine genetische Reihenuntersuchung auf Basis von Vermutungen wie beispielsweise dem vermuteten Wohnort des Täters ausgewählt werden, besteht nicht einmal ein Anfangsverdacht gegen irgendeinen der vorgesehenen Teilnehmer. Trotzdem werden diese Personen unter einen Vorverdacht als „potentielle Tatverdächtige“ gestellt und müssen entweder ihre Unschuld beweisen oder polizeiliche Ermittlungen über sich ergehen lassen.
Da ein aufwendige und teure Reihenuntersuchung jedoch wenig erfolgversprechend wäre, wenn jede zur Teilnahme aufgeforderte Person, insbesondere der gesuchte Täter, ohne weitere Konsequenzen die Teilnahme einfach ablehnen könnte, versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Praxis, auf Testverweigerer Druck auszuüben und Verdachtsgründe zu finden, um sie zu einer Testteilnahme zu bewegen.
Bei einer genetischen Reihenuntersuchung in Bochum (siehe Beispiele) wurde schon im Informationsblatt der Polizei für den Fall einer Testverweigerung eine Beschuldigtenvernehmung angedroht: „Sind Sie nicht mit dieser Maßnahme einverstanden, können Sie im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung einen Alibinachweis vorlegen.“ Es wurde ein Fall bekannt, wo die Polizei beim Arbeitgeber nach einem Alibi gefragt hatte.[6] Gegen Personen, die kein ausreichend sicheres Alibi vorlegten, wurden Beschlüsse des Amtsgerichts Bochum erwirkt, die eine zwangsweise Entnahme einer Speichelprobe gemäß § 81a StPO („körperliche Untersuchung des Beschuldigten“), bei Widerstand ersatzweise einer Blutprobe, anordneten. Es wurde also ohne nähere Untersuchung ein Tatverdacht angenommen, der wie folgt begründet wurde: „Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen treffen bestimmte äußere Merkmale, wie etwa Alter, Größe, Wohnort, Bewegungsmuster, Antreffort, wobei bereits eines dieser allgemeinen Merkmale ausreichend sein kann, auf den Betroffenen zu.“
Bei einer genetischen Reihenuntersuchung in Dresden erklärte der Dresdener Oberstaatsanwalt Christian Avenarius im Juli 2006, dass niemand zum Beschuldigten werde, wenn er sich dem Gentest verweigere. Die Teilnahme sei absolut freiwillig. In solchen Fällen würde man sich aber die Person genauer ansehen und auch das Umfeld des Betreffenden überprüfen. Ergebe sich daraus kein Anfangsverdacht, werde auch nicht ermittelt.
Bei einer genetischen Reihenuntersuchung in Gütersloh (siehe Beispiele) wurden insgesamt fast 11.500 DNA-Proben erfolglos untersucht. Gegen 10 von 27 Männern, die nicht freiwillig an der Reihenuntersuchung teilnehmen wollten, wurden vom Amtsgericht Bielefeld Beschlüsse zur zwangsweisen Teilnahme erlassen. Diese wurden später vom Landgericht Bielefeld als rechtswidrig eingestuft. Einer der Männer wurde aber schon vorher gewaltsam zur Teilnahme gezwungen.
emz schrieb:Welches Gesetz meinst du denn?Entweder, der Verweigerer muss in Ruhe gelassen werden, oder es wird ein Gesetz zur Möglichkeit einer zwangsweisen Teilnahme erlassen.
Gesetzgeber wird DNA-Massentests als Zwangsmaßnahme regeln müssenQuelle: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/dna-massentests-keine-alternative-zu-freiwilligkeit-oder-zwang/
Nur ist das Vorgehen für die Ermittler letztlich alternativlos. Denn wenn der Gesuchte am DNA-Massentest nicht teilnimmt, bleibt nur die Überprüfung derjenigen Personen, die die Teilnahme verweigert haben. Ansonsten wäre der DNA-Massentest umsonst durchgeführt worden. Die Verweigerer wiederum haben keine Möglichkeit, sich gegen das polizeiliche Vorgehen zu wehren. Denn Rechtsschutzmöglichkeiten sieht § 81h StPO nicht vor, da nach dem Sinn des Gesetzes die Teilnahme ja eben freiwillig erfolgt. Der gesetzgeberische Wille und die Wirklichkeit fallen hier deutlich auseinander.
Was ist nun die Konsequenz? Das Festhalten an einer Norm, deren Voraussetzungen in der Praxis schlicht nicht erfüllbar sind? Sicherlich nicht. Angesichts der Aufklärungserfolge in der Vergangenheit kann aber auch ein totaler Verzicht auf diese Ermittlungsmaßnahme nicht ernsthaft in Betracht kommen.
Faktisch kann der Gesetzgeber die Freiwilligkeit bei DNA-Massentests nicht gewährleisten. Er wird deshalb nicht umhinkommen, über kurz oder lang den DNA-Massentest als Zwangsmaßnahme auszugestalten – mit der Folge, dass dann auch erhebliche Rechtsschutzmöglichkeiten für die Betroffenen bestehen müssen. Nur so kann diese Ermittlungsmethode Teil einer an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Verbrechensaufklärung sein und mit der Verfassung in Einklang gebracht werden.