Emsig schrieb:Der Vater hat Leon nicht seit gestern betreut, sondern hatte schon mindestens 1.800 Nächte mit seinem Sohn hinter sich. Mit Sicherheit wurden da schon alle Strategien ausprobiert.
Das ist aber das Problem, schon bei der Erziehung von "normalen" Kindern, dass das was kurzfristig funktioniert, nicht immer langfristig zielführend ist, sondern das ganze Problem noch verschlimmert. Paradebeispiel, das wohl fast allen bekannt ist, ist das Kind an der Kasse, das in der Warteschlange an der Kasse einen Tobsuchtsanfall weil es irgendeinen dort ausgestellten Lutscher, Stickeralbum oder Schnuckelkram haben will. Die einfachste und effektivste Methode das Kind zu beruhigen und damit dei empörten Blicke der anderen Kunden und Verkäufer abzustelelen, ist, ins Regal zu greifen und dem Kind das gewünschte in die ausgestreckte Hand zu drücken. Erfolg: ein strahlendes, vor Zufriedenheit glucksendes Kind.
Mittel-bis langfristifg wird das Problem aber damit einfach nur immer schlimmer.
Das fatale dabei ist, dass man als Eltern ja manchmal selber einfach nicht mehr kann. An mnachen Tagen eben einfach zu erschöpft ist, in Hetze, zu gerädert, um das wieder bis zum Ende durchzuziehen und dann eben doch mal nachgibt. Ich konnte mit meinen Kindern an jeder Kasse stehen, ohne Diskussionen. Aber wehe, die waren einmal mit ihrem Vater, der Oma oder Tante unterwegs und haben bekommen war sie wollten. Danach gab es wieder vier Wochen lang Diskussionen bis hin zu Heulkrämpfe und Wutausbrüchen.
Bei den nächtlichen Fahrten sehe ich es genauso. Diese Eltern waren dauererschöpft. Wenn ein Kind 20 x die Nacht aufwacht, weiß man doch, dass man jetzt wieder 20 Minuten an dessen Bett sitzen wird, dann 20 Minuten im eigenen Bett liegt und wenn man gerade eingeschlafen ist, schon wieder das Geweine hört. 20 x aufzustehen und da träge zu hocken, in dem Wissen, dass dasjetzt den Rest der Nacht so geht, ist sehr viel schlimmer, als 2 Stunden durch die Nacht zu kutschieren. Klingt paradox, ist aber so.
Leon hatte Spaß bei den Ausflügen, gute Laune. Im Bett hätte er die ganze Nacht schlechte Laune gehabt, wäre quengelig gewesen.
Da liegt die Entscheidung nahe, einfach die Sachen zu packen und ihn für Stunden durch die Nacht zu karren.
Das mag kurzfristig wie einer "erprobte Strategie" aussehen, hat aber sicher die Situation aller, und v.a. für Leon verschlimmert. Als junge Eltern bekommst Du bei Schlafstörungen des Kindes immer wieder eingetrichtert, wie wichtig beruhigende Rituale sind, ein fester Rythmus, wie wichtig es ist, selber Ruhe, Gelassenheit und Entspannung aus zustrahlen, auch wenn Du gerade genau das Gegenteil davon fühlst. Wie wichtig Konsequenz und Disziplin sind, damit es gelingt, die Rituale im Leben des Kindes zu verankern.
Leon war natürlich kein "normales" Kind (sorry, wenn ich das immer so formuliere, aber ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll, ich streube mich gegen das Wort "behindertes Kind"). Sein Entwicklungsstand entsprach nicht dem eines Kindes in seinem Alter. Das heißt aber nicht, dass er prinzipiell ganz andere, ja sogar konträre Bedürfnisse hatte als Kinder im Allgemeinen. Er hatte Dauerfeuer im Kopf und umso wichtiger wäre es sicher gewesen, ihm räumliche und zeitliche Inseln zu schaffen, in denen das Dauerfeuer nicht noch durch ständige Reize von außen angefeuert wird.