fassbinder1925 schrieb:Mir bekommt es nur so vor, dass viele eine überstrapazierte Vorstellung von „in dubio pro reo“ haben. Das ist auch das Problem von vielen Angehörigen von Angeklagten. Die gehen bis zur letzten Sekunde von einem Freispruch aus, weil es keine DNA-Spuren/direkte Tatzeugen gibt.
Man kann das denke ich gut an der Hugo-Flasche als Beispiel festmachen.
Die Hugo-Flasche wurde zunächst als Tatwaffe angenommen, sie lag zersplittert neben einem ohnmächtigen Mann, der wiederum mitten in der Nacht auf einem einsamen Parkweg lag, eine Kopfverletzung hatte und sich beim Aufwachen noch erinnerte, so etwas wie einen "Blitz" gespürt zu haben.
Der Sohn ist leider während der angeblich Ohnmacht des Mannes fortgelaufen und ertrunken.
Anschließend unterstützen der Mann und seine Frau die Polizei bei der Suche nach einem Täter, in dem sie öffentlich mit Plakaten und in den sozialen Medien nach Zeugen für die Herkunft der Hugo-Flasche suchen. Man kann also annehmen, dass weder der MAnn noch die Frau wede diese Art von Getränk aus ihrem HAushalt kennen noch diese Flasche in das Netz des Buggys gelegt haben.
Jetzt fällt der Polizei auf, dass der Mann die Hugo-Flasche offenbar selbst im Netz des Buggys liegend mit an den Tatort gebracht hat.
Dei Angehörigen und Pfleger des Kindes sagen vor Gericht:
"Im Netz des Buggys wurden öfter Gegenstände transportiert. Wenn ich damit losgefahren bin, lag da öfter schon was drin, auch Müll."
"Der Buggy stand immer unbeaufsichtigt vor dem Haus, da könnten Patienten der Physiopraxis die Flasche als Dankeschön für die gute Behandlung in das Netz gelegt haben."
"Der Buggy stand immer unbeaufsichtigt vor dem Haus, da konnte jeder ran, vielleicht hat ein Passant da seinen Müll reingelegt, weil er zu faul war, ihn zum nächsten Glascontainer zu tragen."
Das sind ja nun alles Aussagen, die zumindest aus Sicht der Zeugen nicht völlig abwegig sind. Sie halten das für eine mögliche Erklärung, wie die Flasche ohne Wissen des Mannes in das Buggy-Netz gelangt sein könnte. Dann hat er eben nicht geplant eine Flasche, mit der er plante eine Straftat vorzutäuschen, mit an den Tatort gebracht, sondern nur zufällig und ohne es zu bemerken eine Flasche durch die Gegend gefahren.
Jede dieser Zeugenaussagen allein für sich ist vielleicht unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich und solange es solche alternativen Erklärungen gibt, kann man dem Angeklagten nicht beweisen, dass er die Flasche bewusst eingepackt, mitgebracht, benutzt und verleugnet hat.
Aber insgesamt muss man dann eben auch weiter fragen:
Wie wahrscheinlich ist es, dass der Angklagte beim Aus- und Einladen nicht bemerkte, dass das eine Flasche im Netz des Buggy lag?
Wie wahscheinlich ist es, dass ein dritter Täter die Flasche zuerst aus dem Buggy-Netz zog und dann damit auf den Vater einschlug? Ist das phyikalisch überhaupt möglich, wenn der Vater den Buggy vor sich herschob, etwas aus dem Buggynetz zu nehmen und ihn dann von hiten damit zu schlagen?
Wie wahrscheinlich ist es, das Leons DNA an der Flasche zu finden war, aber weder die DNA eines Vorbesitzers, der die Flasche entweder als Müll oder als Geschenk in den vor der Haustür stehenden Buggy gelegt hat, noch eines Supermarktmitarbeiters der die Flasche ins Regel geräumt oder über den Kassenscanner gezogen hat?
Wie wahrscheinlich ist es, dass der dankbare Flaschenschenkerpatient keine Karte dazulegt, die Mutter nicht in den Folgetagen, als noch gar nicht bekannt war, dass die von ihm geschenkte Flasche zur Tatwaffe wurde, auf das Geschenk aufmerksam macht ("Ich habe Euch vor zwei Tagen eine Flasche Hugo als Dankeschön für die Behandlung ins Buggynetz gelegt. Ich hatte geklingelt, aber es war keiner da, ich wollte die Flasche aber auch nicht einfach wieder mitnehmen." - Und dabei fällt mir jetzt noch zusätzlich ein: Wieso sollte man so ein Geschenk überhaupt in das Netzt eines Buggys legen? Sowas stellt man dann doch eher vor der Haustür ab, wo es auch sicher gesehen wird! Vielleicht noch in die Sitzschale des Buggys, aber ganz sicher versteckt man so etwas doch nicht im Netz unter dem Buggy! - Und wer schenkt einer Phyioptherapeutin, die ein schwerst behindetes Kind pfleht und eine Sportenthusiasten als Mann hat, als Dank für medizinische Hilfe eine Flasche mit "künstlich aromatisierten Cocktail mit Kohlensäure versetzt" für 6,90 € ?!) Und dass dieser jemand sich auch nicht meldet, als das Ehepaar den ganzen Ort inkl. der Nachbarorte mit Suchplakaten im gegenwert von 2.000 € zutapeziert, auf denen es verzweifelt nach der Herkunft der Flasche fahndet? Dass er sich nicht mal meldet, als bekannt wird, dass die Polizei denkt, der Vater habe den eigenen Sohn getötet, weil man die Hugo-Flasche auf einem Video in seinem Buggynetz erkannt hat?
Und jetzt kommt der wichtgste Punkt! Die Frage für den Restzweifel lautet ja immer: wie wahrscheinlich ist es, dass dies alles gleichzeitig zutrifft. Es reicht nicht, dass theoretisch jemand seinen Abfall oder ein Geschenk in den Buggy gelegt haben kann, sondern der Vater müsste zusätzlich die Flasche beim verräumen des Wagens nicht bemerkt haben, der Täter müsste ihm von ihm unbemnerkt die Flasche entwendet und ihn dann von hinten damit geschlagen haben und der Schenker/Müllablader müsste mittlerweise ins Ausland verzogen sein, so dass er die ganze Aufregung um die Tötung von Leon, die Anlage gegen den Vater und das Drama um die Flasch nicht mitbekommen hat, weshalb er es nicht aufklären konnte.