Mord an Khadidja O. (23) - der "Doppelgängerinnen-Mord" von Ingolstadt
06.09.2024 um 00:41
Bericht 06.06.2024
Mit Spannung wurde erwartet, ob Sheqir sich zu einer Aussage bereit erklärt. Als der Vorsitzende sich erkundigt, verliest Verteidiger Bals eine Erklärung.
Er legt dar, dass das Recht auf Aussageverweigerung essenziell ist und vom BGH sowie Verfassungsgericht abgedeckt ist. In einem Prozess wie diesen, indem sich die Mitangeklagte teilweise einlässt, bedeutet ein Schweigen keine Zustimmung, die Kammer muss ihre eigenen Schlüsse bezüglich des Wahrheitsgehalts solcher Aussagen ziehen.
„Heißt, er sagt nichts?“, fragt der Vorsitzende. Die Verteidiger stimmen amüsiert zu. Bals sagt, dass er mit der Erklärung voraus greifen wollte, falls ihn das Gericht oder andere Leute fragen.
Erster Zeuge des Tages war Rawans Vater Hassan N.
Der Rentner erklärt, dass er bei seiner Einreise nach Deutschland erfahren hat, dass sein Sohn eine Freundin hat. Am Anfang war er gegen die Beziehung, aber sein Sohn hat sich die Frau ausgesucht, so waren sie bereit bei der Familie von Schahraban um die Hand anzuhalten. Schahraban wollte anfangs unbedingt in die Familie integriert werden, es ist aber immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, da das Paar ihm und seiner Frau die Schuld an Streit in der Beziehung gab, so wurde der regelmäßige Kontakt zu beiden abgebrochen. Höchstens einmal im Monat für eine Stunde haben sie ihren Sohn dann gesehen.
Eines Tages kam er zu Ihnen und sagte, dass es vorbei ist. Sie hat ohne seine Zustimmung auswärts übernachtet und ihn körperlich attackiert. Seine Eltern wollten vor einer endgültigen Trennung, Schahraban über die Verpflichtungen als Ehefrau aufklären. Schahrabans Vater war für klärende Gespräche nicht offen, er wollte nur dass sie die Anzeige gegen ihre Tochter zurücknehmen.
Der Vorsitzende fragt, ob er die Familie bereits aus dem Irak kannte. Der Zeuge sagt, dass er den Clan kannte, aber nicht Ihre Familie. Der Oberhaupt von dem Verbund ist der Bruder von Schahrabans Vater.
Als der Zeuge in Köln weilte, bekam er einen Anruf eines Verwandten, dass Schahraban ermordet aufgefunden wurde und man seiner Familie die Schuld gibt. Er rief jeden aus seiner Verwandschaft an und sagte ihnen, sollte jemand was mit dem Tod zu tun haben, werden sie „Verantwortung für die nächsten 100 Jahre“ übernehmen.
Der Beisitzer fragt ihn, ob es Drohungen seitens der Familie der Angeklagten gab? Er sagt, dass ihr Vater während der Trennung gedroht hat, dass Leute aus seiner Familie sterben, wenn die Trennung vollzogen wird. „Solche sozialen Probleme gab es bisher bei uns nicht.“, sagt der Zeuge.
Die Beisitzerin fragt, wie das Verhältnis zwischen Diman und seiner Schwiegertochter war. Hassan sagt, dass Diman wie alle anfangs dagegen war, nach und nach war er aber dafür sie in die Familie einzugliedern.
Nun erhebt sich Schahrabans Vater und meldet sich. Der Vorsitzende sagt ihm eindringlich, dass er Zuhörer ist und ansonsten rausgehen muss. Der Vater will aber weiter intervenieren. „Gehen sie jetzt endlich raus!“, ruft ihm Dr. Makepeace zu. Dann geht er aus dem Saal. Da auch Azem oft über mangelhafte Übersetzung klagte, hatte es wahrscheinlich damit zu tun.
Der Zeuge führt weiter aus, dass Diman auch nicht an den Schlichtungstreffen beteiligt war.
Prof. Schlitz fragt nun, was es für eine jesidische Frau bedeutet, wenn sie auf die Art geschieden wird. „Eine Scheidung ist schlimm und eine Schande, aber von Gott akzeptiert.“, antwortet der Schwiegervater.
Auf die Frage, was er zur Familie Schahrabans sagen kann, meint der Zeuge, dass ihr Vater sie nicht unter Kontrolle hatte und sie nicht regelmäßig zur Schule gegangen ist. Sie hat „frei gelebt“ und „Unverschämtheiten“ gemacht. „Die Konsequenzen muss sie jetzt tragen.“
Was mit Unverschämtheiten gemeint ist? -„Sie geht immer alleine raus.“
Jamil Azem fragt den Zeugen, ob Diman oder er das Letzte Wort in der Familie haben. „Ich natürlich!“, sagt der Zeuge entgeistert.
Verteidiger Bals hält dem Angeklagten vor, dass er bei der Polizei gesagt hat, dass die Familie schon im Irak verbal gedroht hat. Wie das aussah. -„Es heißt man schenkt keine Blumen.“
Verteidiger Dr. Betz erklärt, dass es normal ist dass in einer Trennung schmutzige Wäsche gewaschen wird. Hier hat man es aber nicht mit einer strengen Auslegung des Islams zu tun. Man hat auch eine liberalere Haltung zur Scheidung, als die katholische Kirche. Die Antworten zeigen, dass Schahrabans Familie der liberale Part von beiden Familien ist.
Es folgt die Ehefrau des Zeugen.
Auch sie war mit der Beziehung anfangs nicht einverstanden, hat sich aber geschlagen gegeben. „Wir haben es nicht von ganzem Herzen akzeptiert, aber akzeptiert.“, erläutert sie.
Anfangs war das Verhältnis auch ganz gut, man hat sich regelmäßig besucht. Aber dann hat sie gehört, dass Rawan von Schahraban geschlagen wird. „Das war das Erste Mal dass ich gehört habe, dass ein Mann von einer Frau geschlagen wird.“
Ob es ein Nachteil für die Familien gewesen wäre, wenn man sich trennt. „Scheidung ist eine Sünde, aber keine Schande.“ In ihrer Familie hat sich bisher aber noch keiner scheiden lassen, so kann sie nicht mehr dazu sagen.
Als die Zeugin am 20.07.22 im Krankenhaus lag, bekam sie einen Anruf von Schahrabans Familie. Ihr wurde gedroht, dass man drei Leute aus ihrer Familie töten wird.
Als sie von der toten Schahraban hörte hat sie gezittert und sich gefragt, warum sie sich selbst getötet hat.
Der Beisitzer fragt, ob es heute noch Beschimpfungen seitens der Schwiegerfamilie gibt. Die Zeugin schildert, dass vor ihrer Aussage die Familie auf sie zugekommen ist und gesagt hat „Wir beten, dass der liebe Gott Diman sterben lässt!“ Sie hat gezittert und ist weggelaufen.
Auf das Gesagte murmelt die Mutter von Schahraban wütend. Makepeace rutscht den Stuhl runter und rollt resigniert mit den Augen.
Rawans Mutter erzählt, dass der Sohn ihr von der Schwangerschaft berichtet hat und sie sich sehr gefreut hat.
Nebenklagevertreterin Monja Szerafy fragt, ob eine Scheidung für den Einzelnen Probleme ergeben hätte. -„Nein, keine Konsequenzen.“
Prof. Schiltz will wissen, ob die Zeugin persönlich was gegen die Angeklagte hat. Sie meint, dass sie eigentlich kein schlechtes Verhältnis hatten, sie aber immer von Schahraban beschimpft wurde, sobald es Probleme gab.
Nach der Mittagspause will der Vorsitzende was über ein Telefonat wissen, wovon die Angeklagte unterrichtet wurde. Schahraban erzählt, dass eine Freundin gesagt hat, dass Dilman ihr gegenüber gedroht hat, er werde Schahraban „liquidieren“ und aus dem Weg räumen. Er habe auch generell „blöde Sachen“ zu ihr gesagt.
Gestützt von seiner Frau betritt der Streitschlichter Reskan M. den Sitzungssaal. Er ist schwer erkrankt und lag ein paar Wochen im Koma. Als Schahraban ihn sieht, schaut sie mitleidig.
Der Zeuge erzählt, dass er ein bekannter Mann in der Jesidischen Gemeinde ist und schon eine Urkunde für Streitschlichtungen bekommen hat. Er wollte in der Sache was gutes Tun und hat mit 20 Leuten ein Treffen abgehalten. Nach einiger Zeit ist das Paar Hand in Hand aus einen Raum gekommen und hat sich vertragen. 1-2 Tage später hat Rawan eine Nachricht geschickt, dass er die Scheidung will. Das reicht aber eigentlich nicht aus. Schahraban wollte unbedingt an der Ehe festhalten.
Über Scheidungen sagt er, dass es in der Gemeinde üblich ist, er es aber eher als schlecht empfindet. Es ist eine Schande, ähnlich wie Streiten oder eine Frau anmachen.
Nach dem Treffen ist Dilman zu ihm gekommen und hat gesagt, dass man einen Plan gegen ihn hätte. Reskan sagte, dass er damit zur Polizei sollte.
Es kommt nun der Vorsitzende der Jesidischen Gemeinde.
Auch er bestätigt, dass sich die beiden vertragen haben und die Nachricht von Rawan nicht ausreicht.
Bei einer offiziellen Scheidung müssen alle unter Zeugen ihr Einverständnis geben. Passiert das nicht, kommt es vor ein Schiedsgericht. Das hat der Zeuge aber noch nicht erlebt.
Am Tag des Schlichtungstreffens war Diman nicht anwesend. Der Zeuge erinnert sich aber, dass Schahraban weinend vor Glück aus dem Raum kam und gesagt hat „Mein Schwager Diman wird sich bei mir entschuldigen.“
Dr. Makepeace fragt, ob es Härtefälle für eine schnelle Scheidung gibt, z.B wenn der Mann die Frau schlägt oder andersrum. Wittmann interveniert und sagt, das sollte man auf wissenschaftliche Beine stellen. Daraufhin belehrt der Vorsitzende den Zeugen als Sachverständigen. Mit so einer Frage musste sich der Zeuge jedoch noch nicht auseinandersetzen.
Der nächste Zeuge ist ein Verwandter von Schahraban.
Ihr Vater war am Abend des 16.8 bei ihm zuhause, da er dem Zeugen zum Tod der Mutter kondolieren wollte. Bald darauf ging der Vater wieder und sagte, er macht sich Sorgen um seine Tochter.
Ein paar Stunden später schickten die Eltern dem Zeugen ein Standort vom Auffindeort und baten ihn zu kommen. Vor Ort sah er die verdeckte Leiche und die weinenden Eltern, die sich an den Haaren zogen.
Der Richter fragt den Zeugen, woher sie den Standort wussten. -„Sie haben ein Zeichen von Gott bekommen.“
Die Eltern und er verdächtigten die Familie von Rawan, da sie sich keinen anderen Täter vorstellen konnten. Der Zeuge berichtet auch, dass Rawan zu ihm gesagt hat, dass die Aussage über die Gewalttätigkeit von Schahraban „Nur Spaß“ war. Blutrache gäbe es aber unter Jesiden nicht.
Die Verteidiger der Angeklagten fragen, ob darüber gesprochen worden ist, wie es nach einer Scheidung weitergeht. Der Zeuge sagt, dass die Eltern ihr angeboten haben nach Hause zu kommen oder alleine eine Wohnung zu beziehen. Sie sagten „Egal was du machst wir unterstützen dich.“ Er habe generell noch nie Eltern erlebt, die ihre Tochter so lieben. Auch die Geschwister haben sich geliebt.
RA Bals hält dem Zeugen vor, dass er bei der Polizei gesagt hat, dass der Vater ihn um 22 Uhr angerufen hat. Der Vernehmungsbeamte stellte fest, dass es einen Anruf um 19:30 und einen um 23:21 gegeben hat. Der Zeuge sagt, es ist zu lange her.
Hat der Vater gesagt, eine Frau liegt umgebracht im Auto oder seine Tochter? „Er hat gesagt, da liegt eine Frau tot im Auto und man versucht die Scheiben einzuschlagen.“
Wie man sich das göttliche Zeichen vorstellen muss? Der Zeuge hat den Vater gefragt, wie sie die Tochter gefunden haben. Sie sagten ihm „Gott hat uns das gesagt.“
Ob man das auch mit Bauchgefühl beschreiben kann?
Der Zeuge bejaht.