Mord an Khadidja O. (23) - der "Doppelgängerinnen-Mord" von Ingolstadt
23.04.2024 um 00:20
Bericht vom 18.04.2024
Bevor die Verhandlung losging, konnte man die bereits im Thread Erwähnte Regina Rick durch die Gänge des Landgerichts laufen sehen. Sie kam dann auf mich zu und sagte „Du bist doch der fassbinder1925. Der schon in Traunstein so tolle Berichte geschrieben hat.“ Natürlich nicht! Aber sie hat freundlich zurück gelächelt. Laut Terminplan war sie in einer Berufungssache wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr beschäftigt.
In der Hauptverhandlung war erstmal der Psychologe Dr. Maximilian Wertz dran, um das testpsychologische Gutachten bezüglich Schahraban vorzutragen.
Er traf sich zweimal mit ihr in Stadelheim, insgesamt für fast neun Stunden.
Der Sachverständige fragte sie erstmal nach ihrem Befinden. Die Angeklagte sagte, dass es ihr soweit gut geht, aber sie durch die Haftsituation belastet ist. Sie sagte zu dem Psychologen „Ich habe viele Emotionen in mir.“ Sie hätte auch nie gedacht, dass sie nun so als „Teufel“ dargestellt wird. Sie ist aber nicht nervös gewesen und freute sich auf die Testung, da sie das Gefühl hat, dass es nun weitergeht.
Weiter sagte sie, dass sie den Prozess gar nicht erwarten kann. Denn so werden „die Welt und Gott“ erfahren, dass sie unschuldig ist. Sie geht auch fest von einem Freispruch aus.
Auch schilderte sie, dass es keine größeren Streitereien zwischen der Familie ihres EX-Mannes und ihrer gegeben hat. Die Frauen die sie auf Instagram kontaktiert haben soll sehen ihr „null ähnlich.“ Ohnehin ist es so, dass Sheqir über ihr Instagram Frauen gesucht hat und sie glaubt, dass ihr Handy von Marcello oder dem Angeklagten gehackt wurde. Marcello ist in sie verliebt gewesen, sie fühlte sich auch wohl bei ihm, für was Ernstes kam er aber nicht in Frage. Sie selbst gibt eine Affäre mit dem Zeugen Yakup Ö. an, dies ist aber das Einzig außereheliche Abenteuer bei ihr gewesen. Ihr Mann Rawan hat sie aber ständig betrogen.
Von Sheqir sei sie oft unter Druck gesetzt worden. Er hätte ihr Angst gemacht und erzählt, dass er schon mehrere Leute umgebracht hat, darunter seinen Vater. Er hat sie ständig zu verschiedenen Fahrten gezwungen und hätte am Ende dieser Fahrten sich immer mit einem „Und jetzt verpiss dich!“ verabschiedet. Sie gab an, dass Sheqir zu ihr sagte, dass er sie jetzt Anschaffen schicken wird und dem wäre sie auch bereit gewesen sich zu fügen.
Sich Hilfe bei der Ingolstädter Polizei zu suchen, hat sie nicht gewagt, da Schahraban die Befürchtung hatte, dass die mit den Leuten dort unter einer Decke stecken, weil sie zusammen aufgewachsen sind.
Auch am Tattag hätte sie Sheqir für eine Fahrt bestellt und sie gezwungen den Kanister zu kaufen. Er hat sie gelotst und hätte immer von einer Sache gesprochen, die geholt werden muss, weshalb sie nicht von einem Menschen ausgegangen ist. Während der Fahrt hätte Sheqir einen Joint geraucht und sie bespuckt.
Bei Heilbronn angekommen, ist eine Frau eingestiegen, mit der Sheqir sehr vertraut gewirkt hat. Er bedeutete dann der Angeklagten anzuhalten, da er austreten muss. Ohne dass Schahraban einen Streit registriert hat, sei dann Sheqir an die Frau herangetreten und hätte ihr mindestens 20 Mal mit einem Schlagring auf den Kopf geschlagen. Sie sagt dann, dass sie den Angeklagten weggeschubst hat, dieser sie dann aber mit dem Schlagring bedroht hat.
Als nächstes hat man dann auf einem Supermarkt angehalten. Was Sheqir dann mit der Frau gemacht hat, konnte sie durch die abgedunkelten Scheiben nicht erkennen, es sah aber wie eine Vergewaltigung für sie aus. Er ist dann auch mit blutigen Flecken auf dem Oberteil zurückgekommen.
Sheqir soll sie dann gezwungen haben, das Auto mit der Toten vor seiner Wohnung abzustelle, warum weiß sie nicht. Er sperrte sie dann in der Wohnung ein, wo sie Stimmen von mehreren Leuten in der Wohnung selbst hörte, diese haben ihr aber nicht geholfen.
Als Nächstes, soll der Angeklagte sie gezwungen haben, sich mit seinen Freunden vor einem Hotel zu treffen. Von dort ist ihr dann die Flucht gelungen und sie hat Unterschlupf bei der Großmutter des Zeugen Ö. gefunden. Später in der Stadt ist sie dann auf Freunde des Angeklagten getroffen, die sie verfolgt haben und sie ist bei einer fremden Frau ins Auto geflüchtet, die sie ein Stück mitgenommen hat. Danach stieg sie wieder zu Ö. ins Auto und sitzt seither in U-Haft.
Zu ihrer Schullaufbahn gab sie auch Auskunft. So ist sie im Irak eingeschult worden und ist mit 8 Jahren in München auf die Grundschule gekommen. Von dort ist sie auf eine Hauptschule gewechselt, dort musste sie einmal die 6. Klasse wiederholen. Hierfür gab sie als Grund Faulheit und häufiges Schwänzen an. Von da an, hat sie sich aber mehr angestrengt und die Leistungen verbesserten sich. Nach dem Hauptschulabschluss hat sie sich gegen eine klassische Ausbildung entschieden, weil sie sehr ehrgeizig ist und schnell Geld verdienen wollte. So hat sie täglich 6 Stunden in einer Boutique gearbeitet und später auch wieder 6 Stunden in einem Kosmetiksalon. Danach wollte sie Rawan bei sich haben und sie war dort in Vollzeit. Nach der Trennung betrieb sie zwei Teststationen und sie wollte in München noch mehr aufmachen.
Ihren Lebensstil würde sie nicht als über ihre Verhältnisse beschreiben, aber sie fährt einen Mercedes und trägt gerne Markenklamotten. Einmal musste sie sich aber 6.000€ von ihren Eltern leihen. Mittlerweile geht sie von einem deutlichen Anstieg der Schulden aus, aber hofft es sind noch unter 50.000€
Sie wurde vom Psychologen auch auf ihre Vorstrafen angesprochen. So wurde zweimal wegen Ladendiebstahl ermittelt, wobei eins eingestellt wurde, weil man dort auf Video sieht, dass sie nicht ohne zu bezahlen gegangen ist. Die Attacke auf den Schwager ging nicht von ihr aus, sondern sie wurde von einem Cousin ihres Bruders wegen Bildern erpresst und der hat sie zur Tat genötigt, andernfalls wäre Rawan verletzt worden. Warum dieser was gegen den Schwager hatte, weiß sie nicht. Körperliche Übergriffe auf den Ehemann hätte es nicht gegeben und sie hat auch niemand nach Waffen oder Ausweisen gefragt.
Alkohol trinkt sie alle 3-4 Monate und gekifft hat sie einmal im Leben.
Beim zweiten Gespräch zeigte sie sich auch offen und überangepasst. Das äußerte sich darin, dass sie den Psychologen nach seinem Befinden fragte. Auch war sie da etwas belastet, weil sie davor als Streitschlichterin in ihrer Zelle fungieren musste.
Sie wurde dann auf ihr logisches Denken und die sprachliche Intelligenz getestet, wobei letzteres wegen ihrem Umzug angepasst wurde. Dort kamen Werte von 89 und 86 raus. Dies ist noch im unteren Durchschnittsbereich.
Auch ein Persönlichkeitstest wurde angewandt. Dort gibt sie ein offenes, selbstloses, uneitles, fleißiges und selbstloses Bild ab.
Auch kamen unterdurchschnittliche Werte für Psychopathie raus und keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung oder Akzentuierung. Auch ist die Aggressivität unterdurchschnittlich ausgeprägt.
Es ergaben sich aber auch Hinweise drauf, dass der Test unterdurchschnittlich offen beantwortet wurde. So bejahte Schahraban die Fragen „Ich bin noch nie bei Rot über die Ampel“, Ich habe noch nie über einen schmutzigen Witz gelacht“, „Ich habe keine negativen Eigenschaften“ und „Ich war noch nie von einem Menschen gereizt.“
Richter Kliegl fragt nun, ob er das richtig verstanden hat, dass es keine Hinweise auf Psychopathie, Persönlichkeitsstörungen und Aggressivität gibt. Der Sachverständige bejaht das , betont aber dass das keine Fremdeinschätzung von ihm ist, sondern wie sich die Probandin sieht.
Ob man die Simulationsversuche an einem gewissen Grad festmachen kann? Der Psychologe sagt, dass bei dem Test über die Psychopathie ein Wert von 40-60 durchschnittlich sind, während bei Schahraban ein Wert von 29 rauskommt.
Die Beisitzerin sagt, dass der Gutachter vorhin noch nicht erwähnt hat, wer den Kanister verfüllt haben soll. Dr. Wertz sagt, dass die Angeklagte seines Wissens immer gesagt hat, dass Sheqir ihn aufgefüllt hat.
Dr. Makepeace fragt, ob es mit seiner Mandantin einen Testdurchlauf gab. Der Gutachter antwortet, dass es Musterbeispiele gibt.
Wie sich der Test bei niedriger Ausprägung von Psychopathie verhält? Diese ist durch den Test schwer zu erfassen.
Der Anwalt fragt nach dem Ziel dieses Testverfahrens. Ob es nur ist wie die Person sich selbst einschätzt? Der Psychologe bejaht. Das soll in erster Linie dafür da sein. Das ins Gesamtbild einzubetten ist dann Aufgabe des Psychiaters.
Dr. Betz fragt, ob die Manipulation mit der Intelligenz korreliert, besonders bei diesem Test. Der Gutachter sagt, dass ihm da nichts bekannt wäre. Und grundsätzlich braucht es zur Manipulation soziale Intelligenz.
Nun bitten die Verteidiger um Unterbrechung.
Dann verkündet Makepeace, dass der Test aus seiner Sicht gegen das Täuschungsverbot verstößt. Der Test fungiert unter dem Mantel der Selbsteinschätzung, dabei zielen einzelne Items auf Schlüsse über die Persönlichkeit. Er zitiert dazu den BGH „Was dem Richter verwehrt ist, ist auch dem Gehilfen verwehrt.“ Ein Gutachter ist Gehilfe des Richters.
Dr. Betz ergänzt, die kriminalistische List der Polizei ist erlaubt, aber im Rahmen wissenschaftlicher Tests geht das nicht. Was anderes wäre es wenn es darum geht der Person zu helfen, aber im Strafverfahren ist das unstatthaft.
Der Vorsitzende blickt zu Staatsanwältin Dirnberger. Diese sagt „Ich trete natürlich entgegen.“ Nur weil sich in diesem Fall Simulationen herausgestellt hätten, heißt das nicht das getäuscht wurde.
Wittmann sagt, dass das Teilgutachten verwendet werden kann. Außerdem ist es ja auch für den Probanden nicht gut, wenn er sich anders darstellt, als er in Wirklichkeit ist. Außerdem verlangt die StPO eine absichtliche Täuschung.
Nun setzt Betz nochmal zu einer generellen Erklärung an. Die Einlassungen die seine Mandantin bei der Begutachtung bezüglich der Tat gemacht hat, sind konstant. Sie hatte damals auch noch keine Akteneinsicht.
„Ja, aber nur im absoluten Kernbereich.“, erwidert die Staatsanwältin. So sagt sie, dass die Angeklagte bei ihm gleich von 20 Schlägen auf den Kopf berichtet hat.
Verteidiger Bals stimmt begeistert zu. Weiter findet er es interessant, dass Marcello immer behauptet hat, er wollte die Angeklagte nur ausnutzen. Auch hat dieser nichts von Prostitution berichtet.
Soweit das Gutachten.
Nun ging es mit dem Zeugen Yunus E. weiter.
Dieser ging mit Sheqir in eine Klasse. Er kann über ihn nichts schlechtes sagen. Er war ein ruhiger und guter Junge und Freund.
Am 16.8 war er um 23 Uhr mit seinem Bruder und Yusuf D. Fußball spielen an der Saturn-Arena. Sie sahen eine Menge Einsatzkräfte. So riefen sie den Baris B. dazu. Auf Höhe der Sparkasse trafen sie auf Sheqir. Dieser fragte Yunus, der mit einem Motorroller unterwegs war, ob er kurz vor seinem Block fahren könnte. Das machte er. Er sah unmengen an Polizei und Krankenwagen. Er fuhr zurück und sagte es Sheqir und fragte ihn, ob er was damit zutun hatte. Dieser verneinte und wirkte nicht weiter auffällig.
Später hat er von Yusuf erfahren, dass Sheqir zu diesem was mit Mord bzw. irgendwas was man nicht tun sollte, gesagt haben soll. Auf Vorhalt, ob er mal was von „Abstechen“ und „Schlagring“ gesagt hat, war er sich nicht sicher.
Um 3 Uhr sah Yunus vor dem Oldtimerhotel Schahraban und Marcello. Auf die Frage, ob die was hatten, sagte er, dass er diese nur vom Sehen kannte und es nicht sagen kann. Marcello hat aber laut seinem Eindruck etwas sauer gewirkt. Dass Schahraban was mit dem Mord zu tun hat, war vor dem Oldtimer kein Thema, sie hat sich auch normal verhalten und nicht geschrien oder geweint. Bei Sheqir hat er es erfahren als dieser festgenommen wurde, konnte es sich aber nicht vorstellen, weil man ihm das nicht zutraut.
Warum er vor dem Oldtimerhotel war, will Dr. Makepeace wissen. -Das ist generell ein Treffpunkt für junge Leute.
„Waren da Polizeiautos?“, fragt der Verteidiger. Staatsanwältin Dirnberger sagt, dass diese Wiederholungsfragen unnötig sind und sie ihn davor schon gewähren hat lassen.
Makepeace schlägt mit der Hand erzürnt auf den Tisch. Da habe ich kurz doppelt gesehen, aber war immerhin wach. „Es ist für uns was Neues! In den Akten, ob nun vollständig oder nicht, sei dahingestellt, steht es nicht.“ Yunus sagt, dass dort welche waren.
Yunus ist dann um 3:30 nach Hause und ist nochmal kurz an die Peisserstraße.
Nun war Mittagspause und Dr. Betz empfiehlt den Beteiligten für die Zeit den Münchner Kommentar zu Wiederholungsfragen.
Als nächstes war ein Polizist geladen, der die Angeklagte im Schub erst in die Rechtsmedizin und dann nach Stadelheim fahren sollte. Die Fahrt war unspektakulär und es wurde kaum gesprochen.
Bei der Rechtsmedizin wurden sie von einer Ärztin in Empfang genommen und die Angeklagte fing zu Murmeln an, dass sie mit der Sache nichts zu tun hat. Der Polizist sagte, dass sie das den Ermittlern sagen soll. Schahraban entgegnete, dass sie das schon gemacht hat, aber sie es loswerden wollte.
In der Zwischenzeit, wurde auch Sheqir angeliefert. Schahraban wurde nervös und sagte, dass dieser während der Tat brutal gehandelt hat. Man hat aber drauf geachtet, dass sie sich räumlich nicht begegnen. Dass sie ihn aber kurz gesehen hat, kann der Polizist nicht ausschließen. Sie hat diesem dann auch erzählt, dass sie in Ingolstadt von mehreren Leuten in einer Wohnung festgehalten wurde.
Die nächsten Zeugen waren ein Spurensicherer und jemand vom Kriminaldauerdienst. Sie wurden zur Peisserstraße gerufen und warfen ein kurzen Blick auf die Leiche. Sie erkannten multiple Stichverletzungen im Gesicht, Hand und Hals.
Die Eltern haben sie wahrgenommen. Sie waren mit einem Bruder und Bekannten da. Sie sollten mit dem KIT weggebracht werden, jedoch schrien sie und stiegen immer wieder aus dem Auto.
Der Letzte Zeuge des Tages war Baris B.
Dieser war schon mal da und gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung, da er das Handy von Sheqir in der Donau entsorgt haben soll. Damals wurde seine Vernehmung unterbrochen, weil er die Frage verweigerte, ob er V-Mann ist.
Baris kam in feinen Zwirn und mit Rollkoffer. So hielt in das Publikum teilweise für seinen eigenen Rechtsbeistand.
„Sind sie V-Mann?“ fragt der Richter. Der Zeuge verneint, weder von der Staatsanwaltschaft noch der Polizei.
Der Vorsitzende belehrt ihn, dass er die Aussage verweigern darf, da gegen ihn Ermittelt wird. „Ich will helfen die Sache aufzuklären.“, sagt er.
Er räumt ein, dass er das Handy entsorgt hat. Dies war ein Fehler, aber er war unter Druck. Er hat der Polizei angeboten, dass sie ihm einen Taucheranzug besorgen und dann wird er es finden. „Das haben sie aber abgelehnt.“, sagt der Zeuge.
Nach kurzer Zeit war seine Aussage schon wieder beendet.