Mord an Khadidja O. (23) - der "Doppelgängerinnen-Mord" von Ingolstadt
15.04.2024 um 23:13
Bericht vom 21.03.2024
Schon beim Ankommen am Gericht, konnte man den Ex-Mann Rawan sehen, der beim Betreten des Gebäudes beständig von einem Kamerateam gefilmt wurde.
An diesem Tag, war als zusätzlicher Sitzungsvertreter für die Staatsanwaltschaft, der Gruppenleiter Metz anwesend. Als die Angeklagten, wie schon oft davor, mit deutlicher Verspätung reingebracht wurden, fragte er, was der Grund dafür ist. Als er erfuhr, dass um eine Raucherpause gebeten wurde fragte er energisch, ob man gedenkt, dagegen Maßnahmen zu ergreifen. Makepeace wehrte sich und verlangte, dass der Transport von der JVA früher starten soll.
Alexander Stevens machte das Gericht auf das begleitende Kamerateam aufmerksam und regte an, das nachgehakt wird, was es damit auf sich hat.
Nun wurde Rawan reingerufen. Der Vorsitzende fragt ihn, ob er von einem Filmteam begleitet wird. Rawan bejaht das, er will seine Geschichte mit der Angeklagten von Anfang bis Ende erzählen und arbeitet mit einer Augsburger Produktionsfirma zusammen, die einen fast identisch lautenden Namen wie einer der Verteidiger trägt, was das Publikum amüsiert.
Der Vorsitzende bittet ihn nun zu schildern, wie er die Angeklagte kennengelernt hat. Rawan berichtet, dass er Schahraban im Herbst 2015 kennengelernt hat und sie bald darauf ein Paar wurden. Einige Monate später trafen sie in der U-Bahn Station Untersbergstraße einen Bekannten der Familie von Schahraban. Als die Angeklagte ihn erblickte bat sie Rawan „Renn! Bitte Renn einfach weg!“ Der Zeuge erklärte aber, dass er nicht daran dachte, da er kein Mensch ist der wegläuft. Der Mann, Masud hieß er, kam auf Rawan zu und sagte „Du hast mit ihrer Ehre gespielt!“ Schahraban flehte ihren Freund weiter an die Situation zu verlassen, dem kam er nach. Jedoch verfolgte der Bekannte ihn und sie landeten auf einem Hausdach. Da zog Masud ein Messer und verlangte Rawans Handy. Dieser händigte es ihm aus, hatte aber Angst, da dort Fotos von ihm und der Angeklagten drauf sind, diese sind zwar nicht intim, aber persönlich. Auch waren dort seine Zeichnungen für die Meisterschule gespeichert.
Anschließend wurde er mit den Bildern erpresst. Er schaltete seine Familie ein und bekam es nach drei Monaten wieder ausgehändigt. Auch Rawans Eltern waren nicht begeistert mit einer Beziehung zu der Angeklagten. „Liebe führt zu Problemen. Haben sie immer gesagt.“, erinnert sich der Zeuge.
Rawan war in der Folgezeit auch nur noch selten in München, da seine Meisterschule in Weiden war. Dort hat er einen Kollegen kennenlernt, der ihm einen Job in einem Ingolstädter Salon in der Münchner Straße beschafft hat. Das kam dem Zeugen recht, da er das Gefühl hatte in München schon alles erreicht zu haben, auch wollte er sich nicht mehr mit Schahraban verstecken. Da ihm Ingolstadt auch gefallen hat, machte er sich auf Wohnungssuche. Diese gestaltete sich erst schwierig, Rawan denkt, es daran lag, dass er nicht bei Audi arbeitet. Jedoch bekam er den Zuschlag für eine Wohnung in der Geisenfelderstraße.
Davor wurde aber noch in Augsburg die Verlobungsfeuer gefeiert. „Es war sehr schön. Sie trug ein Kleid und ich einen schönen Anzug.“, berichtet Rawan. Auch die Eltern der beiden haben sich vertragen. "Was vergangen ist vergangen.“ Die Verlobten fuhren dann von Augsburg nach Ingolstadt und waren glücklich und befreit.
Der Zeuge trat seine Stelle an und Schahraban fing bei Michael Kors im Village an. Jedoch verlief die Bezahlung durch den Salon schleppend, der Zeuge musste oft auf sein Gehalt warten. Schahraban schlug ihm dann vor, was eigenes aufzumachen. Sie sahen dann ein Objekt in Pförring. Rawan war erst skeptisch "Das ist ein Dorf, da kann man doch keinen Salon aufmachen.“, jedoch schlugen sie dann zu. Ein Salon mit seinem Namen, war der lang gehegte Traum des Zeugen. Er schnitt Haare und Schahraban schminkte und kümmerte sich um die Buchhaltung.
„Hatten Sie das Geld damals für die Ablöse?“, fragt Richter Kliegl. Der Zeuge verneint, das Geld kam von Bruder Dilman und seinen Eltern. Da ein Großteil von seiner Familie selbstständig ist, wurde das gerne unterstützt.
Bereits drei Wochen nach der Verlobung kam es zum ersten Eklat. Nachdem Schahraban im Salon randaliert hat und Sachen auf dem Boden verteilt hat, verkündete ihr Rawan, dass er die Hochzeit abgesagt wird. Diese war für den Oktober im Martinssaal in Bobingen geplant. Sie entgegnete ihm, dass er sich das eh nicht traut. „Das wirst du schon sehen.“, erwiderte Rawan. Er rief dann Schahrabans Vater an und erklärte ihm, dass er seine Tochter nicht heiraten kann und der Vater seine Tochter abholen soll. Diese waren schockiert, aber das schüchterte den Zeugen nicht ein. Er wurde aber schwach als die Angeklagte weinend vor ihm kniete. Zwar wurde die Hochzeit tatsächlich abgesagt, er trennte sich aber nicht.
Das Gericht will nun wissen, wie sich die Beziehung in den Jahren 2020 und 2021 gestaltet hat. Rawan erklärt, dass das eine schwere Zeit war. Da Corona kam, geriet man in Verzug um Schulden zu begleichen, obwohl der Laden gut lief und beliebt war. Durch Zahlungen vom Staat konnte das aber abgefedert werden. Zu der Zeit wurde auch der Mercedes angeschafft, den der Zeuge als Grund für viele Probleme sieht. Die Angeklagte hat zu der Zeit den Führerschein bestanden und wollte, dass der Wagen auf sie angemeldet wird. Rawan war skeptisch, da er davor einen Opel fuhr und er eigentlich ein Angebot für eine C-Klasse hatte. Weil Schahraban aber der Meinung war, dass er darin wie ein Großvater aussieht, bestand sie auf den Coupe. Dieser wurde mit einer monatlichen Rate von 450€ finanziert. Von da an sei es ihr nur noch ums Image gegangen und sie wollte immer mit ihren zwei engen Freundinnen damit durch die Stadt fahren, konstatierte der Zeuge.
Die Beziehung ist weiterhin „toxisch“ verlaufen. Mal ging es zwei Wochen gut, dann wurde nur gestritten. Sie haben Urlaub an schönen Orten gemacht, was aber durch Streitereien verdorben wurde.
Rawan hat in der Zeit was von Schahraban erfahren, dass eigentlich sein Geheimnis bleiben sollte. Sie war schwanger. Der Zeuge war damit aber völlig überfordert und hatte Befürchtungen wegen dem Finanziellen und wollte nicht ungeplant Vater werden. Auch war er völlig überrascht, da er immer verhütet hat. Sie beschlossen es dann aber in einer Klinik beim Flughafen abzubrechen, dabei hat er aber keinen Druck ausgeübt. Sie mussten dafür aber viel behördliches erledigen, das Ultraschallbild wurde bis zum Schluss im Handschuhfach des Mercedes aufbewahrt.
Als Nächstes wollte Schahraban ein Lasergerat anschaffen. Rawan war dagegen, weil das Gerät 80.000 € kostet und er nicht davon ausging, dass die Leute in Pförring überhaupt wissen, was ein Laser ist. Er gab aber wieder nach und nahm eine Finanzierung auf und richtete seiner Verlobten einen kleinen Raum im Salon ein.
Der Richter will wissen, ob das Geschäft lief. Rawan antwortete, dass es nicht besonders gut ging, aber auch nicht schlecht. Teilweise hat sie mit einer Behandlung aber mehr umgesetzt, als er mit Haare schneiden.
Gegen Ende des Jahres, kam die Angeklagte auf die Idee mit der Coronatest-Station. Auch hier war Rawan skeptisch, weil sie so schon nicht hinterher kommt. Sie hat sich aber nicht beirren lassen. „Sie hat dann das türkische Ehepaar kennengelernt, sie sind mit ihr auf das Gesundheitsamt und haben ihr den Laptop besorgt, ich durfte aber nie zu ihnen mit. Da war es das nächste Schery-Business. Die Frau war die Hölle.“, sagt er.
In der Zeit fing Schahraban auch an über Nacht wegzubleiben und roch nach Anderen Männern. Auch hat sie ihm irgendwann die Wohnungsschlüssel abgenommen hat und er im Laden oder draußen schlafen musste. Er hat auch den Verdacht, dass Schahraban eine Affäre mit ihrem Schwager Shikri hatte.
Der Zeuge berichtet, dass er mit ihr im Sommer 2022 in einem türkischen Geschäft war. Als sie wieder zuhause waren, ging er unter die Dusche. Rawan kam danach raus und sie fingen wieder das Streiten an. Schahraban nahm ein Stück Seife und schlug es ihrem Freund gegen den Kopf, wobei sein Kopf dann in den Spiegel krachte. Rawan flüchtete sodann ins Bad und Schahraban lief ihm mit einem Messer hinterher. Der Zeuge sagte zur Angeklagten „Los stich zu! Bring es zu Ende!“ und hat sein letztes Gebet gemacht.
Rawan beschloss nun endgültig, dass er ein getrennter Mann ist. Er rief wieder beim Vater an, der sagte „Meine Tochter macht sowas nicht.“ Als er am nächsten Tag seinen Laden aufsperren wollte, war alles mitgenommen worden.
„Welche Rolle spielt jetzt eigentlich ihr Bruder Dilman in der Sache?“, fragt Kliegl. Rawan sagt, dass sich Dilman und Schahraban wieder vertragen hatten. Jahre Später gestand sie ihm, dass die Sache mit dem Elektroschocker passiert ist, weil sie Geld bei Dilman vermutet hat. „Ich habe für die Liebe meine Familie verraten. Ich wusste lange nicht wie die Tochter meines Bruders heißt.“, stellt der Zeuge verzweifelt fest.
Rawan erzählt, dass von ihm ein Schlichtungstreffen in Augsburg verlangt wurde. Der Zeuge willigte widerwillig ein, da er sich eigentlich auf deutsche Art trennen wollte. Er erinnerte sich an eine sehr gedrückte Stimmung und man muss vor 20 fremden Männern die Situation schildern. Diese verlangten von ihm, dass er sich nochmal mit Schahraban in einen Raum einsperren lässt.
Dort wollte Rawan nur eine Frage beantworten wissen, nämlich ob sie ihn betrogen hat. Der Richter will wissen, ob er eine Antwort bekommen hat. „Ein Nicken und ein Weinen, das sagt schon viel.“ Der Zeuge schickte eine Sprachnachricht an seine Schwiegerfamilie, dass ihre Tochter eine getrennte Frau ist und ging aus dem Raum. Dilman war bei dem Treffen nicht dabei und hätte auch keinen Einfluss darauf gehabt.
Ob Güter aufgeteilt werden musste nach Jesidischem Recht, wird gefragt. Rawan erzählt, dass er sich an Schahrabans heutigem Verteidiger Jamil Azem gewandt hat, er war der Einzige dem er noch vertraute. Er richtete ihm aus, dass die Angeklagte den Laser behalten kann und auch alles sonst was sie will. Er will nur vom Hals haben und beantragte über die Polizei eine einstweilige Verfügung.
Die Polizisten waren überrascht und sagten ihm süffisant, dass normalerweise südländische Frauen zu ihnen kommen um sich vor ihrem Mann zu schützen und jetzt ist es andersrum. Rawan sagte, dass es ihm deswegen auch sehr leid tut und er sich schämt.
Der Vorsitzende fragt, was er genau angezeigt hat und Rawan erzählt von verschiedenen Vorfällen.
Einmal wollte die Angeklagte ihn nötigen in das Auto zu steigen. Dabei sei sie wie eine verrückte über Feldwege gerast und hat versucht ihn zu überfahren. Er ist dann in seinen Laden geflüchtet,hatte einen Nervenzusammenbruch und schob einen Trauerfall vor um den Laden zu schließen. Er bekam auch Verfolgungsängste und rasierte sich Haare und Augenbrauen ab.
Ein Anderes Mal waren sie auf der Autobahn und Schahraban verspürte die Lust die Mutter des Zeugen zu beleidigen und forderte ihn auf sie anzurufen. Da Rawan dem nicht nachgekommen ist beschleunigte die Angeklagte stark. Er bekam nun Todesangst und bat seine Mutter es sich anzuhören. Auch Schläge mit der flachen Hand zeigte er an, diese sind auch nie wechselseitig gewesen, eine Frau zu schlagen ist gegen seinen Kodex.
Gegen die einstweilige Verfügung wurde auch verstoßen. So ist sie im Juli 2022 in seinem Laden aufgetaucht. Rawan rief die Polizei und ließ die Angeklagte fortschicken. Ein paar Minuten später ist sie dann wieder zum Laden.
Nun kommt das Gericht zu den Geschehnissen um den 16.8. und will wissen wie er von der Geschichte erfahren hat.
Er war gerade mit Freunden unterwegs, als ihn die Nachricht erreichte, dass seine Freundin ermordet aufgefunden worden ist. Der Zeuge bekam einen Schreianfall und wurde ohnmächtig. Es setzte auch ein epileptischer Anfall ein, der seinen Mund schäumen ließ, daraufhin kam er ins Krankenhaus. Als er Besuch bekam, erfuhr er von einem Facebookpost, der ihn als Mörder kennzeichnete und sein Gesicht zeigt. Ihm wurde gesagt, dass Schahrabans Familie seinen Kopf will und sein Heimatdorf im Irak von ihrem Dorf angegriffen werden sollte. Erst tauchte Rawan unter, aber entschied sich dann zur Polizei zu gehen. "Wenn es sich für was zu sterben lohnt, dann für die Wahrheit.“ Auf dem Revier erfuhr er, dass die Angeklagte lebt und verhaftet ist.
Der Beisitzer hält dem Zeugen nun Chats von Snapchat vor, wie er mit einer Frau Liebesbekundungen austauscht. Der Zeuge meint, dass ihm das gut getan hat, er aber schnell am Schreibstil gemerkt hat, dass Schahraban dahintersteckt.
Staatsanwältin Dirnberger fragt, ob er vor seiner Aussage bedroht wurde. Rawan geht mit den Augen die Zuschauerreihen ab. Dann sagt er, dass der Vater der Münchner Schwestern ihm gesagt hat, er soll die beiden raushalten, eine richtige Bedrohung ist das aber nicht gewesen.
Ob er von einem Ereignis am Tag nach der Verlobung berichten kann. Rawan sagt, dass er das immer „17 Stunden Ehe nennt.“ Er war gerade arbeiten als Schahraban ihn anrief und sie im Hintergrund eine Kundin reden hörte. Als er nach Hause gekommen ist, warf sie ihm vor ihn zu betrügen und warf die Verlobungsringe aus dem Fenster. Er machte das Gleiche. Später warf sie Gläser und Geschirr.
Staatsanwalt Metz will wissen, ob die Angeklagte Tabletten genommen hatte und er Angst vor ihr hatte. Rechtsanwalt Wittmann empört sich und fragt was der Quatsch soll, dass jeder hier ein Mikrofon benutzt, aber nicht der Staatsanwalt. „Versteht man mi ned, oder was?! “ ruft der Staatsanwalt. Wittmann verneint. „Guad. Wenn man mich ned versteht…“ und reißt energisch das Mikrofon zu sich. Rawan sagt, dass er zum Schluss schon Angst hatte.
Nun war Mittagspause. Vor dem Gebäude trafen weitere Familienmitglieder des Zeugen ein und mehrere Justizbeamte positionierten sich zum Schutz.
Nach der Pause fragte Nebenklagevertreterin Szerafy, warum seine Familie Bedenken über die Beziehung hatte. Rawan sagt, dass seine Familie Bedenken hatte, dass man mit ihrer nicht so gut über Probleme reden kann.
Szerafy sagt, dass sie jetzt zu einem Thema kommen muss, dass ihm vielleicht peinlich ist, sie versucht es aber so behutsam wie möglich zu machen. Ob er eine Erklärung dafür hat, dass die Verhütung schiefgegangen ist, obwohl er sich darum gekümmert hat. Die Angeklagte schaut entsetzt und schüttelt wütend den Kopf.Dr. Makepeace beanstandet die Frage, es genügt ein Blick in Wikipedia um zu wissen, dass es keine hundertprozentige Verhütungsmethode mehr gibt. Kliegl lässt die Frage zu. „Dann bin ich auf eine wissenschaftliche Erklärung gespannt.“, sagt der Anwalt süffisant. Rawan sagt, er hat keine wissenschaftliche Erklärung.
Wie die jesuitische Kultur zu Abtreibungen steht, fragt Szerafy. Rawan sagt, dass er sich mit niemandem abgestimmt hat und das mit sich ausgemacht hat.
Ob er eine Erklärung dafür hat, dass die beste Freundin der Angeklagten ihr Profilbild in das eines Mannes ändern sollte, wie sie aussagte. Er sagt, dass sie das schon mal gemacht hat und ihn damit testen wollte.
Sie hält ihm die Aussage des Yakup Ö. vor, der gesagt hat, dass die Angeklagte gesagt hat, ihr Mitbewohner Rawan ihr blaue Flecken zugefügt hat. Der Zeuge sagt er kennt den Herren nicht, aber er ist ihr gegenüber nie gewalttätig geworden. „Eine Frage, sie hat gesagt ich bin ein Mitbewohner?“, erkundigt sich der Zeuge. Szerafy nickt. „Oh ok.“, sagt Rawan und wirkt leicht überrascht.
Ob er die Bedrohungen gegen seine Familie konkretisieren kann? Er nimmt als Beispiel einen Onkel, der brav Döner verkauft und dann plötzlich in Gefahr ist. Er selbst wurde von Autos verfolgt. „Diese Großfamilien bedrohen Menschen.“
Nun wendet sich der Zeuge an Szerafy, er hätte auch an sie eine Frage. „Aber gerne.“, sagt diese. „Sie sind doch die Anwältin des Vaters des Opfers. Ich bedaure dass er heute nicht hier ist…“ Richter Kliegl rudert derweil wortlos und ungesehen mit den Armen. „…Ich würde ihm gerne in die Augen sehen und mich bei ihm entschuldigen und sagen wie Leid es mir tut.“ Der Richter sagt, dass Erklärungen als Zeuge eigentlich nicht vorgesehen sind.
Man muss sagen, dass Szerafy schon einen sehr guten Job als Nebenklage macht, habe ich das Gefühl. Sie ist sehr empathisch in der Befragung und auch besonnen im Umgang mit dem Umfeld der beiden Angeklagten. Nebenklagevertreter stechen zwar selten als Rachengel hervor, aber sie macht das schon locker. Vergisst aber hierbei ihre Aufgabe nicht.
Der Sachverständige Schiltz fragt, warum seine Familie schon vorher wusste, dass es schwierig ist mit der Familie der Angeklagten zu reden. Rawan sagt, dass die Jesiden nicht viele sind und man untereinander redet. Nicht dass die Familie schlecht ist, aber ihm wurde gesagt sie sind anders als seine Leute und es spielt Ehre eine große Rolle.
Ob es auch mal Momente gegeben hat, wo die Angeklagte sich untergeordnet hat und ihn spüren lassen hat, dass er der Mann im Haus ist. Der Zeuge sagt, dass sie meistens der Mann sein wollte aber er sich Gerichte wünschen durfte.
Weiter sagt Rawan, dass er glaubt, dass für sie die Scheidung schlimmer war. Für Jesiden ist es generell schlimm wenn man sich scheiden lässt, egal ob der Mann oder die Frau, weil Eltern dann Angst haben, dass der nächste Partner kein Jeside ist. Aber für Schahraban bedeutete die Ehe,dass jemand für sie sorgt und sie aus dem Kinderzimmer raus ist.
Dr. Makepeace will wissen, was er den Leuten beim Schlichtungstreffen erzählt hat, wie es gelaufen ist. Rawan erzählt, dass der Älteste hereinkam und deren Hände genommen hat und gesagt hat, jetzt ist alles gut. Aber Rawan sagte, dass es jetzt vorbei ist. Der Verteidiger hält vor, dass der Älteste ausgesagt hat, dass sie 100 Minuten in dem Raum waren und sich dann geküsst hätten. Rawan bestreitet, nur Schahraban sei ihm nachgelaufen und hätte geweint.
Ob der Zeuge auch mal auf die Angeklagte eifersüchtig war? Die Schwestern hätten ausgesagt, dass er sich an Barbesuchen gestört hat. „Nein, ich habe das immer unterstützt. Wieso sollte ich nicht ?“
Gab es auch mal Momente wo er aggressiv gegen Schery wurde? Rawan meint, der Anwalt muss das genauer konkretisieren. „Ich hätte jetzt gehofft es gibt keine.“, sagt Makepeace. Ist er generell schon mal gegen Frauen aggressiv geworden. Das verneint der Zeuge. Der Verteidiger hält ihm eine Sprachnachricht vor. Rawan schildert in der Nachricht, dass er Klamotten zum Altkleidercontainer getragen hat. Dort ist er auf eine „50-Jährige türkische Fotze“ getroffen. Mit der geriet er in Streit. Diese drohte mit ihrem Sohn der Polizist ist. Da sagte er, dass er den auch noch fertig machen würde. Auch ist er ohnehin auf der Flucht. „Worum geht es da?“, fragt Rawan. „Es geht um eine 50-Jährige Fotze.“, antwortet Makepeace. „Ich kann mich nicht erinnern.“
Alexander Stevens fragt Rawan, ob er Geld von der Produktionsfirma bekommt. Der Zeuge bejaht. „Dann habe ich keine weiteren Fragen.“, sagt Stevens schmunzelnd.
Verteidiger Bals fragte, warum er den Eindruck hat die Angeklagte ist psychisch krank. „Da rede ich seit heute Morgen darüber. Ich bräuchte dafür drei Sitzungen.
Dann wird Rawan entlassen.
Nun tritt Bruder Dilman in den Zeugenstand.
„Sie kennend die Angeklagte?“, fragt Kliegl. „Schon ein paar Mal gesehen.“, sagt der Zeuge.
Wann war das erste Mal? Der Zeuge sagt, dass er erstmal seine Jacke ausziehen muss, wenn er wirklich die ganze Geschichte erzählen soll.
Dilman erzählt, dass er sich im Juni 2017 allein in seiner Wohnung war. Seine Frau und Kinder waren schon außer Haus. Da klingelte es. Durch den Türspalt sah er eine Frau, die arabisch auf ihn wirkte. Er hatte schon gehört, dass Rawan eine Freundin hat und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie das ist. Sie wirkte so klein und zierlich, deshalb hatte er keinen Argwohn ihr gegenüber. Er bat sie rein für Kaffee und Kekse.
Schahraban fing sofort an sich über Rawan zu beklagen. Er würde Drogen nehmen und klauen. Mal sagt er, dass er sie liebe, dann sagt er wieder dass er das nicht tut. Außerdem will er sich umbringen.
Das kam dem Zeugen komisch vor, da er seinen Bruder als stark kennt und er sich nicht umbringen würde. Der Zeuge fühlte sich durch die Erzählungen unter Druck, er hatte das Gefühl, dass sie wollte, dass er seinen Bruder hasst.
Er riet der Angeklagten dann, dass sie seinen Bruder lassen soll, wenn er so schlimm ist und sie dann einen besseren Mann finden kann. Schahraban sagte aber, dass sie das nicht kann, weil sie ihn liebt. Er wird für Rawan einen Drogentest verlangen.
Nun verlangte sie nach einem Glas Wasser. Dilman wollte dem Wunsch nachkommen und drehte sich um. „Sie legte mir dann eine Pistole auf den Hinterkopf.“ Der Zeuge sah nur noch Feuer und hörte die Angeklagte schreien. „Jaaaaa!“, imitierte der Zeuge kreischend. „Es war wie in einem Horrorfilm.“, ergänzt er. Dann blieb Dilman für 15 Minuten bewusstlos liegen. Als er erwachte, dachte er an seine Frau und an die Kinder, er schleppte sich dann zu Tür. Durch den Spion sah er wieder die Angeklagte. Er schaltete die Aufnahmefunktion am Handy ein und fragte sie, warum sie das gemacht hat. „Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe. Bitte erzähle es niemanden!“, flehte die Angeklagte hysterisch weinend. Er schwörte darauf. Als sie weg war, zog er sich an und informierte Dilman seine Eltern und die Polizei. Nach seiner Anzeige rief der Vater von Schahraban bei ihm an und fragte „Was ist mit dir und meiner Tochter?“ Er hat beschimpft und gedroht. „Die kennen nur Druck.“ sagt Dilman.
Es war ja wohl ein Elektroschocker und keine Pistole, sagt der Richter. Ob der Zeuge äußerlich verletzt war? Nein das war er wohl nicht.
Was der Sinn dieser Aktion war will der Richter wissen. „Sie sind der Richter. Sie stellen Gerechtigkeit auf die Welt. Fragen Sie sie.“ Das Publikum und Sheqir lachen herzhaft.
Dilman sagt, dass er seine Mutter vor der Famiie gewarnt hat. Er hat gehört, dass die Familie nur Erpressung und Gewalt kennen. Von einem Mitglied des „Clans“ ist ihm mal in der U-Bahn der Finger gebrochen worden, damit kämpft er noch heute. Rawan hat er aber nicht darauf angesprochen, da er sich nicht einmischen wollte. Er war auch bei der Hochzeit aus Solidarität mit seinem Bruder war aber nicht besonders ausgelassen. Auch wollte er sie wegen dem Vorfall nicht gleich verdammen, weil man als junger Mensch mal einen Fehler macht.
Die Einstellung änderte sich aber als die Angeklagte ein Foto von dem Handy seiner Schwester geklaut hat.
Der Richter hält ihm vor, dass laut ihm 4 Jahre kein Kontakt mit Schahraban zustande kam. „Es waren eher 4 Monate. Man sagt bei uns automatisch Jahre wenn etwas länger dauert. Er ist auch nicht beim Schlichtungstreffen gewesen und wollte damit nichts zu tun haben. Der Vorsitzende des jesidischen Zentralkomitees wollte beim Zeugen mit der Angeklagten vorbeikommen. Dilman drohte aber mit der Polizei sollte sie vor der Tür stehen.
Bei den Treffen in der jesidischen Gemeinde wurde oft über den Zeugen gesprochen. Die Anderen sagten man soll nicht über ihn reden solange er nicht da ist. Schahrabans Onkel soll gesagt haben, es gibt für ihn einen Plan man braucht nicht über ihn reden. „Jeder wusste es war ein Mordplan. Ich wusste irgendjemand stirbt. Wenn nicht ich dann meine Tochter. Schahraban macht was sie sagt.“
Das Gericht will nun wissen, wie er von der Toten Frau im Auto erfahren habe. Der Zeuge schildert, dass er mit der Familie in Paris war um sich eine Auszeit von der Angeklagten zu nehmen. Sein Schwager habe ihm dann von dem Vorfall erzählt. Er hätte die ganze Nacht geweint, gebetet und sich gefragt, warum sie so einen Druck hatte.
Von einer Schwangerschaft wusste der Zeuge nichts, er hat erst früher davon erfahren.
Staatsanwältin Dirnberger fragt den Zeugen, ob er jemals auf Rawan bezüglich der Beziehung eingewirkt hat. „Nie, Nie, Nie!“, war die Antwort.
NKV Szerafy fragt was es genau mit der Familie auf sich hat. Der Zeuge hat davon gehört, dass sie auch in der Heimat Probleme mit Gewalt haben. Aber nicht so schlimme Sachen wie Tötungen.
Ob er mitentscheidet wer in der Familie heiratet? Das entscheidet jeder für sich selbst. Ihn könnte auch nichts von seiner Frau trennen.
Dr. Schlitz fragte nochmal nach dem Motiv für die Sache mit dem Elektroschocker. „Ich weiß das nicht. Wen soll ich fragen, meine Mama oder meinen Papa?“
Schlitz fragt, die Angeklagte hätte nach der Tat geweint? „Ich wusste das war kein echtes Weinen. Das Erste als sie kam war echt. Das Zweite nicht.“
Makepeace fragt, ob er die Familie schon vor dem Besuch kannte. Dilman sagte, er kannte die Eltern nicht. Nur den erweiterten Clan.
Ob er eine bestimmte Anwaltskanzlei kennt und dort Akteneinsicht beantragt hat. Das verneint der Zeuge. „Dann hoffe ich, dass sie nichts bezahlt haben, sagt der Anwalt.
Dann wird auch der Schwager entlassen.
Makepeace regt an nochmal die Zeugen Marcello und Bünyamin zu hören. Da sie berichten sollen, wann sie von Sheqirs „Todesliste“ erfahren haben.