cododerdritte schrieb:Das ganze Umfeld und Leben dieser Menschen ist so von Gewalt, Bedrohung und Manipulation geprägt. Für einen "Kleinbürger" wie mich ist das unvorstellbar, so zu leben.
Hm, ich kann schon nachvollziehen, weshalb das vielleicht so wirkt. Trotzdem sehe ich da schon große Unterschiede im uns bekannten Umfeld der Tat. Ein Umfeld das keineswegs nur von Gewalt, Bedrohung und Manipulation geprägt ist (nach allem was wir wissen).
Da ist Sheqirs Mutter, die sich (alleine? vom Vater war zumindest bisher nicht die Rede) um ihre beiden Kinder kümmert, von denen eines eine Behinderung hat. Sheqir unterstützt sie bei der Betreuung seines Bruders, wünscht sich (ehrlich erarbeitetes) Geld (weil das illegale Unglück bringt), damit die Mutter die Einkäufe nicht mehr schleppen muss.
Er erlernt einen handwerklichen Beruf, in dem er wohl aber zur Zeit der Tat nicht arbeitet. Er konsumiert Drogen, "schreit aber an der Tischtennisplatte nicht rum". Er bietet der Mutter seines besten Freundes Hilfe an, während dieser in der JVA ist. Er war früher übergewichtig und schüchtern, schloss sich in der Schule den "Mobbern" an, um nicht selbst Opfer zu werden. Er hält seine Freundschaften größtenteils seit Kinderzeiten aufrecht. Von Beziehungen zu Frauen ist nichts bekannt.
Im August 2022 begeht er mutmaßlich einen Mord. In der U-Haft beauftragt er mutmaßlich die Tötung mehrerer Zeugen, darunter die seines besten Freundes.
Freunde und Bekannte der beiden Angeklagten gehen gerne feiern, treffen sich auf Parkplätzen, sind teilweise in Ausbildung, konsumieren teilweise Drogen. Verfolgen mutmaßliche Mörder, um sie der Polizei zu übergeben und kontaktieren die Polizei, als sie von einem Verbrechen erfahren und arbeiten aktiv mit den Ermittlungsbehörden zusammen - auch wenn es um ihnen nahestehende Personen geht.
Einige von ihnen lassen sich manipulieren. Einige von ihnen werden ausfällig und spielen ggbfs. eigene Anteile herunter. Einige von ihnen zerbrechen psychisch an der Tat.
Der Ex-Ehemann der Angeklagten zeigte sich eifersüchtig, nachdem er Affären mit anderen Männern inkl. Schwangerschaft vermutete. Auf die gewaltsamen Ausbrüche seiner Partnerin reagierte er, indem er sich Hilfe bei der Polizei suchte und sich trennte.
Ich will damit niemanden in Schutz nehmen sondern nur aufzeigen, dass es hier nicht "das" Umfeld gibt, welches ausschließlich von Gewalt, Bedrohung und Manipulation geprägt ist.
Am ehesten trifft dies noch auf all die Punkte zu, die bisher über die Angeklagte bekannt sind. Hier fände ich es interessant zu wissen, in welcher Umfeld sie sozialisiert wurde und ob ihre bedenklichen Lösungsstrategien dort einen Ursprung haben - oder nicht.
cododerdritte schrieb:Allerdings ist das wahre Motiv für mich immer noch unklar.
Das stimmt. Ich bin gespannt, ob der Prozess dahingehend noch Aufklärung erzielen kann.
Tritonus schrieb:... und gleichzeitig von einer im 21. Jh. schwer nachvollziehbaren Spießermoral, nach der Scheidung unter Todesstrafe steht und eine verheiratete Frau keine Fotos von sich auf Instagram posten darf.
Sind das konkrete Informationen zum Fall? Oder ist das eher eine allgemeine Zuschreibung?
Tritonus schrieb:Überhaupt scheint dieses ganze Umfeld von erschreckend viel Dummheit geprägt.
Auch hier kann man glaube ich noch deutlicher differenzieren. Gleichzeitig impliziert für mich "Dummheit", dass der Mensch es nicht besser wissen konnte.
Das trifft meiner Meinung nach hier nicht zu. Nach allem was bisher bekannt ist, kann man den meisten der handelnden Personen in diesem Fall durchaus zutrauen, dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, auch eine andere Entscheidung zu treffen.