Einige hier gehen sehr emotional an das Thema heran (wohl aus persönlicher Erfahrung) und lesen Dinge in meinen Beiträgen, die so nicht darinstehen und die ich auch explizit vorab so negiert hatte, zum Beispiel eine wie auch immer geartete "Schuld" Gabby Petitos an ihrem Tod. Allerdings sind "Schuld" und "Auslöser" zwei grundverschiedene Dinge, die ich hier immer wieder zu erklären versuche, und in diesem Kontext muss es auch erlaubt sein, über etwaige aus unserer Sicht "unangenehme" Dinge zu sprechen, welche das Opfer an sich gehabt haben könnte (genauso natürlich selbstverständlich der potentielle Täter). Schweigen aus irgendwelchen falsch verstandenen Pietäts-, Gender- oder Sonstwasgründen führt zu einer einseitigen Sicht der Dinge, die der Diskussion nicht zuträglich ist. Will heißen: Ja, Gabby ist tot; ja, das ist schrecklich und hätte nicht passieren dürfen; ja, Brian ist höchstwahrscheinlich der Täter - aber es muss trotzdem erlaubt sein, auf eventuelle "negative" Wesenzüge oder Vorfälle beim Opfer hinzuweisen, sofern dies nicht spekulativ ist und in angemessenem Rahmen passiert.
ghita schrieb:Alle Achtung! Nach der "Hysterie", deren Bedeutung du bis heute nicht begriffen hast, wie aus deinen Erklärungsversuchen kürzlich zu lesen war, beglückst du uns mit einem weiteren frauenfeindlichen Begriff: "die klassische keifende Ehefrau" und dazu den (armen?) Mann "der auf Durchzug schaltet".
Weder "keifend" noch "Ehefrau" noch "hysterisch" sind per se frauenfeindliche Wörter. Können sie auch gar nicht sein, da ein Wort allein ohne Kontext gar nichts aussagt. Ich erkläre es Dir gerne nochmal: "hysterisch" bedeutet "nervös erregt, aufgeregt, aufgelöst", oft mit der Konnotation "in Tränen aufgelöst" oder "unbeherrscht weinend/schreiend". In diesem Sinne wird das Wort heute verwendet und das bedeutet es auch schon immer (wenn man von der wörtlichen Übersetzung aus dem Altgriechischen absieht). In der frühen Psychiatrie des 19. Jahrhunderts wurde es überwiegend auf weibliche Patientinnen angewendet, deren psychische Krankheiten bzw. die Symptome derselben man nicht anders erklären konnte als mit "hysterischen" (= aufgeregten) Zuständen. Auch das ist rein von der Wortbedeutung her nicht einmal falsch.
Wie das aber so ist mit schönen neuen Wörtern (s. "toxic") wurde das irgendwann zum geradezu inflationären Modewort, und jeder Mann mit einer einigermaßen emotionalen oder temperamentvollen Ehefrau sah sich plötzlich als Opfer eines "hysterischen" Drachens. Genau wie heute jedes Paar, das mal nicht Friede-Freude-Eierkuchen im Van sitzt, sofort eine toxische Beziehung, Traumabindungsstörung, oder sonstwas hat. Merke: Mit Fachbegriffen aus der Medizin, speziell der Psychiatrie sollte man als Laie durchaus vorsichtig umgehen
;)In diesem Zusammenhang ist die Verwendung des Wortes selbstredend abwertend, da gebe ich Dir Recht. Mittlerweile hat man sich aber in der Medizin von dem Begriff komplett distanziert ("Hysterie" als Krankheit gibt es nicht mehr). Assoziationen von "hysterisch" mit "weiblich" gibt es nur noch, weil unsere Gesellschaft lange Zeit so geprägt war, dass Männern eingeimpft wurde, Emotionen zu zeigen sei "unmännlich" während Frauen dies dagegen durften. Und so wurde eine Frau, die - aus Sicht eines Mannes - "zu viele" Emotionen zeigte, als "hysterisch" betitelt - in Ermangelung eines Wortes und in Unkenntnis der Wortbedeutung. Das ist aber nicht die Schuld von Frauen oder Männern, sondern einer Gesellschaft, die Worte verwendet, ohne genauer drüber nachzudenken, was man eigentlich ausdrücken will. Eine Frau, die ihrem Mann vielleicht lautstarke, aber berechtigte Vorhaltungen über [bitte einsetzen] macht, ist nicht hysterisch, aber eine, die Rotz und Wasser heult, zittert, kein Wort herausbringt, ist selbstverständich "aufgelöst" und "nervös erregt". Und ein Mann, der sowas tut, ist eben genauso hysterisch, nur kriegen wir das "Dank" gesellschaftlicher Normen selten zu sehen. Insofern ist "hysterisch" so wie ich es verwende völlig geschlechtsneutral zu verstehen, denn Wortbedeutungen wandeln sich auch - "gay" heißt nicht mehr
fröhlich, "geil" nicht mehr
lüstern, "Sympathie" verwendet man nicht mehr als "Mitgefühl" (im Englischen übrigens schon), und eine "Massenhysterie" ist auch keine Ansammlung frauenfeindlicher Menschen :P Deswegen bitte meine Verwendung des Wortes einfach als das verstehen, was es heißt.
Wobei ich anmerken möchte, dass ich es in meinem letzten Post auch überhaupt nicht verwendet habe, und künftig gerne "nervös erregt" schreibe, wenn dann einige User*innen besser schlafen können (sorry for irony).
Kaietan schrieb:Mal abgesehen davon, dass dieser "Klassiker" von einem etwas schrägen Rollenverständnis zeugt und hoffentlich NICHT 1% der Männer nach einem Streit ihre Frauen umbringen, ist doch wohl der springende Punkt, was läuft bei demjenigen so absolut nicht normal, der zu einer solch absoluten Minderheit gehört und seine Lebenspartnerin erwürgt (wenn wir mal unterstellen, dass ers war)? Dass Frauen "keifen" ist nach deiner Schilderung ja "klassisch", also normal.
Ja ok, "keifend" hätte ich womöglich in "" setzen sollen, mea culpa. Und dennoch sagt das nichts über mein eigenes Rollenverständnis aus, sondern bedient einfach gesellschaftliche Stereotypen, die so durchaus existieren, jeder Frauenrechtsbewegung und jedem Gendersternchen zum Trotz. Das sind teils jahrhundertealte Strukturen, die man nicht so einfach in den Köpfen aufbrechen kann.
In meinem Bekanntenkreis (30-40+) gibt es Kerls, die manchmal dermaßen beknackte generische "Ehefrauen-Witze" reißen, dass ich mich schon mehrmals zu der Frage genötigt sah, ob ihn denn jemand vor den Altar gezwungen hätte oder wieso er überhaupt noch mit dieser Frau zusammen ist, wenn die so schrecklich ist. Meistens ernte ich daraufhin dann dumme Gesichter und "Äh äh äh"-Antworten, weil einfach von Anfang an gar nicht daran gedacht wird, wie verletztend so ein gesellschaftlich akzeptiertes Lächerle für die - oft mit anwesende! - Partnerin sein kann. Und das sind Paare, da weiß ich, dass die sich eigentlich wirklich gern haben und auch super harmonieren, und trotzdem kann der Mann es sich im Kreise der anderen Testosteronträger einfach nicht verkneifen, so zu tun als stünde er komplett unter der Fuchtel und hätte überhaupt nichts zu sagen.
Im Bekanntenkreis meiner Eltern (60-70+) ist diese Konstellation keifende Ehefrau und genervter Mann tatsächlich geradezu klassisch - und bitte wieder bei den Wortbedeutungen bleiben. "Klassisch" heißt nicht "normal", sondern bezieht sich auf ein Beziehungsgefüge und eine Dynamik, welche von den Betroffenen sicher so als normal empfunden wird (sich solidarisierende Ehemänner am Stammtisch, die sich gegenseitig ihr Mitleid ob der Ehefrau, die wieder einmal über irgendetwas ningelt, kundtun). Das hat aber nichts mit "normal" = Regelfall = Sollzustand zu tun. Deswegen schreibe ich ja auch, dass diese Dynamik eine selbstgewählte ist, aus der man(n) auch manchmal gar nicht ausbrechen
möchte.
Warum kommt es denn überhaupt zu so etwas? Mal angenommen, die Frau in einer Partnerschaft beschwert sich beim Mann über eine bestimmte Verhaltensweise oder Angewohnheit von ihm. Vielleicht auch zum wiederholten Mal, vielleicht auch energisch ("Jetzt hast du schon wieder Dreck in den Van...!"). Der Mann empfindet das schon als "keifen", schaltet auf Durchzug, rollt die Augen - was wiederum die Frau zur Weißglut treibt und sie nur noch aufgeregter (hysterischer
:) ) werden lässt. (Das Ganze gibt es selbstverständlich auch in umgekehrter Konstellation oder zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, kein Zweifel).
Diesen Kreislauf könnte man easy durchbrechen, indem man(n) einfach mal zuhört und auf das Gesagte auch eingeht und frau auch nicht gleich mit vorwurfsvoller Stimme zu schimpfen anfängt - das Leben wär gleich einfacher, aber manche gefallen sich auch in der Rolle des armen, mißverstandenen Parts bzw. es ist halt auch ein Akt, aus so gewohnten Mustern auszubrechen.
Wieder: Das ist kein generelles Rollenverständnis und auch nicht meine Auffassung, wie eine Beziehung zu sein hat - es gibt auch keifende Männer oder was weiß ich - sondern einfach ein Fallbeispiel, das der Dynamik, welche ich hinter der Beziehung zwischen Gabby und Brian vermute, meiner Meinung nach nahekommt.
Abgesehen davon, ist es denn nicht auch
Kaietan schrieb: ein etwas schräges Rollenverständnis
wenn Gabby hier ständig als eine verhuschte, ängstliche Maus hingestellt wird, die schon seit Jahren unter Brians sadistischer Ader litt? Das ist genauso ein Klischee, nur umgekehrt.
ghita schrieb:Wow! Das beruhigt ungemein, dass - nach deiner Analyse? - nur 1% zum Mörder wird, weil man sich "grad geärgert" hat.
Da liest du wieder etwas, das ich so salopp nicht geschrieben habe.
Das 1% ist auch nicht statistisch bindend zu sehen, wahrscheinlich liegt die Quote der Männer, die aus einem Streit heraus zum Mörder werden, irgendwo bei unter 0,001% oder so, ich weiß es nicht. Mir gings lediglich um die Veranschaulichung der Dimensionen. Wenn man es so salpoo ausdrücken möchte, wie du es liest, würde es heißen: gestritten wird halt viel, aber gemordet eher selten.
Kaietan schrieb:Was also stimmte bei diesem Mann nicht?
Ja, DAS ist die große Preisfrage, auf deren Beantwortung wir wohl alle hoffen.
Kaietan schrieb:Kann der überhaupt im Vorfeld völlig normal gewesen sein und hat sich dann eines Morgens einfach gesagt "Och bis gestern war ich ein total normaler Typ, aber heute reichts mir und ich erwürge meine Lebenspartnerin, und starte eine spktakuläre Flucht quer durch den Kontinent und danach nochmal vor einem massiven Einsatz der Polizeikräfte"?
Naja, so jetzt sicherlich nicht. Das würde ja doch wieder auf eine bewußt geplante Tat deuten. Aber die grundsätzliche Frage, ob jemand, dem so die Sicherungen durchbrennen können*, tatsächlich vorher völlig normal war, ist in der Tat eine, die sich zu stellen lohnt, auf die ich aber auch keine Antwort weiß.
*Wenn wir mal davon ausgehen, dass es so war und er eben nicht der planende Mörder ist, der nur auf Gelegenheit wartet.
Kaietan schrieb:Ja wohl hoffentlich nicht, denn sonst schwebt jede Partnerin oder Ehefrau in Lebensgefahr. Beunruhigende Vorstellung!
Das ist aber wohl leider tatsächlich so. Immer wieder sagen ja auch Ermittler, dass die größte Gefahr für eine Frau nicht der im dunklen Wald lauernde Buschmann ist, sondern der eigene Partner. Schlimm genug
:(