Papaya64 schrieb:Abschließend möchte ich zum hoffentlich letzten Mal festhalten, dass ich in diesem Fall nicht an die Unschuld Gs glaube, den angeblichen Mord allerdings für unbewiesen halte
Das ist der springende Punkt. Auch Andere in diesem Forum vertreten ja die Auffassung, dass es sich beim Richterspruch von Braunschweig um ein krasses Fehlurteil handelt, weil MG zu lebenslanger Haft verdonnert wurde, ohne dass dafür ausreichende Belege angeführt worden seien.
Damit läuft alles wieder auf die Gretchenfrage hinaus: Wie halten wir es mit Beweisen und Indizien? Es handelte sich in diesem Fall ja um einen Indizienprozess, in dem klassische Beweise wie etwa Geständnis des Täters,
Überrumpelung auf frischer Tat oder Überführung des Mörders durch Tatwaffe und/oder genetische Spuren fehlten.
Also musste der Fall geklärt werden, indem man eine Beurteilung aufgrund von Indizien vornahm. Wesentliches Merkmal dabei: nicht jedes Indiz für sich genommen muss Beweischarakter haben; alle Indizien zusammen können aber ein schlüssiges Gesamtbild ergeben, das einem Beweis gleichkommt.
Das ist in diesem Fall geschehen. Wenn ich es recht erinnere, hat der Vorsitzende Richter auf eine Kette von 12 Indizien verwiesen, die unter dem Strich zu der Überzeugung führten, dass MG des Mordes an KM schuldig sei.
Die Crux ist nun, dass es erhebliche Unterschiede in der Einschätzung gibt, wie gewichtig die Indizien und wie schlüssig das daraus entwickelte Gesamtbild erscheinen. Die einen -auch ich- betrachten die Schlussfolgerungen des Gerichts als überzeugend; anderen wiederum sind die Anhaltspunkte für einen Mord durch MG zu dünn.Sie lassen Indizien nur gelten, wenn sie jeweils Beweiskraft besitzen - losgelöst von der eigentlich entscheidenden Gesamtbetrachtung.
Dabei gibt es noch ein spezifisches Problem: Bis heute ist die Indizienkette, auf die sich das Gericht stützte, nicht in allen Details bekannt. Ich kenne jedenfalls keinen Bericht in den Medien, in dem alle zwölf Indizien exakt aufgelistet wurden - selbst nicht in den Artikeln über die Urteilsbegründung.
Zwar kann man sich etliche Indizien denken, aber die fehlende komplette Übersicht erschwert die Beurteilung. Vielleicht hätte das Gericht gut daran getan, in einer Verlautbarung zum Urteil die 12 Indizien im einzelnen aufzuführen, die dann in der Gesamtschau zu der Überzeugung führten, dass auf Mord und nicht etwa auf Totschlag oder gar nur Körperverletzung mit Todesfolge erkannt werden müsse.
Ich fürchte jedoch, dass selbst bei solcher Transparenz die Differenzen bleiben. Daran dürfte sich wohl auch nichts ändern, wenn der BGH die Revision verwirft und somit das Urteil bestätigt. Wie formulierte es
@Papaya64 doch:
Papaya64 schrieb:Richtig ist: auch wenn jemand letztinstanzlich verurteilt wird, ist dieses Gericht nicht unfehlbar wie der Papst. quote]
Das mag im Grundsatz zutreffen, doch damit deutet sich für mich zugleich an, dass eine Zurückweisung der Revision von bestimmten Kritikern als „Zementierung eines Fehlurteils“ und mithin als Akt staatlichen Unrechts gebrandmarkt werden dürfte. Dazu würde dann auch passen, den wegen Mordes verurteilten MG fortan als „Opfer der Justiz“ einzustufen.