Minimalist schrieb:das ist genau so wie bei Schrödingers Katze, solange die (oder eine ) Leiche nicht gefunden wird, kann man immer beides annehmen. Dass RR lebt oder auch dass sie tot ist. Daher sollte die eventuelle Leiche schnellstmöglichst gefunden werden. Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht, ob es nicht doch in der besagten Gegend jemanden gibt der diese ganzen unterirdischen Bunker und Anlagen kennt und dort einmal nachsehen könnte.
(Hervorhebung von mir)
@Minimalist Ein faszinierendes Beispiel hast Du mit "Schrödingers Katze" da eingebracht. Der Vollständigkeit halber müßte man sogar aus quantenmechanischer Sicht für möglich halten, dass sich "Schrödingers Katze" auch in einem Zwischenzustand zwischen Leben und Tod befinden könnte. (vg. etwa Harald Lesch bei Youtube (ca. 10 Minuten) zu "Schrödingers Katze"). Aber da wird auch erwähnt, wer sagt er habe die Quantenmechanik verstanden, der hat sie in Wirklichkeit gerade eben nicht verstanden.)
Mit unbewiesenen quantenmechanischen Annahmen wird in der Juristerei aber nicht gearbeitet, sondern mit (oft auch gutachterlich naturwissenschaftlich abgesicherten) Überzeugungen des Gerichts und den rechtsstaatlichen Methoden der Gewinnung mit gesetzeskonformen und rechtsstaatlichen Mitteln.
Die Aussage, man könne - solange eine Leiche nicht gefunden ist - immer annehmen, ein Mensch sei entweder noch lebendig oder schon tot - entspricht jedenfalls nicht der Rechtspraxis im Strafrecht !
Sonst könnte es gar keine Schwurgerichtsverfahren etwa wegen Mordes oder Totschlags oder minder schwerer Delikte im Zusammenhang mit dem Verschwinden eines Menschen geben, solange die Leiche fehlt. Und diese Verurteilungen gibt es, das weiß auch jeder hier, wenngleich mir keine Statistik über deren Anzahl bekannt ist. [Ich habe früher schon etwa auf die Presseberichte über einen rechtskräftigen Fall (dort Mord ohne Leiche) vor dem Karlsruher Schwurgericht aus neuerer Zeit hingewiesen und den Fall auch kurz erörtert. Es gibt im Forum auch eine Erörterung über die Anforderungen, die bei einem Verfahren bei einem Ermittlungs/und Strafverfahren ohne Leiche auf StA und Gericht standardmäßig zukommen. Disclaimer um Irritationen zu vermeiden: Diese kursorische Abhandlung befindet sich auch in einem anderen Forum, weil sie false flag hier bei uns fast zeitgleich einfach herauskopiert und dort von einem user unter seinem usernamen eingestellt wurde.]
1). Diese Verurteilungen auch ohne das Beweismittel Leiche gibt es kurz gesagt dann, wenn sich das Gericht
a) aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung die feste Überzeugung bilden konnte, dass die verschwundene Person tot ist. Bei der festen Überzeugung muß aufgrund der Indizienlage das Schwurgericht bei der Beweiswürdigung mit der erforderlichen Mehrheit in der Lage gewesen sein, sogar etwa bestehende vernünftige Zweifel in der Bewertung der Indizien zu seiner festen Überzeugung zu überwinden. Mit dem Ergebnis nämlich dass die fehlende Person tot ist und nicht etwa nur sich irgendwo in der Welt versteckt hält oder etwa irgendwo festgehalten wird. Der bloße Zeitablauf seitdem es kein Lebenszeichen mehr gibt, scheint mir außer etwa bei dem Verschwinden in Kriegsgebieten, nach Schiffs-oder Flugzeugunglücken, Naturkatastrophen bei denen der/die Verschwundene, nachweislich mitbetroffen war, da eher ein schwaches Indiz zu sein - insbesondere wenn man an die langen (teilweise zweistelligen) Fristen denkt bis man nach dem Verschollenheitsgesetz eine Toterklärung beantragen kann.
"Unvernünftige" Zweifel wie etwa Wahrsager, Aberglaube, (auch naturwissenschaftlich m. E. unbewiesene Theorien der Quantenphysik) o.ä. werden dabei außer Betracht bleiben.
b) Erst dann stellt sich die Frage, ob mit der gleichen richterlichen Überzeugung auch einem Angeklagten der Tod dieses Menschen als äquivalent kausale und schuldhafte Handlung im Rahmen eines strafgesetzlichen Tatbestandes angelastet werden kann. Das will ich jetzt nicht weiter ausführen.
c) Damit das Urteil rechtskräftig werden kann müssen die Richter der Strafkammer (die Schöffen wirken dabei nicht mehr mit) insbesondere den Sachverhalt von dem sie ausgehen, die einzelnen erhobenen Beweise, die wesentlichen Inhalte der Beweisaufnahme mitteilen. Sodann müssen sie den Weg ihrer Überzeugungsbildung vor allem sprachlich eindeutig und widerspruchsfrei, ohne Verstoß gegen Logik/Denkgesetze darstellen.
Nur wenn das schriftliche Ergebnis in den Urteilsgründen unter kritischen Augen geprüft, dem zuständigen Senat des Bundesgerichtshofs genügt, wird das Urteil auch dort akzeptiert und kann rechtskräftig werden. Es wird dann auch nicht in die Beweiswürdigung des Gerichts eingegriffen, denn die ist durch die Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung in der alle Beweismittel erhoben und erörtert werden, die überlegene Erkenntnisquelle.
Der langen Rede kurzer Sinn :
die Frau Staatsanwältin soll gesagt haben - R. könnte selbstverständlich noch leben.
Ich kenne die Aufzeichnung ihres in die Kamera gesprochenen Wortes nicht (das Video scheint nicht mehr auffindbar) - aber die entsprechenden Kommentare im Forum habe ich gelesen und finde zum Wortlaut keine gravierenden Divergenzen.
Der Fairneß halber will ich aber sofort noch ergänzen, dass einige geschätzte Mitforenten sagen, es gäbe eine Hebung in ihrer Stimme beim letzten Wort "leben" so dass Grund zur Annahme bestehe, dass es sich um einen Halbsatz handele. Vermutlich habe sie den Mitforenten zufolge in dem geschnittenen Teil ein "aber" angefügt mit ebenso vermutlich dem sinngemäßen Inhalt, daß die Staatsanwaltschaft an ihrem bisherigen Ermittlungsergebnis festhalte.... Leider hat man das Zitat dann nicht vollständig.
Anyway, für eine Anklagererhebung müßte die Staatsanwaltschaft jedenfalls halt selbst schon mal ein Ermittlungsergebnis vorlegen, das zuvörderst die Staatsanwaltschaft zu der Überzeugung brachte, dass R. tot ist. Wie will sie sonst das Gericht von diesem Eingangsschritt in einer Anklage überzeugen.
Und es ist ja gerade wesensimmanent, dass bei einem Fall, bei dem eine Leiche eben nicht als Beweismittel vorhanden ist, für eine Anklage stattdessen ein m. E. nahezu äquivalent überzeugendes, anderweitiges Indizienbündel vorliegen muß, so dass dessen Würdigung in einem ersten Schritt das Gericht zur Überzeugung bringen kann : ja die Staatsanwaltschaft hat Recht, der verschwundene Mensch ist auch zu unserer mehrheitlichen Überzeugung tot.
Ohne Kenntnis eines möglicherweise weggeschnittenen weiteren Satzverlaufs komme ich kaum zu einem sicheren Rückschluß, was sie gemeint hat. Dass es aber eine Veränderung im "wording" der Staatsanwaltschaft gegeben hat ist eindeutig, denn so eine Lagebeurteilung habe ich für den Zeitraum davor auch nicht als Halbsatz in Erinnerung. Und an die Quantenmechanik hat sie dabei doch wohl kaum gedacht !