cyclic schrieb:Um nun zu einer Aussage zu kommen wie wahrscheinlich ein TV auch der Täter ist, kann man nicht einfach den wahrscheinlichsten Tathergang in dem TV=Täter nehmen und dem wahrscheinlichsten Ablauf gegenüberstellen in dem der TV nicht der Täter ist. Stattdessen muss man alle Abläufe zusammennehmen in denen TV=Täter und allen Abläufen gegenüberstellen in denen der TV nicht der Täter ist. Soweit einigemassen verständlich dargestellt hoffe ich(?)
Worauf ich hinaus will ist Folgendes (rein konstruierte, theoretische Überlegung): Es gibt nur einen denkbaren Hergang (A) in dem der TV der Täter ist und 100 Abläufe in denen er es nicht ist. Wobei A 100x wahrscheinlicher ist als jede einzelne der hundert alternativen Abläufe. Das gibt dann insgesamt aber (nur) 50% Täter-Wsk. (einige Fallstricke der Wsk.-Rechnung mal nicht berücksichtigt). Also frei nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist".
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich gehe davon aus, dass die EB viele alternative Abläufe geprüft haben (bzw. noch dabei sind) und entweder aktiv (mit hoher Wsk.) ausschließen können (z.B. durch Alibis anderer Personen) oder zumindest überhaupt keine Anhaltspunkte für einen solchen Ablauf gefunden haben. Die Frage ist halt wieviele bleiben übrig, die eine nicht völlig vernachlässigbare Rest-Wsk. haben?
Mir fallen da übrigens Möglichkeiten ein die hier, soweit ich mitgelesen habe, noch nie genannt wurden, da ich aber nicht die Theorien Fünfhundertdrölf und folgende in den Welt setzen möchte, die sich dann wohlmöglich hier zum F.A.K.T.
(Föllig Abstruse und Krude These) verselbstständigen, lasse ich das.
Kuriosität am Rande (wenn Wikipedia Recht hat - s. Wikipedia: Tatverdacht):
Für einen "dringenden Tatverdacht" muss eine hohe Täter-
Wsk. vorliegen.
Für einen "hinreichneden Tatverdacht" muss jedoch eine hohe Wsk. für eine Verurteilung vorliegen.
Da der Wikipedia-Artikel diesen Unterschied ausdrücklich thematisiert scheint es sich nicht um einen Fehler bzw. nicht nur um eine ungenaue Formulierung zu handeln.
Täter-Wsk. ist klar (s.o.), aber Verurteilungs-Wsk. ist nochmal ein Abstraktionslevel höher: Wenn man (meinetwegen wissenschaftl. exakt) zu einer Täterwahrscheinlichkeit von 80% kommt, müsste die Wsk. für eine Verurteilung (theoretisch) bei exakt 0% liegen (weil 80% nicht ausreichen). Bei 90% immer noch, erst irgendwo bei weit über 90% Täter-Wsk. dürfte auch die Verurteilungs-Wsk. auf >>0 steigen.
Denn wenn ein Richter 100 Verdächtige verurteilt bei denen (er sich) zu 90% sicher ist, dann verurteilt er (nach eigener Überzeugung) dabei ja 10 Unschuldige.
Damit kann, wie im Wikipedia-Artikel ausdrücklich erwähnt (zumindest theoretisch) ein dringender Tatverdacht angenommen werden, ohne dass ein hinreichender Tatverdacht angenommen wird.
Ich würde die Verdachts-Grade ungefähr so definieren:
(1) Anfangsverdacht, wenn Indizien für eine Straftat vorliegen, was über eine reine Tat-Vermutung hinausgeht.
- StA ist verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten
- Theoretische zukünftige Verurteilungs-Wahrscheinlichkeit gegeben
(2) Hinreichender Tatverdacht, wenn aufgrund der (quasi endgültigen) Beweislage eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.
- StA ist verpflichtet, Anklage zu erheben
- Gerichtlich geprüfte Verurteilungs-Wahrscheinlichkeit > 50%
(3) Dringender Tatverdacht, wenn aufgrund der (aktuell als Zwischenstand vorliegenden) Beweislage eine Täterschaft hoch wahrscheinlich ist
- Voraussetzung für U-Haft
- Gerichtlich geprüfte theoretische Verurteilungs-Wahrscheinlichkeit deutlich größer als (2) unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und der unvollständigen (dynamischen) Beweislage
Dazu OStA & Pressesprecher StA Berlin Steltner (mehrfach so geäußert):
Beschuldigt ist bei uns der Schwager von Rebecca. Aber die Beweislage reicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus, um einen dringenden Tatverdacht anzunehmen. Das ist ja eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Themen-Wiki: Wo ist Rebecca Reusch? 22. März
Deine Wahrscheinlichkeitsüberlegungen hinsichtlich der Summierung aller unwahrscheinlichen Szenarien zu einem großen Wahrscheinlichkeitsfaktor ist mMn. so nicht machbar.
Man kann nicht allen theoretisch denkbaren Szenarien ohne jeden belastbaren Hinweis (zB R. im geheimen Zeugenschutzprogramm etc.) eine minimale Wahrscheinlichkeit zuordnen und dann allen unwahrscheinlichen Szenarien zusammen zB 60%.
Vielmehr muss man von den tatsächlich vorhandenen Indizien ausgehen. Diese erreichten am 4. März in Summe und zum Nachteil von FR eine Wahrscheinlichkeit nach (3). Da sich die Beweislage bzw. der Tatverdacht bis zum 22.3. nicht erhärtet hat, reichte die Neubewertung der dann aktuellen (unveränderten) Beweislage unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit (Zeitfaktor U-Haft-Dauer, Rechte des TV) nicht mehr für eine Wahrscheinlichkeit nach (3).