abgelenkt schrieb:Das ist auch ungenau. Fakten sind erstmal feststehende Tatsachen. z. B. wäre eine mögliche Angabe im Routerausleseprotokoll: zwischen 6 Uhr bis 8 Uhr Handyaktivität vom Handy des TV im WLAN ein Fakt.
Dieser Fakt ist natürlich keinerlei Beweis oder auch nur Indiz für oder gegen ein Verbrechen . Zusammen mit anderen Fakten (Rebecca ist weg und kein Lebenszeichen seit Wochen, Handy von Rebecca hatte seit spätestens ca. 9 Uhr kein Empfang mehr, Decke weg, TV gibt in erster Vernehmung an, von ca. 6 bis 8.30 Uhr geschlafen zu haben, TV sagt Mutter gegen 8.30 Uhr dass Rebecca weg ist, TV erwähnt spätere Autobahnfahrt nicht, Kesy erfasst Twingo 2x etc.) ergeben sich daraus aber Indizien (=Hinweise) für unfreiwilliges Verschwinden unter Beteiligung des TV.
Einen Beweis hätte man, wenn die Indizien einzeln oder in der Gesamtschau ohne berechtigte Zweifel keinen anderen Schluss zulassen.
Die Äußerungen von StA und MoKo verstehe ich so, dass die Fakten zusammen Indizien ergeben, die in der Gesamtschau als Beweis für Tod von Rebecca im Haus ausreichen, nicht aber zweifelsfrei für Verantwortung des TV.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung betreffend Indizienprozess hält in der Schweiz beispielsweise fest:
"Nach Art. 10 Abs. 3 StPO geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus, wenn unüberwindliche Zweifel daran bestehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat erfüllt sind. Diese Bestimmung operationalisiert den verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung (in dubio pro reo; Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK). Sie verbietet es, bei der rechtlichen Würdigung eines Straftatbestands von einem belastenden Sachverhalt auszugehen, wenn nach objektiver Würdigung der gesamten Beweise ernsthafte Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt tatsächlich so verwirklicht hat, oder wenn eine für die beschuldigte Person günstigere Tatversion vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden kann. Eine einfache Wahrscheinlichkeit genügt somit nicht. Auf der anderen Seite kann auch keine absolute Gewissheit verlangt werden; abstrakte und theoretische Zweifel sind kaum je ganz auszuräumen (in BGE 143 IV 214 nicht publ. E. 13.1 des Urteils 6B_824/2016 vom 10. April 2017; BGE 138 V 74 E. 7 S. 81)."
"[...] Zu einer hinreichenden Gewissheit über das Vorliegen des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals führen nur sinnfällige Indizien: Der betreffende Umstand muss im gegebenen Kontext unzweideutig zur sachverhaltlichen Begründung des zu prüfenden Tatbestandsmerkmals (hier der besonderen Skrupellosigkeit) beitragen. Dies trifft nicht zu, wenn ein Umstand als ambivalent erscheint, weil er mehrere Lesarten zulässt, also ebenso gut auch zu einem alternativen Szenario passt. Indizien können auch positiv auf eine ganz bestimmte alternative Hypothese hindeuten oder die Ausgangsthese eines tatbestandsmässigen Sachverhalts zugunsten eines nicht näher bestimmbaren Alternativsachverhalts zurückdrängen. Die Unschuldsvermutung ist verletzt, wenn der Grad an Wahrscheinlichkeit, mit welcher ein (inhaltlich oder auch nur seinem Bestand nach umschriebenes) Alternativszenario zutrifft, verkannt oder ein solches gar nicht erst in Betracht gezogen wird (vgl. TOPHINKE, Das Grundrecht der Unschuldsvermutung, S. 340)."
"[...] Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch, dass Indizien oft nicht von vornherein einschlägig sind, weil sie nicht ausschliesslich auf ein bestimmtes Szenario hindeuten. Es gilt, die Indizien daraufhin zu überprüfen, ob sie ausschliesslich für eine Hypothese sprechen, oder ob sie ambivalent sind, weil sie je nach Kontext unterschiedlich verstanden werden können."
"[...] Die In-dubio -Regel weist den Rechtsanwender an, ernsthaften Anhaltspunkten für alternative Sachverhalte nachzugehen und zu prüfen, ob sich daraus allenfalls ein unüberwindlicher Zweifel ergibt, der es verbietet, den tatbestandsmässigen Sachverhalt anzunehmen. Sie übernimmt im Übrigen auch die Funktion eines Korrektivs hinsichtlich des rechtstatsächlichen Phänomens, dass die Anklagebehörde mit Blick auf die am Anfang der Untersuchung stehende Schuldhypothese sowie den im Untersuchungsverfahren geltenden Grundsatz in dubio pro duriore (BGE 138 IV 86 E. 4 S. 90) geneigt sein kann, belastende Tatsachen stärker zu gewichten als entlastende, und die Gerichte anschliessend aus entscheidungspsychologischen Gründen dazu tendieren, Informationen, welche die Anklage bestätigen, zu überschätzen und gegen die Schuldhypothese sprechende Informationen zu unterschätzen (sog. Bestätigungs- und Ankereffekt; STEPHAN BERNARD, In dubio pro reo?, in: forumpoenale 2013 S. 113 f. mit Hinweisen; dazu bereits VITAL SCHWANDER, Freie Beweiswürdigung, mit oder ohne Unschuldsvermutung?, in: ZStrR 1981 S. 227).
"[...] Ist die Indizienlage widersprüchlich oder ambivalent, so muss somit (gegebenenfalls auf erweiterter Beweisgrundlage) geprüft werden, ob die alternative Hypothese genügend greifbar ist, um nachhaltige Zweifel an der Bestandeskraft der tatbestandsmässigen Variante zu wecken."