MissMary schrieb:aber prinzipiell ist in so einer Konstellation der höchste Kostenpunkt die Kinder.
Das sehe ich allerdings anders. Der größte Kostenpunkt ist der Zugewinnausgleich. Eine "normale Ehe", also ohne Gütertrennungsvertrag ist nun mal so konzipiert, dass man ab der Eheschließung gemeinsam in eine Kasse wirtschaftet. Wird die Ehe geschieden, bekommt jeder die Hälfte der Kasse, egal wie viel er während der Ehe in die Kasse einbezahlt oder rausgenommen hat.
Besonders bei Ehepaaren, die recht jung geheiratet haben und bei denen beide nicht viel eingebracht haben, entsteht im Lauf der Ehe oft ein hoher Zugewinn. Man baut/kauft gemeinsam ein Haus, das nach und nach abbezahlt wird. Man startet im Beruf durch, baut ein Unternehmen auf oder eine eigene Arztpraxis oder kauft sich in einen Gemeinschaftspraxis ein. Wenn die floriert, kann sie schnell einen sehr großen Wertzuwachs haben, der, auch wenn nur der eine Ehepartner als Besitzer/Betreiber/Unternehmer/Teilhaber eingetragen ist, bei einer Scheidung zur Hälfte dem anderen Ehepartner gehört.
Gerade wenn ein Ehepartner "nur" Hausfrau/mann war und noch auf 400 €-Basis gearbeitet hat, der andere aber als Freiberufler/Selbstständiger etwas aufgebaut hat, wird das von diesem oft als große Ungerechtigkeit empfunden, wenn der andere die Hälfte des Zugewinns zugesprochen bekommen hat.
Versteht mich nicht falsch, ich finde die Regelung gerecht. Frau Rösing hat 4 Kinder große gezogen und versorgt, sicher ihrem Mann den Rücken frei gehalten (wie es immer so schön heißt) sie hat bestimmt nicht zuhause gesessen und Däumchen gedreht oder das Geld auf Shoppingtouren mit Prosecco-Frühstück rausgeballert. Aber ich kenne einige Menschen, bei denen der arbeitende Ehepartner bei der Scheidung Knochen gekotzt hat, weil er der Meinung war, der andere habe doch nur das bisschen Haushalt gemacht.
Aber die Auszahlung eines Zugewinnausgleichs kann z.B. bedeuten, dass die Arztpraxis verkauft werden muss. Denn der Wert der Arztpraxis wird voll auf den Zugewinn angerechnet, obwohl das Geld ja gar nicht flüssig zur Verfügung steht. Wenn eine Arztpraxis nach Jahrzehnten Aufbauarbeit 2 oder 3 Millionen € wert ist, steckt das Geld in Ausstattung und dem Wert des Kundenstamms. Woher soll man aber 1 bis 1,5 Millionen nehmen, um den geschiedenen Ehepartner auszubezahlen?
Da bleibt einem nur der Verkauf der Praxis, ggfls. mit Verlust. Mit Anfang 60 macht es keinen Sinn, das Geld als Kredit auf die Praxis aufzunehmen, das bekommt man nicht mehr abbezahlt und führt zu einer hohen Belastung der Liquidität des Unternehmens. Es ist auch kein Spaß, nach jahrzehntelanger Selbstständigkeit in dem Alter noch ein paar Jahre als weisungsgebundener Angestellter arbeiten zu müssen.