Ich bin technisch nicht versiert genug, um die Funktionsweise des Zimmerschlosses zuverlässig einschätzen zu können. Ein entscheidender Punkt bei der Deutung des Todesfalls als Selbstmord war ja die Feststellung, daß der vorgefundene Zustand des Schlosses nicht von außen hätte hergestellt werden können. Die Beiträge, die im Forum dazu zu lesen sind, scheinen diese Aussage in Zweifel zu ziehen.
Nehmen wir an, daß diese Zweifel berechtigt sind, so würde ein
Mord in den späten Abendstunden des Freitag, der als Selbstmord kaschiert werden sollte, große Wahrscheinlichkeit bekommen. Die folgenden Ungereimtheiten würden sich sogleich auflösen:
1) Fehlende Schmauchspuren; fehlendes Blut an der Hand der Ermordeten; festes Halten der Pistole, was nach Aussagen anderer, die die Waffe kennen, suspekt ist.
2) Verdauungszustand des offensichtlich unterbrochenen Mahles. Addiert man das Ergebnis für die Verweildauer des Mageninhalts zu dem Zeitpunkt der Lieferung des Essens, so dürfte man dem Zeitpunkt des Mordes auf der Spur sein. Es wäre interessant zu wissen, ob die von einem Hotelgast berichteten ungewöhnlichen Geräusche gerade um diese Zeit wahrgenommen wurden. (Leider geht aus dem Bericht nicht einmal hervor, ob es sich dabei überhaupt um die Nacht von Freitag auf Sonnabend handelte.)
3) Aussage des Belgiers, der am Sonnabend mittag ausgecheckt hat und von einem Todesfall im Hotel gehört hatte. Wieso wußte er Sonnabend mittag davon, wenn der Todesfall doch erst am Sonnabend abend passierte? Das wäre eine völlig unerklärliche Vorwegnahme. Wieso verhielt er sich so auffällig, als er dazu befragt werden sollte? Und wieso waren deswegen nicht längst offizielle Ermittler bei ihm?
Ist es denn nicht, gelinde gesagt, ungewöhnlich, einen Todesfall im Voraus zu wissen?
Es kann nicht sein, daß der Belgier "den Tag verwechselt" habe. Denn es verbleibt der unaufgeklärte Sachverhalt, daß er von einem Todesfall im Plaza-Hotel Oslo wußte, der
erst Stunden nach seiner Abreise eintrat und von dem er kaum auf zufällige Weise danach gehört haben dürfte. Denn warum sollte ein "offensichtlicher Selbstmord" überhaupt, vor allem aber in überregionalen oder gar ausländischen Medien Erwähnung finden? Und das Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen.
Einleuchtend erklären läßt sich die Aussage des Belgiers und sein Verhalten, wenn man davon ausgeht, daß a) der Tod schon vor Sonnabend mittag eingetreten war und b) der Belgier irgendeinen Bezug dazu hatte. Daher noch einmal die Frage: Wieso waren nicht längst offizielle Ermittler bei ihm?
Dies sind für mich Hauptargumente für die Annahme, daß ein Mord vorliegt, dessen Zeitpunkt bewußt um einen Tag falsch angegeben wurde.
Allerdings spricht dagegen, daß der Bericht des Journalisten Lars Chr. Wegner auch Lebenszeichen aus dem Zimmer der Plaza-Frau erwähnt, die am Sonnabend registriert wurden; natürlich einerseits die registrierten Pistolenschüsse
That’s when the shot rang out, at about 7:50 p.m.
aber auch:
Once on Friday and once on Saturday, the Plaza woman watches the hotel’s pay-TV.
On Saturday evening, receptionist Evy Tudem Gjertsen discovered that something was seriously wrong. Twice, the guest in 2805 had failed to come to the front desk despite acknowledging the messages summoning her. At 7:36 p.m. the receptionist sent the guest a third and final message, which, like the others, was acknowledged with “OK”.
Auch kann man sich fragen, wozu die Plaza-Frau das "Do not disturb"-Schild dauerhaft vor die Tür hängte, was ja im Falle eines Mordes nur der Verzögerung der Entdeckung der Tat diente, also einem evtl. Mörder zum Zeitgewinn nur recht gewesen sein konnte. Aber im Falle eines geplanten Selbstmords würde das Aushängen des Schildes erst recht keinen Sinn machen.
Wie sollten im Falle eines Todes bereits am Freitag die Lebenszeichen vom Sonnabend aus dem Zimmer zustande gekommen sein? Es wäre doch ganz unwahrscheinlich anzunehmen, daß der Mörder noch einen ganzen Tag bei der Leiche verblieben wäre und den OK-Knopf bediente und den Fernseher anstellte - im alleinigen Vertrauen auf das "Do-not-disturb"-Schild, was der Entdeckung der Situation vorbeugte! Ähnlich unglaubhaft wie die Vorstellung, der tödliche Schuß wäre am Sonnabend um 19:50 Uhr gefallen, gerade als jemand vor der Tür war, um nach dem Rechten zu sehen, und der Mörder habe (ohne damit rechnen zu können...) die folgende Viertelstunde genutzt, um der Ermordeten die Pistole in die (unbefleckte) Hand zu drücken und unbemerkt aus dem Zimmer zu verschwinden.
Wenn also tatsächlich ein Mord (und dann Freitag nacht) vorlag, so müßte der Bericht von dem gehörten Schuß sowie von dem Bedienen des OK-Knopfs und des Fernsehers mit zu den vorgeschobenen Irreführungen gehören. Entweder müßte das Hotel selbst ein Interesse an der Vertuschung gehabt haben oder auf Anweisung höherer Stelle hin die Aussagen über Aktivitäten am Sonnabend getroffen haben.