Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass JF aus dem Ausland kommenden direkt nach Oslo gereist ist. Als vermutlich deutsche oder eventuell auch belgische Bürgerin ist der Aufwand vor dem Hintergrund eines möglicherweise geplanten Suizides äußerst rätselhaft – wie vieles in diesem Fall. Daher erscheint es mir sinnvoll, diese Annahme zu hinterfragen und auch einmal quer zu denken.
Die Einreise wäre nachvollziehbar, wenn JF gute geschäftliche oder private Gründe hatte. Leider gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Nach
@lenNO Auskunft hat die regionale Presse in Oslo von dem Fall berichtet. Wann, in welchem Umfang und mit welchem Bildmaterial, ist mir bisher nicht genau bekannt. Fest steht, dass JF nicht wiedererkannt wurde. Mit dem Personal des Hotels hat sie in englischer und vermutlich auch deutscher, jedoch nicht norwegischer Sprache gesprochen. Es liegt also die Vermutung nahe, dass JF sich lediglich für kurze Zeit in Oslo aufgehalten hat und sie hatte zur lokalen Bevölkerung praktisch keinen oder nur einen kurzen, oberflächlichen Kontakt. Es gibt zwar keine Hinweise, es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass JF einige wenige Personen in Oslo kannte oder dort getroffen hat, diese aber aus unbekannten Gründen kein Interesse an der Identifizierung haben.
Aber ist JF wirklich aus dem Ausland kommend direkt nach Oslo gereist oder hat sie sich bereits Tage, Wochen oder Monate in Norwegen aufgehalten und ist gewissermaßen in Oslo gestrandet ?
Die Zeitung “Verdens Gang“ war 1995 die auflagenstärkste Zeitung Norwegens und hatte über diesen Fall berichtet. Bei einer landesweiten Auflage von über 300.000 Exemplaren ist davon auszugehen, dass JF bei einem längeren Aufenthalt in Norwegen erkannt worden wäre. Das war aber nicht der Fall. Vermutlich hat sich JF weder in Oslo noch in anderen norwegischen Landesteilen langfristig aufgehalten.
Am 22. Mai 1995 hat JF erstmalig mit dem Plaza Hotel Kontakt aufgenommen. Ein konkretes Anreisedatum geht aus den Unterlagen der Polizei nicht hervor. Das erscheint auf Grundlage einer genauen Terminplanung im geschäftlichen Umfeld ungewöhnlich und die Anmeldung am 31. Mai 1995 deutet darauf hin, dass ihr Anreisedatum bis zuletzt weitgehend unbestimmt war. Am 31. Mai hat JF telefonisch ein Zimmer für zwei Personen gebucht, so dass vom Zimmerservice um 15:30 Uhr ein zweites Duvet bereitgestellt wurde. Da eine Uhrzeit für die Anmeldung am 31.Mai 1995 nicht bekannt ist, kann angenommen werden, dass der Anruf und die Lieferung des zweiten Duvet zeitlich sehr nah beieinander liegen – vermutlich zwischen ca. 14:00 Uhr bis 15:15 Uhr. Demnach ist JF ca. 7.5 bis 9 Stunden nach ihrem Anruf am 31. Mai 1995 um 22:44 Uhr im Hotel eingetroffen.
Zum Zeitpunkt des Eincheckens war nach den Berichten des Hotels sehr viel Betrieb an der Rezeption. Nun könnte angenommen werden, dass um diese Zeit eigentlich schon etwas Ruhe im Hotel eingekehrt sein müsste. Aber auch für ein Hotel ist dieser nächtliche Trubel nicht ungewöhnlich, wenn eine geschlossene Reisegruppe oder ein Verkehrsmittel zeitgleich eingetroffen ist.
Nach den Beobachtungen ist JF mit größerem Gepäck angereist. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass sie für die Fernreise mit der Bahn, einem PKW, Bus, Flugzeug oder Schiff bzw. einer Kombination davon nach Oslo gekommen ist.
Da JF vermutlich zeitgleich mit einer größeren Personengruppe eingetroffen ist, wurde – wie bereits erwähnt - möglicherweise auch das gleiche Verkehrsmittel benutzt. Sie könnte also mit dem Flugzeug eingereist sein und gemeinsam mit anderen Passagieren mit der Nahverkehrsbahn L12 / R10 vom Oslo Lufthaven zum Hotel gefahren sein. Es ist nach über zwanzig Jahren nicht mehr nachvollziehbar, welche Flugstrecke das gewesen sein könnte. Aus heutiger Sicht werden die Slots d.h. das Zeitfenster 21.00 -21:59 Uhr von Deutschland nach Oslo regelmäßig von Lufthansa / SAS ab München und Düsseldorf genutzt. Die damalige Prüfung der Passagierlisten durch die Kripos verlief nach meiner Kenntnis ergebnislos.
Denkbar ist auch die Anreise mit einer Fähre oder einem Kreuzfahrtschiff. Für die Passagiere dürfte die Nutzung eines Hotels wenig Sinn machen, es sei denn, die Reise endet in Oslo. Als Besatzungsmitglied könnte sie aus persönlichen Gründen oder eines auslaufenden Arbeitsvertrages von Bord gegangen sein. Warum JF dann aber nicht zum Heimathafen zurückkehrt und ein teures Hotel aufsucht, ist unerklärlich.
Die Hafenbehörde in Oslo konnte mir leider nicht die Liegezeiten aus 1995 zur Verfügung stellen. Aus den bereitgestellten Listen ist aber ersichtlich, dass ca. 85% der Kreuzfahrtschiffe Oslo morgens anlaufen und am gleichen Tag vor 21:00 Uhr wieder auszulaufen. Nur sehr wenige Kreuzfahrtschiffe laufen in den späten Abendstunden ein.
Seefunkgespräche von Bord in das Telefonnetz sind sehr teuer. Handys funktionieren nur in unmittelbarer Küstennähe (heute geht das über eine GSM-Zelle an Bord die mit VSAT verbunden ist) und waren noch sehr teuer. Deshalb wird JF für ihren Anruf beim Hotel wahrscheinlich einen Festnetzanschluss verwendet haben. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Anruf von den Häfen, die typischerweise auf der Route der Kreuzfahrtschiffe liegen (Kopenhagen, Göteborg oder Kristiansand) erfolgte, da die Kreuzfahrtschiffe dort am Abend ablegen um erst am folgenden Tag Oslo zu erreichen.
Denkbar wäre, dass JF die Fähre Frederikshavn - Oslo als Passagier oder Besatzungsmitglied nutzte. Die Überfahrt dauert 9 Stunden und 15 Min, so dass sie noch von Dänemark aus beim Hotel hätte anrufen können. Nach den heutigen Fahrplänen trifft die Fähre allerdings abends um 18:00 Uhr ein. Somit müsste JF sich bis zur Ankunft beim Hotel noch rd. 5 Stunden in der Stadt aufgehalten haben. Eine Stadtbesichtigung mit schwerem Gepäck macht hingegen wenig Sinn, wenn das Hotel in unmittelbarer Nähe ist.
Es spricht einiges dafür, dass JF mit der Bahn nach Oslo gefahren ist. In Norwegen gibt es drei nationale Fernverbindungstrecken zur Hauptstadt: Stavanger über Kristiansand, Bergen und Bodo über Trondheim.
Link: Übersicht der Verkehrswege:
https://www.wirsindanderswo.de/anreise/detail/beitrag/norwegen/Bezogen auf die Zeit zwischen Anruf und Ankunft sowie der Fahrtzeit passen sowohl die Verbindungen Stavanger, Bergen und Trondheim. In Bezug auf vermutete Anrufzeit beim Hotel und unter Berücksichtigung der heutigen Fahrt- und Ankunftszeiten würde die Verbindung Bergen - Oslo perfekt passen, da der Zug dort um 22:35 Uhr beim Hauptbahnhof eintrifft und zu Fuß sind es bis zum Hotel nur 5-10 Min.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass sich 8 km westlich von Bergen “Haakonsvern“ befindet - der größte Marinestützpunkt der Norwegischen Seestreitkräfte und Küstenwache.
Halte ihr es für möglich, dass Oslo für JF nur ein vorübergehender Aufenthaltsort war ?
Hatte sie eventuell eine Beziehung zu einem Soldaten in Bergen und könnte sie hier an die Waffe gekommen sein ?
Gruß
Lighthouse60