Lighthouse60 schrieb:Besatzungsmitglieder von Schiffen müssen bei jedem Landgang den Zoll passieren. Damit ein Besatzungsmitglied nicht jeden Tag ein komplett neues Outfit aus dem Tax-Free Shop an Bord für eine norwegische Boutique am Zoll vorbei importiert, werden diese Personen sicherlich öfters kontrolliert. Das Entfernen der Etiketten ist vermutlich ein Insiderwissen für die Crew, um Schwierigkeiten beim Zoll zu vermeiden. (...)
Ich möchte kurz diesen Aspekt "Zoll" von Dir aufgreifen, da ich diese Idee für einen sehr guten Ansatz halte. Unabhängig davon, ob JF die Schildchen wirklich selbst entfernte und dies aufgrund der Zollkontrollen geschah, ist ihr Weg nach Oslo sicher ein Schlüssel zu diesem Fall. Eine Zeugin will JF einen Rollkoffer (Trolley) zugeordnet haben, der jedoch nicht im Zimmer aufgefunden wurde. Ebenso verschwand ein paar Schuhe, welches einer Dame vom Housekeeping in Erinnerung blieb. Deshalb gehe ich ersteinmal sicher davon aus, dass JF nicht ohne Gepäck und lediglich mit den bekannten -weil aufgefundenen- Kleidungsstücken anreiste. Wenn ich diesen Aspekt als gegeben ansehe, wird sie ein Transportmittel benutzt haben (müssen) um in das Land und zum Hotel zu gelangen. Der Fall schlug in Norwegen hohe Wellen, JF wurde jedoch nicht erkannt, so das ich bei ihr nicht von einem Lebensmittelpunkt in Norwegen ausgehe. Auch die bekannte isotopenanalyse spricht dagegen.
Ein großes Passagierschiff ist sicher eine sehr gute Art, mit relativer Anonymität einzureisen. Je mehr Personen gleichzeitig in einem Verkehrsmittel anwesend sind und "eingeschleust" werden müssen, umso oberflächlicher und unpersönlicher geschehen die Zollkontrollen. -> Stichwort "Massenabfertigung"... Mit dem PKW oder Bus sieht das anders aus. Im Gegensatz zum Schiff kümmern sich hier im Verhältnis mehr Beamte um weniger Personen, so das die Kontrollen dort persönlicher und genauer ausfallen. Alternativ könnte JF auch per Flugzeug gekommen sein. Auf Flügen innerhalb Europas wurden/werden jedoch kaum Maschinen mit mehr als 200 Plätzen genutzt. Insgesamt waren/sind die Kontrollen im Bereich der Luftfahrt ohnehin recht genau. Zudem kann man sich an Bord eines Schiffes frei bewegen, kann sich zurückziehen um nicht aufzufallen. Im Flieger geht das nicht. Hier hat man gezwungenermaßen einen/mehrere Sitznachbarn. Wenn man also davon ausgeht, dass JF in das Land einreiste, Gepäck hatte und größere Aufmerksamkeit vermeiden wollte, kommt man um das Schiff als Verkehrsmittel der Wahl kaum herum.
Lighthouse60 schrieb:(...) Der ganze Vorgang macht auf mich den Eindruck, dass im Arbeitsumfeld einiges schief gelaufen ist. Natürlich gibt es viele denkbare Wege, wie und wann JF nach Oslo gekommen sein könnte. Eine Tätigkeit an Bord der Stena Saga erscheint mir jedenfalls durchaus möglich. Übrigens gibt es den kräftigsten Isotopen Hotspot in Frederikshavn und das dortige Fährterminal befindet sich an der Strasse “Færgehavnsvej“. Hat JF diesen Straßennamen für ihren erfunden Nachnamen benutzt ?
Bei JF könnte es sich natürlich auch um ein Besatzungsmitglied gehandelt haben. Allerdings will sich mir dann nicht so recht erschließen, weshalb sie niemand offiziell vermisst oder anhand der Veröffentlichungen erkannt hat. An Bord eines Schiffes verbringt die Besatzung auch schichtfreie Zeit miteinander. Es entstehen so fast schon zwangsläufig private Kontakte, da sich die Besatzungsmitglieder -höhere Offiziere ggf. ausgenommen- für gewöhnlich eine Mehrbettkoje teilen und der Crewbereich an Bord sehr klein d.h. eingeschränkt ist. Selbst wenn der Arbeitgeber sich keine Sorgen um JF machen mußte, da der Arbeitsvertrag endete, hätte es sicher einige Kolleginnen/Kollegen gegeben, die JF später anhand der Fotos und Veröffentlichungen hätten erkennen und sich melden können. Gerade dann, wenn die Besatzung häufig in Oslo anlegte, wo der Fall eine recht hohe Medienpräsenz hatte. Sollte sie also tatsächlich an Bord eines Schiffes gearbeitet haben, dann mMn eher nicht bei einer lokal stark vertretenen Reederei. Vlt. eher ein Schiff, dass nur selten vorbeikam, aus einem Land, in dem dieser Fall nicht besonders bekannt wurde. Der Straßenname ist allerdings ein bemerkenswertes Detail. In der Tat.
robix schrieb:Laut Hotelreception war es absolut unmöglich und entgegen aller Vorschriften, dass sie unbezahlt/ohne Kreditkartenangabe mehrere Tage im Zimmer bleiben konnte. Wenn nicht bezahlt, verlieren die Kartenschlüssel für das Zimmer normalerweise die Gültigkeit. Ist nicht passiert.
Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, woher die Gewissheit kommt. "Absolut unmöglich" bedeutet mMn zwangsläufig, dass entweder gezahlt wurde, oder JF nicht über mehrere Tage im Hotel war. Nun, sie war offensichtlich ein paar Tage dort. Und sie hat keine Kreditkartendaten hinterlegt. Darüber hinaus kann sich bis heute niemand offiziell daran erinnern, dass JF jemals mittels Bargeld etwas angezahlt/bezahlt hätte, wenn man mal von dem Hotbite absieht. Demzufolge war es offensichtlich sehrwohl möglich, ohne Bezahlung und hinterlegte Kreditkartendaten ein Zimmer zu belegen. Warum auch nicht ? Vieles lief -im Gegensatz zur heutigen Zeit- in den 90´ern über das Vertrauen zwischen zwei Vertragspartnern. Jemand der seriös und freundlich wirkt und darüber hinaus ggf. eine passende Begründung für die Nichtzahlung parat hat, konnte durchaus damit durchkommen. Gerade in gehobenen Häusern. Denn dort konnte man von solventem Klientel ohne Betrugsabsichten ausgehen. Natürlich war aber auch dort irgendwann der Vertrauensvorschuss aufgebraucht. Deshalb bekam JF dann auch dreimalig die dringende Bitte auf das TV-Gerät im Zimmer versand, sich umgehend beim Kassierer (Cashier) zu melden. Schließlich wurde sogar der Sicherheitsdienst damit beauftragt, dem zahlungsunwilligen Gast einen Besuch abzustatten. Für mich persönlich ist dieser Vorgang nachvollziehbar und wenig besonders.
JagBlack schrieb:(...) Mit Leichtigkeit ist es heute feststellbar, ob überhaupt die Waffe mir der Aktentasche transportiert worden ist. Aber die ist ja weg, sowie ihr Schmuck und die Uhr, alles schön versteigert, statt diese persönlichen Dinge als Grabbeilage zu addieren.
JagBlack schrieb:(...) Ich bin mir ziemlich sicher, dass die waffentechnische Untersuchung genau diese Tatsache herausgefunden hat und damit eine Kollision gegen die von der Kripo ermittelte Suizidbeurteilung impliziert hat. Die Waffe war ja eine ziemlich lange Zeit verschwunden und galt als verschollen, bis sie doch jemand in der Asservatenkammer „gefunden“ hat.
Die Kripo hat sich bemerkenswert schnell (wahrscheinlich noch am Tatort) auf die -aus ihrer Sicht- wahrscheinlichste Theorie festgelegt und offensiv in Richtung eines Suizides ohne Fremdbeteiligung ermittelt. Die Untersuchungen wurden dementsprechend vermutlich nur im minimalsten Rahmen, und auf einen schnellen Abschluss forciert, durchgeführt. Nach Abschluss jener Ermittlungen wurde aufgrund des angenommenen Ergebnisses dann auch auf die weitere Asservierung von persönlichen Gegenständen und der Tatwaffe verzichtet. Persönliche Dinge wurden folgerichtig versteigert, die Tatwaffe sollte ihrer Vernichtung zugeführt werden. Akte zu, Ermittlung tot sozusagen.
Es ist wohl nur einem Zufall geschuldet, dass die Tatwaffe nicht -wie vorgesehen- tatsächlich vernichtet wurde, sondern später -quasi in letzter Minute- doch noch wieder auftauchte. Es ist aus meiner Sicht auch ein (glücklicher) Zufall, dass dieser Fall überhaupt so viel mediale Aufmerksamkeit bekam. Bei den Ermittlern dürfte diese Tatsache wohl eher auf Unverständnis gestoßen sein, wenngleich man sich sicher dafür interessierte, wer die Verstorbene war. So gilt noch heute -so mein persönlicher Eindruck- das Interesse der Behörden ausschließlich der Klärung der Identität, nicht aber der Frage, ob hier auch ein Kapitalvernrechen vorliegen könnte.
eldec schrieb:1. Wäre die ermittelte Körpergröße JFs von 1,59 bis 1,66 m nicht zu klein für eine Berufstänzerin? Gibt es von den angeblich verschwundenen Tanzschwestern der Estonia Beschreibungen, aus denen die Körpergröße, Augen- und Haarfarbe hervorgeht?
"Zu klein" würde ich nicht sagen. Es kommt eher auf die Proportionen, die Wirkung und die Beweglichkeit an. Wenn sie getanzt hat und ihrem Job mit Leidenschaft nachging, war die Körpergröße für Arrangements auf (kleineren) Bühnen und/oder im Unterhaltungs- Animationsbereich auf Schiffen mMn kein Problem. Ich kenne derzeit keine Quelle, aus der die gefragten Daten hervorgehen. Ich bin jedoch sicher, dies ist ermittelbar. Zur Not bei den noch Lebenden Verwandten, wenn es ein offizielles oder journalistisches Interesse daran geben würde.
eldec schrieb:2. Wäre es im Jahre 1995 in Oslo einem Hotelgast, der noch keinen Pfennig seiner Hotelrechnung beglichen oder Sicherheit hinterlegt hat, möglich gewesen, mit einem Rollkoffer das Hotel zu verlassen, ohne vom Personal aufgehalten und als Zechpreller verdächtigt zu werden? Wieviel Ausgänge hat das Plaza?
Ein Hotel ist kein Gefängnis. Es gibt einen stetigen Strom von Gästen, die das Hotel betreten, verlassen und auch Anliegen an der Rezeption klären. Oftmals alles gleichzeitig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Rezeptionsmitarbeiter einen Gast pro aktiv daran hindern würde, dass Hotel mit einem Rollkoffer zu verlassen, nur weil er möglicherweise (noch) nicht gezahlt hat. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die Mitarbeiter der Rezeption wechseln und nicht jeder genau weiß, wer gezahlt hat und wer nicht. Das Hotel ist riesig. Deshalb gab es wohl auch die Möglichkeit, Nachrichten auf die Bildschirme der Gäste zu senden, um diese überhaupt persönlich zu erreichen. Sicher hatte das Plaza noch andere -möglicherweise inoffizielle- Ausgänge z.B. Notausgänge, Lieferantenzugänge etc. Ich glaube aber weniger, dass sich JF dort herausschleichen mußte, um einer Entdeckung zu entgehen.
lenNO schrieb:Ich bin mir nicht sicher, was du mit "dass die richtige Informantin im Hotel ist" meinst? Es ist nicht unmöglich, dass der Name Fergate und alle belgischen Daten nicht etwas waren, was JF sich selbst ausgedacht hatte, sondern von Mr. F. zur Verfügung gestellt wurde. Er ist der einzige echte Belgier.
Eine sehr gute Idee ! Wer sagt eigentlich, dass die Initiative zum Besuch des Plaza von JF ausging ? mal angenommen, man trat in Kontakt, weil JF z.B. über interessantes/brisantes Material und/oder Wissen verfügte und nun sollte es zum Gespräch und/oder eine Übergabe kommen. Dann konnte ja auch der/die Empfänger(in) ein Treffen organisieren. Also hatte der/die Empfänger(in) möglicherweise Kontakte in Oslo, JF nicht. Es ist dann sogar vorstellbar, dass sich JF -z.B. für ein Vorgespräch- mit einem Kontakt in Oslo traf und deshalb längere zeit nicht im Hotel war. Es weiß ja niemand, mit wievielen Personen JF möglicherweise in Oslo Kontakt hatte/verabredet war.
lenNO schrieb:NB2: Die bloße Vermutung, dass eine "absichtlich Verschwundene" Person from Estonia ein halbes Jahr später tot in einem Hotelzimmer in Oslo stirbt, ist eine ernste Bombe. Ich bin mir nicht sicher, warum wir über eine andere estnische Besatzung sprechen.
Das sehe ich genauso. Leider gibt es aber eben "nur" Vermutungen und eine VT in diese Richtung. Einen ernsthaften und fundamentierten Hinweis oder Indiz gibt es derzeit nicht wirklich. Die verschwundenen Tänzerinnen sind noch der stärkste der vorhandenen Spuren. Allerdings sind trotz der mMn deutlichen Ähnlichkeiten auf den bekannten Bildern auch Widersprüche (Muttermale/Kinn) vorhanden. Das sollte man eben auch berücksichtigen.
VanDusen schrieb:Nochmals, ich halte die Hypothese JF = HV für absurd, hätte aber gerne ein paar richtig handfeste Indizien, um diese endgültig zu entkräften, zusätzlich zu den von @Slaterator angeführten, teilweise sehr treffenden, Argumenten.
Sehr richtig ! Wir sollten nicht nur Möglichkeiten einschließen, sondern -soweit möglich- eben auch ausschließen. Es wäre mir persönlich sehr lieb, wenn wir weiter eingrenzen könnten, denn die Estonia-Theorie würde tatsächlich auch sehr viele Antworten auf die offenen Fragen geben. Dummerweise -ich schrieb es gerade- fehlen in der VT definitive, handfeste, forensische und auch logische/logistische Indizien/Hinweise/Antworten/Beweise, um einen Zusammenhang zw. Estonia und Plaza ernsthaft anzunehmen. Völlig absurd oder gänzlich ausgeschlossen ist es hingegen absolut nicht, im Gegenteil. Auch wenn derzeit einiges (ich hatte da entsprechend argumentiert) dagegen spricht. Es kommt darauf an, ob es entsprechende Erklärungen zu den Gegenargumenten gibt.