Olle_Schrulle schrieb:Das kann weg.
Im Gegenteil. Warum sich der Indizien berauben? Nicht immer Verstehen und Verständnis verwechseln.
Ich empfehle weiterhin - und mit offizieller Unterstützung durch Frau Engmark - die Lektüre von Madsens programmatischer Himmel- und Hölle-Erzählung. (danke
@GermanMerlin für das Einstellen der deutschen Übersetzung! Schöne Koinzidenz!) Nicht nur, weil sie einen Blick in seine Selbst- und Weltsicht darstellen SOLL, sondern auch weil sie diesen in einer Weise gestattet, die zu ganz anderen Schlüssen führt, als es sich der Autor erhofft haben dürfte.
Was Peter Madsen anpreist, und daher vermutlich für ein brillantes Meisterwerk nihilistischer Philosophie, zumindest doch aber für ein gelungenes Selbstportrait hält, ist in Form und Inhalt ein literarisch eher minderwertiges Machwerk, das die Spannung zwischen Gut und Böse zu einem billigen Dualismus vereinfacht: Gut ist sauber, spiessig, ordentlich - also: langweilig und tot. Böse ist bedrohlich aber echt und also: aufregend und lebendig.
Diese mehr als schlichte Botschaft bebildert er mit Metaphern aus der Mottenkiste des Stummfilms, (ohne dem Genre insgesamt Unrecht tun zu wollen!). Namedropping und Maschinenfaszination ersetzen auch im zweiten (angeblich so lebendigen) Teil Handlung und Entwicklung.
So bleiben die beiden mit viel verbalem Aufwand produzierten ungleichen Hälften von Madsens Dichotomie merkwürdig ziel- und leblos.
Noch in der trotzig-pubertären Abgrenzung bleibt Madsen der von ihm verachteten piefigen Kirchlichkeit seiner Mutter verpflichtet, bestätigt sie im Negativen, statt sie zu überwinden.
Auch sein Ballon-Verfolgungstraum strafloser Unerreichbarkeit endet ja kaum zufällig zwischen den beiden hoch aufragenden Türmen auf der "Mutter Kirche" von Roskilde, DER Krönungskirche Dänemarks (Djursing nannte pm den kleinen Kronprinzen).
Mir scheint in dem Text insofern das Dilemma von Madsens Grundproblematik recht gut eingefangen: Die brutal erzwungene Trennung der beiden für eine gedeihliches Reifen notwendigen Lebenshälften beendete seine psychische Entwicklung. Trotz oder wegen tödlicher Zerrissenheit gelingt es ihm nicht, beide Seiten miteinander zu versöhnen. Er bleibt im Kriegsmodus.
Beitrag von Trimalchio (Seite 294)Der an anderer Stelle von ihm beschriebene mörderische Hass wegen des Ausgeschlossenseins durch den Raketenklub (der in ihm brennt "wie Plutonium") ist Deckerinnerung und gründet natürlich ebenfalls auf dieser in der Kindheit erlittenen unverarbeiteten Trennung.
Der Tod des Vaters war ihm nach egener Aussage das Absprengen einer Raketenstufe. Der Mord an KW wäre insofern das Zünden einer neuen Stufe, das ihn sehr effektiv und für alle sichtbar aus den Zusammenhängen der menschlichen Gesellschaft und Moral herauskatapultiert hat. Ob der dabei offen zu Tage liegende Dilettantismus nicht zugleich auch der Erhöhung des Einsatzes und damit dem Kitzel als Gefühlsersatz diente? Ein bewusstes Spurenlegen als Spiel mit den Verfolgern? Was unsereinem wie Dummheit vorkommt, mag ihm selbst vielleicht als geniales Improvisations-Kunstwerk erscheinen.
Dass er dabei nicht nur ein blühendes junges Leben ausgelöscht hat, sondern auch im gesamten Umkreis von Refshsleöen verbrannte Erde hinterlässt, dürfte einer solchen Ausnahmepersönlichkeit wie Madsen, die für sich die höheren Interessen des Kriegsrechts in Anspruch nimmt, bei seinem auf das Höhere gerichteten Blick nur als unvermeidbarer Kolateralschaden erscheinen.
Tragisch, dass ihm die Hohlheit und seiner Ziele nichteinmal ansatzweise bewusst ist. Madsen verwechselt auf dem moralischen Niveau eines Sechsjährigen Technik und Quantität mit menschlicher Grösse. Soviel zur 'Genialität' des pm, der sich in seiner vermeintlichen Unverständlich- und damit Unerreichbarkeit seiner Bosheit überhebt und sonnt.
Immerhin ist dem Scheidungskind, dem Kollaborateurssohn und Studienabbrecher gelungen, im Jahr 2017 zum meistgegoogelten Dänen zu avancieren.