Kaietan schrieb:Wenn man unterstellt, dass der Tatverdächtige mit dem Vorsatz zu morden zu Brücke fuhr, dann machen so einige Aspekte keinen Sinn:
- das Abstellen des PKW wie auf dem Präsentierteller auf einem von der Strasse einsehbaren Parkplatz
- die Wahl eines Parkplatzes an einem Ort, der ihm einen deutlich über einen Kilometer langen Rückweg entweder über die auch von anderen frequentierten Wanderwege oder an der Strasse entlang aufzwang
- der Spaziergang zur Brücke über die Wanderwege bei dem er ja fast schon zwangsläufig anderen begegnen musste (und auch tat)
- das Warten wiederum wie auf einem Präsentierteller auf der ersten Plattform der Brücke. Wiederum ist er dabei fast schon zwangsläufig jemandem aufgefallen.
- die Auswahl des Tatorts in unmittelbarer Nähe seines Wohnorts und Arbeitsplatzes und das obwohl er in diesem kleinen Ort einen Arbeitsplatz mit Kundenkontakt hatte, also jederzeit erkannt werden konnte
- das freiwillige Melden bei den Ermittlungsbehörden nach der Tat. OK, das kann man natürlich mit einer Panikreaktion erklären, weil er diversen Zeugen begegnet war - aber genau das hat er ja nun auch schon vor der Tat gewusst und fand es zu dem Zeitpunkt offenbar nicht problematisch.
- der blutbesudelte und schlammverschmutze Rückmarsch entlang der öffentlichen Strasse zum Stellplatz des PKW
- das Verlieren einer Patrone am Tatort
- und letztendlich auch die Tatsache, dass er mordete, obwohl er auf dem Weg zum Tatort Augenzeugen begegnet war und ihm das auch bewusst war
Natürlich kommt in dieser Aufzählung einiges zusammen, worüber wir fast 6 Jahre nach der Tat an unseren Schreibtischen und Computern den Kopf schütteln. Aber man darf eben nicht vergessen, dass man wahrscheinlich selbst mit monatelanger Vorbereitung kein perfektes Verbrechen planen kann, weil eben immer auch viele Faktoren Einfluss haben, die man weder sicher vorhersehen noch sicher kontrollieren kann. Angefangen bei dem Verhalten der Opfer (ob diese in Anbetracht der vorgezeigten Waffe tatsächlich kooperieren oder einfach laut schreiend davon laufen) über die Frage, wo er ihnen begegnet (ist der Ort eher günstig oder ungünstig), bis hin zu der Frage ob er an dem Tag überhaupt "passende" Opfer findet (und selbst wenn er mit diesen als AS verabredet gewesen sein sollte, heißt das ja noch nicht, dass sie überhaupt kommen, dass sie alleine kommen, dass sie sich als Opfer eignen...). Das Wetter spielt sicher auch eine Rolle: an einem der wenigen warmen Tage im Februar sind viel mehr potentielle Zeugen unterwegs; an einem düstern winterlichen Tag dagegen trifft man sicher auf deutlich weniger störende Spaziergänger, dafür entschließen sich an einem solchen Tag aber wahrscheinlich auch keine jungen Mädchen zu einem spontanen Wanderausflug (oder lassen sich an einen einsame Brücke locken).
Wir wissen also nicht, welche Teile der Handlung geplant waren, welche aus spontanen Überlegungen entsprangen und welche eine bloße Reaktion auf von außen einwirkenden Umständen waren.
Hinzu kommt noch, dass man selbst von einem abgebrühten Mörder eine hohe Nervosität erwarten darf, eine Unsicherheit, welche Entscheidungen welche Konsequenzen für die weitere Tat hat und welche Reaktion die Entscheidung für einen einzelnen Schritt bei den Opfern hervorrufen mag.
Insofern kann man so eine Tat sicher besser planen. Sie z.B. an einem besseren Ort durchführen, der z.B. besser mit dem Auto zu erreichen wäre oder abgelegener ist. Oder sie ein paar 100 Meilen vom vom eigenen Wohnort entfernt durchführen, weil dann die Gefahr nicht so groß ist, von Zeugen wieder erkannt zu werden.
Man kann auch warten, bis die Polizei einen Hinweis bekommt, dass man an dem Tag in dem Gebiet unterwegs war und muss sich dann überlegen, was man auf die Frage, warum man sich denn noch nicht als Zeuge gemeldet habe, obwohl die ganze Stadt, inkl. Pharmacy und Stammkneipe mit Zeugenaufrufen zugepflastert sind.
Aber man kann sich bei jeden dieser Schritte auch rational für eine andere Lösung entscheiden, z.B. die Tat nahe am Wohnort durchführen, weil man dort die geografischen Gegebenheiten einschätzen kann, weil man dort notfalls monatelang spazieren gehen kann, bis einem das passende Opfer in der passenden Situation über den Weg läuft, ohne einen großen Aufwand zu betreiben und zuhause erklären muss, warum man jeden Monat hunderte von Meilen mit dem Auto runterreißt.
Nur in der Summe wirken die Verhaltensweisen und vom Täter eben nicht sehr gut überlegt und durchdacht, risikoreich und kopflos. Aber der Täter steht ja immer konkret nur vor einer einzigen Entscheidung: parke ich hier oder dort, nehme ich dieses Opfer oder jenes, welches ist der beste Weg zum Auto zurück.
Und dann sind es ja auch immer graduelle Unterschiede zwischen den Optionen. Es gibt weder den perfekten Parkplatz für das Auto, noch das perfekte Opfer, die perfekte Situation, den perfekten Tatort und den perfekten Rückweg. Das ist immer ein subjektives Abwägen und das muss dazu oft eben auch noch schnell und spontan erfolgen, ohne dass alle Informationen zur Verfügung stehen.
Ein Täter denkt eben sicher nicht: "Die Gelegenheit mit diesen zwei jungen Mädchen auf der Brücke ist zwar günstig, weil gerade keine Zeugen da sind und ich ihnen den Weg abschneiden kann, aber nach der Tat habe ich bestimmt schmutzige Kleidung, wie soll ich denn dann von hier ungesehen zum Auto zurück kommen?!"
Sondern er sieht die Situation als passend an, entscheidet sich zu der Tat. Dann kommen viele Teilschritte und -entscheidungen, alle mit mind. zwei, in der Regel aber meist deutlich mehr Optionen und nach der Tat steht er dann da und muss sich entscheiden, wie er zum Auto zurückkommt. Einen Weg muss er nehmen und je nachdem, welche Prioritäten er setzt, kann er warten bis es dunkel wird (aber er ist naß, es ist kalt und er hört aus einigermaßen naher Entfernung schon die Rufe des Vaters, der die Mädchen sucht), den Wanderweg entlang gehen, (der eher unfrequentierter als die Straße ist, aber es ist auch auffälliger und schwerer, sein verschmutztes Äußeres gegenüber einem Fußgänger, der im Abstand von unter 1 m an einem vorbei geht zu verbergen als an einem vorbei fahrendem Auto) oder die Straße nehmen (die kürzeste Strecke). Alle Optionen haben Nachteile, Vorteile und Risiken, aber für eine muss er sich wohl oder über entscheiden...
Kaietan schrieb:In Summe ist das alles schon ein echt erstaunliches Verhalten. Wenn er es wirklich war und auch unter der Annahme, dass er nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, wirkt das schon fast so, als hätte es da einer drauf angelegt, erwischt zu werden. Oder es war ihm egal. Oder er war es tatsächlich nicht.
Ich nehme nicht mal an, dass er eine so wenig helle Kerze ist. Immerhin hat er als "pharmacy technician" gearbeitet. Auch wenn das je nach Bundesstaat kein einheitlicher Ausbildungsgang ist, so muss man dafür dich einiges an Fachwissen in einer Prüfung für eine Zertifizierung nachweisen, die auch regelmäßig erneuert werden muss. Das ist also ein durchaus anspruchsvoller Job.