2r2n schrieb:Mir geht es nicht unbedingt um ein Wiederaufnahmeverfahren. Das würde wohl hauptsächlich im Interesse von M. liegen. Und bekanntlich gibt es ein WAV nur bei neuen Beweisen. Ob die vorliegen, kann ich nicht beurteilen.
Ich bin zunächst daran interessiert, etwas näher an die Wahrheit heranzukommen. Das bedeutet auch, dass ich das Phonetik Gutachten nicht unbedingt kippen will. Ich will, dass es überprüft wird.
Ich kann nachvollziehen, dass der Wunsch von Hinterbliebenen ist, die Wahrheit lückenlos aufzuklären. Dieser Wunsch wird gerne von Anwälten befeuert.
Es gibt aber viele Bereiche, wo es keine 100% geben kann, nicht in der Medizin, nicht mal im technischen Bereich. Im Phonetik-Gutachten wurden Eigenheiten diesem speziellen Gerät zugeordnet, die Ermittler haben sogar weitere Modelle aufgekauft, die Eigenheiten fanden sich aber nur an diesem sichergestellten Gerät. Ich kenne mich mit Phonetik und Tontechnik nicht aus, mein Freund hat aber ein Tonstudio und produziert Musik, daher weiss ich, wie wichtig der Raum ist, die Lautsprecherposition, Lage des Mikrofons, Schalldämmung etc. Das wären hier ja alles Variablen, die man im Gutachten wegen Unwissenheit offen lassen muss. Daher wundert es mich, dass man sich mehr erwartet. Die Eigenheiten/Macken des gesicherten Gerätes dürften aber schon sehr auffällig gewesen sein. In Zusammenschau mit anderen Indizien, die für M. sprachen (und da meine ich nicht einen besoffenen Tagelöhner), stellt sich die Frage, ob es so viele „Zufälle“ geben kann? Ich denke eben nicht. Manchmal muss man 1 und 1 zusammenzählen, das hat auch das Gericht korrekterweise so gemacht.
Nicht, dass ich es nicht begrüssen würde, ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Frage ist nur, wohin soll das führen? Soll das alte wegen „Formalfehler“ gekippt werden? Wem ist damit geholfen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mittäter noch frei rumläuft, ist relativ gross. Dass M. die Entführung alleine durchzog, aber prinzipiell auch nicht ganz ausgeschlossen. Dass durch ein neues Gutachten, eine Zivilrechtsklage oder ein WAV dieser potentielle Mittäter nun ermittelt werden könnte, ist eher unwahrscheinlich.
SCMP77 schrieb:Soll man dann alles beim alten belassen und den Verurteilten im der JVA noch weitere 15 Jahre schmoren lassen (Unschuldige werden selten vorher entlassen, weil sie ihre angebliche Schuld selten zugeben)? Wer will in einem eigentlich solchen Staat leben?
M. wurde rechtskräftig verurteilt. Wie du aus einem anderen Thread weisst, bin ich kein Fan von WAVs, die sich auf Formalfehler ohne neue Beweise stützen.
Ja, ich möchte in einem Staat leben, wo „in dubio pro reo“ gilt, aber nicht in einem, wo diese Regel ad absurdum geführt wird, indem man 100% Sicherheit fordert, wo es keine 100%ige Sicherheit geben KANN.
SCMP77 schrieb:Dass das aktuelle Gericht das Verfahren schon in der ersten Instanz auf 5 Jahre gedehnt hat, spricht jedenfalls nicht für unseren Staat.
Mann muss auch mal die Kirche im Dorf lassen! Es ist ein zivilrechtlicher Prozess, offiziell geht es um Schmerzengeld. Dass es den Initiatoren indirekt auch um Wiederaufrollung oder andere Hintergedanken wie WAV geht, kann/muss diesem Gericht eigentlich egal sein. Ein zivilgerichtlicher Prozess ist von der Dringlichkeit eben nicht dasselbe, wie wenn ein Tatverdächtiger in einem anstehenden Strafprozess in U-Haft sitzt!
Wenn einem das Schicksal M.s am Herzen liegt, dann muss man eben in den sauren Apfel eines WAVs beissen!