Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
29.04.2018 um 23:18AnnaKomnene schrieb am 26.04.2018:Ja, das war es, @ErwinKöster schrieb bedingter Vorsatz. Aber wieso war es denn nun keiner, ich meine in der offiziellen BegruendungDas grundsätzliche Problem ist die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. Da gibt es einen ganzen Haufen an von der Judikatur entwickelte Theorien, die ich euch aber lieber erspare. Vorsatz heisst "Wissen und Wollen der Tat". Bedingter Vorsatz bedeutet, dass ein Täter den schädlichen Erfolg seines Handelns zwar nicht beabsichtigt, auch nicht gewiss weiß, dass er eintritt, ihn jedoch ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Mit anderen Worten, die Möglichkeit des "Tatunwerts" billigend in Kauf nimmt. Entscheidend ist, ob er sich damit abfindet und ihn letztlich akzeptiert, etwa zur Verfolgung anderweitiger Ziele. Bewusste Fahrlässigkeit heisst dass der Täter mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt hofft und zwar ernsthaft, also nicht nur vage darauf vertraut, dass der tatbestandliche Erfolg schon nicht eintreten wird. Da es sich dabei in der Praxis meistens um Abweichungen in Nuancen handelt hat das Gericht die schwierige Aufgabe die Unterschiede in Form einer Gesamtschau zu überprüfen. Grundlegend ist dafür das sogenannte kognitive Wissenselement, also die innereTäterseite. Der BGH führt in st Rsp dazu aus (ich zitiere das lieber)
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.; vom 13. Januar 2015 - 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 jeweils mwN). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11, NZWiSt 2012, 71 f.)Offensichtlich waren das "voluntative Vorsatzelement" und die geprüften Umstände der Tat nicht ausreichend für eine Mordanklage. Die Anwältin von 2r2n beantragte ja eine Mordanklage, mit dem Argument dass das Einsperren eines Kindes in einer unterirdischen Kiste sowie die dilettantische Belüftung ein derartiges Maß an objektiver Sorgfaltverletzung offenbarte, das für bedingten Vorsatz ausreichen würde. Das Gericht sah das als nicht ausreichend an.
Anders ausgesehen hätte es wenn man hätte nachweisen können, dass die (vermutliche) absichtliche Überdosierung mit Lachgas ebenfalls ursächlich für den Tod des Opfers gewesen wäre und die Motivation dafür gewesen wäre das Opfer möglichst lange ruhigzustellen. Die "Billigung" hätte sich aus der zusätzlichen Tatsache ergeben, dass die Belüftungsanlage im Prinzip primär als Absorptionsschalldämpfer konzipiert war und die Endrohre zur Tarnung/Schalldämpfung mit Erde verstopft wurden. Diese Anhäufung hätte meines Erachtens für Mord ausgereicht.
@Mark_Smith
Bei West ging es primär um die genauen Leichenfundorte im Keller bzw. Hinterhof von Cromwell Street 25, die dann fast genau seinen Angaben entsprachen. P. fand dagegen nicht einmal das angeblich von ihm gegrabene Loch.
@AnnaKomnene
Deine Überlegung hinsichtlich des nach hinten überstreckten Genicks des Opfers wäre, wenn es das Werk der Täter war, um ein Ersticken bei Bewusstlosigkeit zu verhindern ein weiteres Indiz für Täter mit einer holprigen und lebensfremden Empathie.
Gruß EK