Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
24.04.2018 um 07:24(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.Das dumme ist doch, dass das, was da im Gesetz steht, eigentlich nur derjenige richtig beurteilen kann, der auch wirklich Sachkunde besitzt.
Wie kann ein Richter als Laie feststellen, dass die Sachkunde der Gutachterin ausreichend war?
In Wirklichkeit kann er es nicht, es ist eine bloße Annahme, wozu das führt haben wir im vorliegenden Strafverfahren gesehen. Da trägt die Gutachterin vollkommen Falsches vor (Die Verstellung des Wiedergabekopfes habe angeblich keinen Einfluss auf den beobachteten Effekt, dass der Aufnahmeraum kein Einfluss haben soll etc.).
Für einen Fachmann erkennt man daran direkt, dieser Sachverständige hat nicht den ausreichenden Sachverstand um dieses Gutachten zu erstellen. Aber wie soll der Richter dies und auch Widersprüche etc . erkennen? Das ist ein unmögliches Unterfangen, daher ist das schlicht und einfach ein vollkommen weltfremdes Gesetz.
Es müsste ebenso gelöst sein, dass grundsätzlich – falls der Angeklagte, StA oder eine Partei mit diesem nicht einverstanden ist - ein weiteres Gutachten erstellt werden muss. Wenn beide zum gleichen Ergebnis kommen, dann ist erst mal die Wahrscheinlichkeit, dass beide danebenliegen, deutlich geringer. Nichts anderes erfolgt ja in jedem Gerichtsverfahren selbst, es entscheiden immer min. 3 Richter. Abgesehen davon kann man in den meisten Fällen auch Berufung einlegen.
Wenn man zwei Gutachten vorliegen hat, kann selbst ein Laie dann schon eher – wenn er will – Lücken, etc. erkennen.
Vorliegend hat sich die Gutachterin in keiner Weise mit entlastenden Aspekten auseinander gesetzt, eigentlich ein klares Zeichen – auch ohne Sachverstand – das da etwas nicht stimmen kann. Wie bei der Bewertunmg von Indizien in Gerichtsverfahren können auch in der Wissenschaft beobachtete Effekte auf verschiedenen Phänomenen basieren. Wenn in einem Gutachten solche Erklärungsalternativen komplett fehlen, dann kann man bei zwei Gutachten schon besser erkennen, welches Gutachten hier vermutlich von einer in der Sache kompetenteren Person erstellt wurde.
Eigentlich müsste auch ein einzelnes Gutachten ohne Bewertung von Alternativerklärungen (wie dem voliegenden) auch einem Richter ohne Sachverstand äußerst dubios vorkommen, weil das in Wirklichkeit vollkommmen weltfremd ist. Aber da muss dann auch ein Wille vorhanden sein. Wenn man hier sieht, dass der Richter extra 2 Gutachten bzgl. des Tinnitus anfertigen ließ, fehlt hier offenbar der Wille ein dem Strafurteil widersprechendes Urteil zu fällen und da macht man es sich eben erstmal bequem, in dem man erst bzgl. des Tonbandgerätegutachten erst gar kein zweites erstellen lässt.
Im Zivilverfahren muss - im Gegensatz zum Strafverfahren - der Richter jedoch ankündigen, wie er zum Gutachten steht, um den Parteien zu ermöglichen, weitere Beweismittel zu bringen, andernfalls wird das als Überraschungsurteil angesehen und das dann so gewertet, dass den Parteien nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Das zeigt, dass das Zivilverfahren deutlich weiter entwickelt ist, als das Strafverfahren. Im Zivilverfahren erfolgt auch eine wirkliche Protokollierung der Zeugen- und Gutachteraussagen.
So ein Beschluss ist aber recht kurz gehalten, er weist nur auf die Gesetze und evtl. Urteile hin, eine genaue Auseinandersetzung, warum er das Gutachten als ausreichend ansieht, erfolgt in der Regel an diesem Punkt noch nicht. Das erfolgt dann erst im eigentlichen Urteil, aber auch das besteht dann meist auch nur aus typischen Floskeln (kein Belastungsinteresse sichtbar, .... blah blah, was soll ein Richter ohne Sachverstand und ohne zweites Gutachten auch sonst schreiben).