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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

08.10.2019 um 00:52
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und warum, glaubst du, gibt es die freie richterliche Beweiswürdigung? Eben: Weil kein Gesetz es schafft, per Kasuistik für alle im Leben nun mal vorkommenden unendlich vielen Konstellationen verbindlich festzulegen, was in welchem Fall ein ausreichender Beweis ist und was nicht. Schema F funktioniert da nicht.
Das ist zwar richtig, aber das sagt noch lange nichts darüber aus, ob die wirkliche Wahrheit gefunden wurde, es ist eben nur die rechtliche.

Es ist auch bekannt, dass zwei unterschiedliche Gerichte nicht selten bei gleicher Indizienlage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Sei es in der Einordnung der Tat oder gar in der Frage von Verurteilung oder Freispruch. Auch die "freie richterliche Beweiswürdigung" ist alles andere als optimale Lösung, man hat eben nicht wirklich etwas besseres. Man hat sich mit dieser Problematik einfach abgefunden.

Je mehr es an Indizien mit einer eindeutigen Interpretation fehlt, umso wahrscheinlicher werden solche differierende Urteile. Wenn dann fast nur noch Vermutungen des Gerichts übrig bleiben, wird ein Urteil immer mehr zum Zufallsergebnis.


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08.10.2019 um 01:05
@JosefK1914-2

Es geht nicht anders: Es bleibt nur die freie richterliche Beweiswürdigung. Es wird nie ein Gesetz geben können, das festlegt, wann bei welchem Beweisergebnis eine Tatsache als bewiesen zu gelten hat und wann nicht.

Ich beobachte mit Interesse, dass gerade Mathematik- und technikaffinen Leuten diese freie richterliche Beweiswürdigung etwas unheimlich ist.

Ich glaube, es war sogar in diesem Thread, als allen Ernstes versucht wurde, die WahrscheinlichkeitRichtigkeit oder Falschheit von Zeugenaussagen per Durchschnittsberechnungsmodellen zu berechnen und für ein Gericht verbindlich festzulegen. Das ist natürlich großer Kappes.

Man wird akzeptieren müssen, dass es nicht anders geht, als dass ein Gericht letztendlich individuell darüber befindet, welchem Zeugen es warum was glaubt oder auch nicht. Und so ist es mit der Bewertung der übrigen in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise, egal ob es um Sachverständigengutachten, Augenscheinseinnahmen etc. oder auch der Bewertung des Geständnisses eines Angeklagten oder eben auch der Bewertung eines Widerrufs dieses Geständnisses geht. Beweiswürdigung heißt Interpretation.

Das, was im Gerichtssaal stattfindet, ist die bloße Beweiserhebung, also die Zeugenvernehmung als solche, das Anhören des Gutachters usf. Das Eigentliche, also die Interpretation oder Würdigung der erhobenen Beweise, findet nicht im Gerichtssaal, sondern danach in der Beratung des Gerichts statt.

Bisher ist jedenfalls noch niemandem was Besseres eingefallen als diese freie richterliche Beweiswürdigung. Aber kluge Leute oder sie, die sich dafür halten, können sich gerne mal an der Formulierung von Gesetzentwürfen versuchen, die dieses entsetzliche Unrecht endlich stoppen.....


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08.10.2019 um 01:28
@Andante

Habe ich meinem letzten Beitrag etwas anderes gesagt?

Wobei man natürlich nie in die Zukunft sehen kann, aber ich glaube KI wird das keine Lösung bringen, genaugenommen ist es die freie richterliche Beweiswürdigung ebenfalls nicht. Die Gedanken und das Tun eines Menschen sind nie wirklich vorhersehbar, dass kann ein Gericht genauso wenig mit der richterlichen Beweiswürdigung. Es wird immer Fehlurteile geben.

Was aber @ErwinKöster für den Fall II meinte. Wenn man ein Tatverdächtigen hat und man untersucht die Vergangenheit, wird man immer Indizien finden, die negativ für den TV zu deuten sind. Das Problem ist aber meist auch, würde man diese gleiche Suche auch bei anderen der Umgebung des Opfers machen, würde man nicht selten auf eben solche Indizien stoßen. Und das dumme ist, wenn man Zeugen befragt, die erinnern sich dann dummerweise nur an die negativen Erlebnisse, bzw. sie nehmen an, dass die anderen die Ermittler/das Gericht gar nicht hören wollen. Das Bild vom TV ist so verzerrt. Das sind eben psychologische Effekte, die da reinkommen. Diese Problematik wird nicht durch die freie Beweiswürdigung gelöst, denn die basiert auf einem u. U. verzerrten Bild, zusätzlich kann das Ergebnis von zwei Gerichten komplett unterschiedlich sein. Und zusätzlich kommt die Problematik hinzu, die anderen Personen sind für das Gericht unbekannt, sie finden sich - wenn überhaupt - in den Nebenakten.

Man weiß, damit muss man leben, dass die "freie richterliche Beweislösung" ist eben keinesfalls das non-plus-ultra.


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08.10.2019 um 09:19
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Man weiß, damit muss man leben, dass die "freie richterliche Beweislösung" ist eben keinesfalls das non-plus-ultra.
Non plus ultras gibt es prinzipiell nie und nirgendwo.

Die empirisch unterstützte Annäherung an die Wirklichkeit ist allerdings immer noch besser, als die völlige Willkür unter Verweis auf prinzipiell mögliche Fehler bei dieser Annäherung.


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08.10.2019 um 09:40
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Man weiß, damit muss man leben, dass die "freie richterliche Beweislösung" ist eben keinesfalls das non-plus-ultra.
Selbstverständlich nicht. Das behauptet ja auch keiner. Es kann nur darum gehen, was die beste aller schlechten Möglichkeiten ist.

Die manchmal zu beobachtende Naivität, mit der von Richtern verlangt wird, diese sollten unfehlbar sein, wundert mich nun doch. Es mag mit der abnehmenden Bedeutung von Religion in der Gesellschaft zu tun haben, dass nun quasi ersatzweise von staatlichen Institutionen verlangt wird, diese möchten zu 100 Prozent fehlerlos sein. Nein, sind sie nicht (genau so wenig wie Anwälte, Ärzte, Handwerker etc.) und behaupten es von sich selbst auch nicht.

Aber irgendwer in diesem Staat muss, wenn nicht schlich das Recht des Stärkeren gelten und keine Selbstjustiz stattfinden soll, nun mal die Rolle des Streitschlichters bzw. Bestrafenden übernehmen. Wie der ehemalige Bundesrichter Dr. Fischer dazu richtig anmerkt, sollten wir diese Rolle allerdings nur Leuten überlassen, die dafür entsprechend ausgebildet sind und die sonstigen Kriterien erfüllen, die für diesen Beruf wünschenswert sind. Was dazu gehört, muss die Gesellschaft halt definieren, und das sicher immer wieder neu, je nach den sich wandelnden gesellschaftlichen Anschauungen, welche ja auch die Gesetzgebung beeinflussen.

Fehlurteile werden sich aber bei aller Sorgfalt - und die sollten wir Gerichten schon unterstellen - nicht gänzlich vermeiden lassen. Ein Beweis für ein Fehlurteil ist es allerdings noch nicht, wenn ein fachfremder Journalist, wie etwa im Fall Genditzki geschehen, nach einer Urteilsverkündung empört schreibt, der Zuhörersaal habe einen Freispruch erwartet (oder umgekehrt).


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08.10.2019 um 09:57
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Auch die "freie richterliche Beweiswürdigung" ist alles andere als optimale Lösung, man hat eben nicht wirklich etwas besseres. Man hat sich mit dieser Problematik einfach abgefunden.
Vermutlich hat man das, weil

a) sämtliche historischen Versuche, mit Gesetzen und Vorschriften den Richter zur reinen Verfahrenssicherungs- oder Subsumtionsmaschine zu machen, kläglich gescheitert sind (das reicht von der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karl V. bis hin zum Allgemeinen Preussischen Landrecht),

b) Geschworenen- bzw. Jury-Modelle sehr anfällig für Sachfremdes sind (siehe USA),

c) die Anzahl möglicher Geschehensabläufe unbegrenzt, die menschliche Erkenntnisfähigkeit jedoch sehr begrenzt ist,

d) gut ausgebildete Berufsrichter, die die Zeugen und Sachverständigen befragt, die Gutachten gelesen und die Plädoyers gehört haben, immer noch am besten entscheiden können, was denn nun Sache ist.

Letztlich nimmt der Gesetzgeber (letztlich der Staat, also wir alle) in Kauf, dass Gerichte dabei Fehler machen. Er versucht durch verfahrensmäßige Absicherungen und allgemeine Regelungen einen Korridor zu schaffen und Revisionsgerichte prüfen (nur), ob die Grenzen dieses Korridors eingehalten werden.

Alles in allem, historisch und international betrachtet, stehen wir damit ganz gut da. Und wenn es Fehler gibt, dann bieten die Anlass für Kritik in der Sache (insofern findet öffentliche Teilnahme und Kritik zwar außerhalb des Systems "Recht" statt, sie ist aber wesentliche Bedingung eines funktionierenden Rechtssystems). Aber nicht Anlass für eine Generalverdammung oder -ablehnung.


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08.10.2019 um 09:59
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Das ist zwar richtig, aber das sagt noch lange nichts darüber aus, ob die wirkliche Wahrheit gefunden wurde, es ist eben nur die rechtliche.
Richtig. Der Gesetzgeber hat für die Gerichte verbindliche Abläufe festgestellt, genannt StPO, wie die Wahrheit zu finden ist.

Zum Recht gehört eben nicht nur das materielle Recht, hier das StGB, sondern auch der Weg der Rechtsfindung, die Prozessordnung, also das formelle Recht. Dieses Recht erfinden sich Richter nicht selbst, sondern es wird von den von uns allen gewählten Parlamentariern gemacht.

Ich schrieb schon mal, dass die, die sich ein anderes Recht wünschen, was Gerichte dann anwenden sollen, eben die entsprechenden Leute in die Parlamente wählen müssen.


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08.10.2019 um 10:10
Zitat von monstramonstra schrieb:c) die Anzahl möglicher Geschehensabläufe unbegrenzt,
Wir können alle besichtigen, was passiert, etwa im Steuer- oder Sozialrecht, wenn der Gesetzgeber (vergebens) versucht, im Gesetz selbst alle möglichen Fallkonstellationen im Leben zu erfassen. Es entstehen wahre Gesetzesmonstren, die kein Mensch, auch kein Richter oder Anwalt, mehr versteht, ellenlang mit Schachtelsätzen und in sich total unverständlich. Prompt müssen sie, da für die Praxis unhandhabbar und daher als Handwerkszeug für die Rechtsanwender untauglich sind, alle naslang korrigiert werden, wodurch weitere Textungetüme entstehen.

Der verstorbene Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda hat aus guten Grund von der "abnehmenden Normqualität" gesprochen. Er meinte damit, dass es dem Gesetzgeber zunehmend weniger gelingt, Gesetze so abstrakt zu fassen, dass sich darunter möglichst viele Lebenssachverhalte subvsumieren lassen. Gesetzemachen ist eben eine hohe Kunst, aber ohne gute Gesetze kann kein Gericht gut sein.


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08.10.2019 um 10:12
Zitat von AndanteAndante schrieb:Selbstverständlich nicht. Das behauptet ja auch keiner. Es kann nur darum gehen, was die beste aller schlechten Möglichkeiten ist.
Du sagst es sehr treffend, es mag die "beste aller schlechten Möglichkeiten" sein, aber dann muss man sich ganz klar bewusst sein, dass es eben das rechtliche Ergebnis nicht immer das Richtige ist. Und wenn sich zu einer wesentlichen Tatsache neue Erkenntnisse gibt, darf man nicht an dem ursprünglichen Ergebnis festhalten. Es gibt in manchen Fällen nur sehr wenige Indizien, welche nur eine Interpretationsrichtung erlauben. Die Interpretationen in einem Urteil bauen häufig aufeinander auf, wenn dann ein zentrales Indiz kippt, bringt es nicht, das Urteil noch weiter gutzureden. Man kann dann nicht mehr behaupten, dass das Gericht unter den neuen Umständen zum gleichen Ergebnis gekommen wäre.

Über das Tonbandgerätegutachten ist hier im Forum schon ausreichend diskutiert worden. Die sich wirklich mit diesem beschäftigt haben und die ausreichende Expertise dazu haben, sehen es als fehlerhaft an. Die Gutachterin hat im Zivilverfahren auch nachgeben müssen, sie hat nun letztlich zugeben müssen, das der geschwächte 6. Ton mit jedem beliebigen Gerät produzierbar ist. Und auch musste sie zugeben, dass die Geräusche, welche vor der Tonfolge zu hören sind, nicht wirklich mit dem TK248 vereinbar sind. Die Täter müssten bewusst diese Geräusche manipuliert haben. Irgendwelche Anhaltspunkte hat sie dazu jedoch nicht, es ist eine reine Vermutung, welche nie ein "wahrscheinlich" begründen kann. Aber darüber wurde hier schon umfangreich diskutiert.

Warum dann manche Forumsteilnehmer dann hier vollkommen pauschal das Gutachten als richtig ansehen ist und bleibt schleierhaft. Ja, es mag sein, dass dieses Forum teilweise viel zu viele technische Details besprochen werden. Man müsste eben - um das wirklich beurteilen zu können -. einen ausreichenden technischen Background haben oder im Ansatz versuchen sich da wirklich reinzudenken. Letzteres ist aus meiner Sicht schon möglich und wenn man das versucht, kann man dann auch ganz konkret argumentieren.
Zitat von monstramonstra schrieb:Aber nicht Anlass für eine Generalverdammung oder -ablehnung.
Genau das wird hier auch nicht gemacht. Hier im Forum werden eben eher Versuche unternommen, die richterliche Beweiswürdigung als richtig anzusehen, auch wenn wesentliche Tatsachen zumindest zweifelhaft sind.


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08.10.2019 um 10:21
Zitat von monstramonstra schrieb:d) gut ausgebildete Berufsrichter, die die Zeugen und Sachverständigen befragt, die Gutachten gelesen und die Plädoyers gehört haben, immer noch am besten entscheiden können, was denn nun Sache ist.
Gibt es dazu wirklich Untersuchungen oder ist das ein Bauchgefühl? Für eine belegbare Quelle, die das bestätigt, wäre ich dankbar. Ich bin mir da gar nicht sicher. Es gibt hier teilweise gerade im Deutschen Recht psychologische Probleme, die ein Gericht erstmal überwinden muss.

Und die große Frage, die ich Dir stelle, wie werden denn in D die Richter bzgl. der Befragung von Zeugen ausgebildet. Wie ist hier die genaue Vorgehensweise.

Was können die Richter bei dem Lesen von Gutachten wirklich erfassen, wenn sie keine fachliche Expertise dazu besitzen, wie können sie dann feststellen, dass das Gutachten sachlich richtig ist?


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08.10.2019 um 10:40
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Es gibt hier teilweise gerade im Deutschen Recht psychologische Probleme, die ein Gericht erstmal überwinden muss.
Die psychologischen Probleme, die Laien überwinden müssen, sind jedenfalls viel höher. Frage mal Schöffen!
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Und die große Frage, die ich Dir stelle, wie werden denn in D die Richter bzgl. der Befragung von Zeugen ausgebildet.
Schon im Jura-Studium gibt es entsprechende Angebote.

Entscheidender als der Bachelor in Aussagepsychologie sind aber zwei Dinge: 1. ein wissenschaftlich geschultes Vorgehen, dass sich auch danach bemisst, welche Antworten des Zeugen für die Fallentscheidung rechtlich relevant sind; 2. Professionelle Erfahrung.
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Was können die Richter bei dem Lesen von Gutachten wirklich erfassen, wenn sie keine fachliche Expertise dazu besitzen, wie können sie dann feststellen, dass das Gutachten sachlich richtig ist?
1. Der Richter dürfte von einem Gutachter verlangen, dass er sich so ausdrückt, dass es laienverständlich ist. Gerichte nehmen deshalb gerne Gutachter, die das ganz gut können: Erklären. 2. Plausibilität. Das Gutachten muss widerspruchsfrei sein, es darf keine relevanten Fragen offen lassen und die Schlüsse müssen verständlich erläutert werden. 3. Das Gutachten muss mit anderen Erkenntnisquellen (Spuren, Zeugenaussagen, Aktenauszüge usw.) in Übereinstimmung zu bringen sein.

Wenn man einen gewissen Grundstock an wissenschaftlicher Ausbildung hat, weiß, was Logik und Deduktion sind, wie Naturwissenschaftler und Ingenieure in etwa arbeiten und ein bisschen Neugier am Thema mitbringt, dann kann man die sachliche Richtigkeit eines Gutachtens wohl wesentlich besser einschätzen als die Richtigkeit einer Zeugenaussage.


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08.10.2019 um 10:47
Zitat von monstramonstra schrieb:dann feststellen, dass das Gutachten sachlich richtig ist?1. Der Richter dürfte von einem Gutachter verlangen, dass er sich so ausdrückt, dass es laienverständlich ist. Gerichte nehmen deshalb gerne Gutachter, die das ganz gut können: Erklären. 2. Plausibilität. Das Gutachten muss widerspruchsfrei sein, es darf keine relevanten Fragen offen lassen und die Schlüsse müssen verständlich erläutert werden. 3. Das Gutachten muss mit anderen Erkenntnisquellen (Spuren, Zeugenaussagen, Aktenauszüge usw.) in Übereinstimmung zu bringen sein.
So ist es. Ein Gutachten, das - zunächst einmal nur als reines Beweismittel - vom Gericht akzeptiert wird, muss zB am Anfang erläutern, was genau untersucht wurde und mit welchen Methoden das geschehen ist. Da gibt es so ein bestimmtes Aufbauschema, was Gerichtsgutachter im allgemeinen kennen.


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08.10.2019 um 11:06
Zitat von monstramonstra schrieb:Entscheidender als der Bachelor in Aussagepsychologie sind aber zwei Dinge: 1. ein wissenschaftlich geschultes Vorgehen, dass sich auch danach bemisst, welche Antworten des Zeugen für die Fallentscheidung rechtlich relevant sind; 2. Professionelle Erfahrung.
Bei einem Kollegialgericht ist auch nicht zu unterschätzen, dass die vernehmenden Berufs- und Laienrichter ihre Erkenntnisse zur Glaubwürdigkeit des Zeugen untereinander austauschen können. In der Beratung wird natürlich diskutiert, wer welchen Eindruck von dem Zeugen hatte, wem an der Aussage was aufgefallen ist, an welcher Stelle seiner Aussage der Zeuge plötzlich vage oder im Gegenteil überaus anschaulich wurde, wo welche Widersprüche zu anderen Aussagen sind oder auch nicht und dergleichen.

Ein Einzelrichter hat es da viel schwerer. Der hat nur sich selbst zum Beraten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

08.10.2019 um 11:32
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ein Einzelrichter hat es da viel schwerer. Der hat nur sich selbst zum Beraten.
Das ist kein leichter Job. So gibt es dann die weißhaarigen Exemplare dieser Gattung, die am AG für Strafsachen hängen geblieben sind und durch eine eigenwillige Rechtsprechung auffallen.

Nicht immer zum Nachteil des Angeklagten. Der subjektive Erfahrungsschatz des Richters ist halt entscheidend. "Das hätte mir auch passieren können!" oder "Das würde mir nie so passieren./Das habe ich noch nie erlebt." sind dann wesentliche Säulen der Urteilsfindung. Es gibt extrem beratungsresistente und sture, aber auch sehr milde und beeinflussbare Exemplare, die den ganzen Kleinkram beiseite räumen müssen, der nie die Gazetten erreicht.

Letztlich vollbringt der Einzelrichter viel Justizverwaltung, deren Qualität oft erstaunlich hoch ist. Zu 90% trifft es schon mehr oder weniger die Richtigen. Aber nicht immer, da es keine kollegialen Korrekturmechanismen gibt. Früher haben die Menschen das kritiklos über sich ergehen lassen, heute starten sie Online-Petitionen.


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08.10.2019 um 13:26
Die Exemplare von Richtern im Stile des "Königlich bayrischen Amtsgerichts" sterben nach und nach aus. Wer heute als Einzelrichter bei den Amtsgerichten oder überhaupt bei den Eingangsgerichten sitzt, also die Frontschweine der Justiz und im Regelfall die ersten, mit denen ein Bürger in Berührung kommt, wenn er es mit Justitia zu tun hat, müssen schlicht die Flut der Verfahren bewältigen und die Sachen weghauen. Die Länderfinanzminister kennen da bei der Stellenbemessung kein Erbarmen. Überlastung der Gerichts? Pah, gibt´s nicht, die Richter sollen nicht so viel rumjammern über Arbeitsbelastung.

Wobei bei den Frontschweinen der Justiz die Kenntnis von Land und Leuten und eine volksnahe Sprache hilfreich ist.


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08.10.2019 um 17:49
Zitat von monstramonstra schrieb:

  1. Der Richter dürfte von einem Gutachter verlangen, dass er sich so ausdrückt, dass es laienverständlich ist. Gerichte nehmen deshalb gerne Gutachter, die das ganz gut können: Erklären.
  2. Plausibilität. Das Gutachten muss widerspruchsfrei sein, es darf keine relevanten Fragen offen lassen und die Schlüsse müssen verständlich erläutert werden.
  3. Das Gutachten muss mit anderen Erkenntnisquellen (Spuren, Zeugenaussagen, Aktenauszüge usw.) in Übereinstimmung zu bringen sein.
Eigentlich eine Liste, die nicht wirklich fehlerhafte Gutachten aufdeckt, ich denke, dass Du Dir da etwas vormachst.

Gehen wir mal mit die einzelnen Punkten durch:

1. Der Richter dürfte von einem Gutachter verlangen, dass er sich so ausdrückt, dass es laienverständlich ist. Gerichte nehmen deshalb gerne Gutachter, die das ganz gut können: Erklären.
Kann damit erkannt werden, ob ein Gutachter den Sachverhalt hinreichend untersucht hat, sprich ihn in alle möglichen Richtungen untersucht hat, alle Möglichkeiten für die sichtbaren Effekte erschöpfend berücksichtigt hat?

Die Antwort lautet:

Nein, dazu benötigt man ausreichendes Fachwissen. Die Frage 1. bewertet einzig und allein, wie sich ein Gutachter gegenüber einem Laien „verkaufen“ kann, mehr nicht. Und diesbzgl. hat er jahrelang Erfahrung.


2. Plausibilität. Das Gutachten muss widerspruchsfrei sein, es darf keine relevanten Fragen offen lassen und die Schlüsse müssen verständlich erläutert werden.
Kann damit erkannt werden, ob ein Gutachter den Sachverhalt hinreichend untersucht hat, sprich ihn in alle möglichen Richtungen untersucht hat, alle Möglichkeiten für die sichtbaren Effekte erschöpfend berücksichtigt hat?

Die Antwort lautet:

Nein, dazu benötigt man ausreichenden Fachwissen. Denn wer kann erst überhaupt wissen, welche Fragen „relevant“ sind. Ein Laie? Doch nur Leute mit ausreichendem Fachwissen, welche eben auch die anderen Erklärungsmöglichkeiten kennen. Und hier kommt schon wider das Wort "verständlich" vor, das nur zeigt, dass sich der Gutachter gegenüber einem Laien gut verkaufen kann. Der Schluss, dass er damit für den Fall ausreichend Sachverstand besitzt, kann nicht getroffen werden.
3. Das Gutachten muss mit anderen Erkenntnisquellen (Spuren, Zeugenaussagen, Aktenauszüge usw.) in Übereinstimmung zu bringen sein.
In Übereinstimmung kann man ein verkehrtes Gutachten häufig bringen, gerade dann wenn es wenige wirklich andere eindeutige Indizien gibt. Der Badewannenmord ist so ein Beispiel, da wurde auch schon ausreichend diskutiert, dass das Urteil dann letztlich auf Vermutungen aufbaut.

Und hier gibt es ein weiteres Problem, welche Spuren etc. stützen das Gutachten, welche widerlegen es? Wenn dann dazu der Gutachter teilweise selber eine Beurteilung macht, dann wird es sehr schwierig.

So wurden mit dem Tonbandgerät etliche Tonbänder beschlagnahmt. Wie gesagt, keines dieser Tonbänder waren je mit dem TK248 bespielt. Hierfür die Aussage der Gutachterin, dass diese den Angeklagten nicht entlasten könnten. Keinerlei Erklärung hierfür, nichts.

Hier muss man natürlich sich fragen, ob die Gutachterin die Behauptung Ms bzgl. der Flohmarkt-Geschichte kennt. Hat sich die Gutachterin gefragt, ob nicht genau das die Geschichte stützen könnte? Offenbar nicht, denn wäre das Gerät schon lange im Besitz von M hätte es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit solche Bänder mit dem TK248 bespielt gegeben. Natürlich könnte es sein, dass er es über viele Jahre in "Versteck" hatte, aber er muss es schon vor 1982 schon lange im Besitz gehabt haben und trotzdem kein einziges Band mit dem TK248 bespielt? Nein, in Wirklichkeit ist es ein Indiz dafür, dass es kürzlich in seine Besitz gelangt war.


Zumindest die Punkte 1 und 2 in Wirklichkeit untauglich sind, ein fehlerhaftes Gutachten zu erkennen. Der Punkt 3 könnte es belegen, aber auch hier ist zu beachten, viele Indizien lassen sich unterschiedlich deuten. Mal in die eine, mal in die andere Richtung. Das ist das Problem, dadurch dürfte allein der Punkt 3 nur in wenigen Fällen ein falsches Gutachten erkennen lassen. Es müssten schon viele eindeutige Indizien geben, die in eine Richtung gehen.

Ich werde hier jetzt nichts mehr weiter über das Gutachten ausführen, hierzu ist hier auch schon alles gesagt worden, die Punkte, die im Gutachten nicht beachteten Möglichkeiten sind hier schon gefühlt tausendmal besprochen worden. Das zeigt letztlich, dass der Punkt 2 nie erfüllt gewesen war. Aber sichtbar ist das eben nur für diejenigen, welche etwas fachlich davon verstehen und dazu gehört eben nicht das Gericht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

08.10.2019 um 18:34
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Eigentlich eine Liste, die nicht wirklich fehlerhafte Gutachten aufdeckt, ich denke, dass Du Dir da etwas vormachst.
Gut, was wäre die Alternative? Das Gericht lässt drei Gutachten einholen. Wenn es Glück hat, kommen alle drei zum gleichen Ergebnis. Hurra.

Doch Juristen wissen: Zwei Juristen, drei Meinungen.

Sie fürchten deshalb: Drei Gutachter, drei Meinungen. Und dann? Kann das Gericht aus eigener Sachkunde sagen, welcher der drei richtig liegt? Soll es ein viertes Gutachten richten? Oder entscheidet das Los?

Die Situation entsteht schon häufig, dass die Verteidigung ein weiteres Gutachten einholt. Oft ist die Fragestellung vom Verteidiger schon so angelegt, dass das Gutachten für den Angeklagten von Vorteil ist. Es wird von anderen (unzutreffenden) Prämissen ausgegangen oder es gibt methodische Fehler. Damit kann das Gericht dann das Gutachten, ggf. unter Zuhilfenahme eines weiteren Gutachters, aushebeln. Oder das Gutachten der Verteidigung legt Schwächen des gerichtlichen Gutachters offen. Oft kommen Gutachten auch zum gleichen Ergebnis, wenn die Fragestellung identisch und hinreichend klar ist.

Davor gefeit, ein falsches Gutachten zur Grundlage eines Urteils zu machen, ist man nie. Die von mir genannten Schritte (zusammen mit der Fragestellung und der Gutachterauswahl) mindern das Risiko schon gewaltig. Purer Blödsinn hat keine Chance.

Wenn wie hier der Gutachter glaubt, etwas zu wissen und das auch noch scheinbar plausibel begründet, dann bedarf es eben eines Verteidigers, der das nicht so einfach stehen lässt, sondern angreift und dagegen argumentiert. Das ist wohl nicht geschehen.


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08.10.2019 um 18:52
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Hier muss man natürlich sich fragen, ob die Gutachterin die Behauptung Ms bzgl. der Flohmarkt-Geschichte kennt.
Die muss die Gutachterin nicht kennen. Sie soll eine Expertise zur Frage angeben, ob dieses bestimmte Tonband bei der Tatausführung verwendet worden sein kann, und mehr nicht. Sie soll nicht den Fall entscheiden, sie soll als sachverständige Zeugen bestimmte Fragen des Gerichts beantworten, fertig. Über die übrigen Fragen und Fakten des Falles muss der Gutachter nichts wissen, wie jeder andere Zeuge auch nicht.

Ob die Gutachter- und sonstigen Zeugenaussagen den Angeklagten be- oder entlasten, entscheidet allein das Gericht.


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08.10.2019 um 19:10
PS: Es ist auch äußerst selten, dass Gutachter sich dazu äußern, ob etwas den Angeklagten belastet oder nicht. Die meisten Gutachter kennen ihre Aufgabe und ihre Rolle in einem Prozess und beschränken sich auf die Beantwortung der Fachfragen aus ihrem Fachgebiet,, die ihnen vom Gericht, von der Verteidigung, von der StA gestellt werden.


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08.10.2019 um 19:43
@monstra

Leider versuchst Du mal wieder das Todschlagsargument zu bringen, was hier häufig versucht wird, dass es angeblich keinen Sinn machen soll, ein zweites zu erstellen. Das ist Unsinn. Ja, es mag dem Richter so etwas vorschweben, und das wird er selber vielleicht auf rechtlichen Gebiet her kennen (zwei Gutachter, drei Meinungen), aber auf physikalischem Gebiet sieht das anders aus.

Erst ein zweites würde die Verteidigung und das Gericht in die Lage versetzen, die beiden Gutachten zu vergleichen.

Wenn man wirklich zwei auch wie Du es formulierst für den Laien verständliche Gutachten vor sich hat, wird man auch Unterschiede schon herauskristallisieren können.

Ich kann hier nur bzgl. Gutachten auf dem physikalischen Gebieten sprechen. Da sind die Effekte, welche auftreten können, schon relativ klar. Die Gutachten wird in der Regel nicht sehr unterschiedlich sein, im Alltag sind es eher einfache Effekte, die eine Rolle spielen. Du siehst es doch hier auf dem Forum, Leute, welche von der Sache etwas verstehen, sind doch überwiegend der Ansicht, dass die Gutachterin sich geirrt hat.

Und ich denke, wenn noch kein Urteil gesprochen ist, werden es auch Gutachter sich leichter tun, einzugestehen, dass sie einen physikalischen Effekt einfach nicht bedacht haben. Erst ein zweites Gutachten würde eine Art wissenschaftlichen Dialog eröffnen.

Und wenn man das Zivilverfahren sich ansieht, die Gutachterin hat in Wirklichkeit die wesentlichen Punkte auch zugegeben, die sie im ursprünglichen Gutachten mit keinem einzigen Wort angesprochen hat, die Unterdrückung des 6. Tons kann mit jedem Gerät mit mehreren Schallquellen (Stereo) nur durch eine etwas andere Mikrofonaufstellung erreicht werden, es ist eben kein Fingerabdruck dieses einen Geräts, wie sie ursprünglich behauptet hatte. Und die Unlogik der gehörten Geräuschsequenz, gab sie auch zu. Nur statt hier gleich zu sagen, dass es daher die Verwendung des TK248 nur noch eine theoretische Möglichkeit sei und es vermutlich doch um ein anderes Gerät handelt, behauptet sie eine durch nichts belegbare Manipulation durch die Täter, die da irgend etwas zusammen geschnibbelt haben sollen. Dass dies mit den damaligen Mitteln in der Form in Wirklichkeit gar nicht möglich war, verschwieg sie oder war ihr nicht (mehr) bewusst. Selbst wenn das angeblich möglich gewesen sein soll, es ist und bleibt eine reine Vermutung, sie konnte auch nicht beantworten, welches Motiv die Täter für diesen Aufwand überhaupt gehabt haben könnten. Mit einer reine Vermutung kann man aber nie behaupten, dass das Gerät "wahrscheinlich" verwendet wurde. Ich denke, hätte man diese Art der Befragung schon im Strafprozess gegeben, hätte sie ihr Gutachten ergänzt und ihr Ergebnis revidiert. Von einem "akustischen Fingerabdruck" kann man sicher nicht mehr sprechen, wenn man diesen nur noch mit einer Manipulation erklären kann, das ist großer Unsinn.

Wie gesagt, dass ist hier alles schon gefühlt tausend mal erörtert worden, wir drehen uns hier im Kreise


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