Mark_Smith schrieb:Also ich finde das rein taktisch kein schlauer Schachzug, also mir würde es, wenn ich Täter wäre, nie in den Sinn kommen, die entführte Person dort in der Nähe zu platzieren, wo die entführte Person weggekommen ist. Für mich wären die Nachteile grösser als die Vorteile.
Das sehe ich genauso.
Es gab damals (ab 1970er Jahre) eine ganze Reihe von Entführungen in der BRD. Natürlich ist jede dieser schrecklichen Fälle einzeln zu betrachten und einzigartig in seiner Grausamkeit. Aber es ist dennoch so, dass es - trotz aller Unterschiedlichkeit - Gemeinsamkeiten gibt, die sich aus rein rationalen Gründen fast zwingend ergeben. Etwa das generelle Muster: Es soll Geld erpresst werden, das "Faustpfand" ist das wertvollste überhaupt: das eigene Kind. Dieses Faustpfand ist so wertvoll, dass es nicht nur sehr gut, sondern v.a. auch sorgsam versteckt/untergebracht werden muss.
Das bedeutet, es muss 1.) ein sicheres Versteck sein - im doppelten Sinn: sicher im Hinblick auf Entdeckung und sicher im Hinblick auf das Leben des Kindes.
Es muss 2.) sicher für eine unbestimmte Zeit sein (es gab zwar Fälle, in denen das Opfer nach wenigen Tagen freigelassen wurde, aber zur Erinnerung: bei der Entführung von Nina v. Gallwitz dauerte es fast 5 Monate bis zur Freilassung)
Das Versteck muss 3.) auf jeden Fall weit weg vom Entführungsort sein, ohne klare Spuren zu hinterlassen.
Denn: die Polizei KANN nur vom Entführungsort ausgehend ermitteln, sie folgt von hier ausgehend jeder noch so kleinen Spur. Es ist also völlig abwegig, das Opfer im engsten Nahbereich zu verstecken.
Die meisten Entführungsfälle der damaligen Zeit sind aufgeklärt und das ermöglicht es, jenseits von reiner Spekulation die Fakten zu vergleichen. Ich denke, es sind gerade die Abweichungen, die in diesem Fall bedeutsam sind. Und es ist hier eine der auffälligsten Besonderheiten, dass der Ort der Entführung gerade mal 800 m vom Ort der Verbringung entfernt liegt.
Das ist meines Erachtens der Ausgangspunkt jeder Überlegung. Ich denke auch immer noch, dass sämtliche wirklich "harte" Fakten, alle echten Spuren, jede Besonderheit, die auf die Planung & Durchführung genau dieser Täter hinweist, sich zunächst mal um den Ort dreht.
Auf keinen Fall ist der Ort in diesem Fall austauschbar oder beliebig, also einfach ein Ort, den die Täter ab und zu mal tangierten.