panta_rhei schrieb:Denkst du, die Kiste bzw. der Korpus könnte vorher einen anderen Zweck gehabt haben?
Über die Kiste, ihre Präzision und die verwendete Sorte der Tischlerplatten gibt es etwas unterschiedliche Darstellungen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hat ein Betrieb zum Bau von Transportkisten in Bayern folgende Einschätzung zur Kiste abgegeben:
"Die Grundbauweise des Kistenkorpus deutete daraufhin, dass diese fachmännisch zusammengebaut und möglicherweise dem Transport irgendwelcher Gegenstände gedient haben dürfte...
Als gesichert kann aber nun die Annahme gelten, dass die Tatkiste firmenmäßig hergestellt worden war. Die Lage und Verschraubung der Kopf-, Boden- und Seitenplatten weist eindeutig
darauf hin, dass diese Kiste im liegenden Format (also nicht stehend) eine Vorverwendung gehabt haben dürfte. Sie dürfte aber sicher nicht aus einer Massenproduktion stammen.
Für eine firmenmäßige Fertigung sprechen insbesondere die bündig in die Seitenplatten eingearbeiteten, Kopf-und Bodenbretter und deren seitliche Verschraubung."
Auch in anderen Beschreibungen der Kistenbretter (Seiten und Boden) ist darauf hingewiesen, dass sie exakt parallel und rechtwinklig geschnitten sind. Das ist ohne professionelle Kreissäge nur schwer möglich.
Dem widerspricht allerdings die für das Bodenbrett genannte Abmessung von 560 mm in Längsrichtung der Stäbe und einer Breite von 681 mm bis 683 mm.
Dem widerspricht auch eine Stellungnahme eines Ermittlers, der gelernter Schreiner ist. Er sieht in der Ausführung eine ziemlich schlampige Amateur-Arbeit. Dieses Urteil bezieht sich im Wesentlichen auf nachträglich angebrachte Bohrungen.
Wie auch
@AnnaKomnene geschrieben hat, sehe auch ich die Möglichkeit, solche Platten im Baumarkt präzise zuschneiden zu lassen. Außerdem deutet die große Anzahl auch unterschiedlicher Schrauben auf einen Amateur hin. Es kann natürlich sein, dass die Täter nachträglich noch zusätzliche Schrauben eingesetzt haben.
Gegen Zuschnitte aus einem Baumarkt spricht das exotische Material der Tischlerplatten. Es handelt sich um die Kiefernart Pinus Radiata, die vor allem in Südamerika, Südafrika und Neuseeland beheimatet ist. Diese Art war in Deutschland zu der Zeit nur wenig bekannt. Daraus bestehen die Seitenwände der Kiste, der Boden sowie Sitz und Ablage. Der klappbare Kistendeckel (gemeint ist nicht die aufgesetzte Haube) besteht aus bei uns weit verbreitetem Fichtenholz mit Gabun-Furnier.
Möglicherweise wurden Sitz und Ablage aus der sechsten Wand der ursprünglichen Kiste (ursprünglich Seitenwand, siehe oben) hergestellt. Sitzbrett und Ablagebrett waren ursprünglich ein Ganzes und wurden durch einen Trennschnitt geteilt. Allerdings passen die Abmessungen des Kistenbodens (560 x 682) und der Gesamtheit von Sitz- und Ablagebrett (562 x 550) nicht zusammen. Die kurzen Seiten und jeweils eine Längsseite sind exakt und rechtwinklig geschnitten.
Der Trennschnitt soll zusammenpassen und mit einer Handsäge ausgeführt sein. Meine Theorie der aufgeteilten ursprünglichen 6. Seite würde nur passen, wenn aus dieser ein Bereich von 130 mm in der Mitte fehlen würde. Dann ergäbe sich ein zum Kistenboden passendes Gesamtformat von 562 mm x 682 mm. Eventuell wurde nicht genau genug geprüft, wie gut die Trennschnitte von Sitz- und Ablagebrett tatsächlich zusammenpassen.
Wie üblich hat die Polizei ausführliche Ermittlungen zur Herkunft der Platten angestellt:
"Bei der Tischlerplatte Pinus Radiata handelt es sich um eine dreifach verleimte Holzplatte mit einer Mittellage aus 30 mm breiten Holzstäben, die beidseitig mit einem Furnier der gleichen Holzart verleimt sind...
Das zur Tatkiste verwendete Holz hat eine Stärke von 19 mm. Die Platten werden von der Fa. Chet Board (PTY) in Butterworth bei Johannesburg/Südafrika hergestellt."
Diese Ausführung der Platten kam erst nach April 1980 in den Handel, vorher waren die Stabeinlagen schmaler.
Der Einzige Importeur für Deutschland, Österreich, Schweiz, Benelux und GB war eine Firma in Bremen mit Niederlassungen in Hamburg, Oldenburg, Bad Salzuflen, Herne, Köln, Offenbach, Stuttgart und Nürnberg. Von der Nürnberger Niederlassung wurden 7 Großabnehmer in Oberbayern (Garching, Landsberg, München, Ottobrunn und Traunstein) mit insgesamt 95 Unterabnehmern identifiziert.
Die Polizei hat 121 holzverarbeitende Betriebe im Raum Germering, Fürstenfeldbruck und Bad Wörishofen (westlich von Landsberg) überprüft. Keiner von denen hat derartige Platten bezogen oder für Kunden Zuschnitte im Tatkistenformat angefertigt.
Über die einzelnen Unterabnehmer und holzverarbeitenden Betriebe habe ich nichts gefunden. Von Baumärkten wurden Pinus-Radiata-Platten wohl weniger oder überhaupt nicht verkauft.