Natürlich spricht einiges dafür, die hier immer wieder angeführten, von außen stammenden Sexualstraftäter noch einmal etwas genauer, mit Blick auf den Fall Inga, unter die Lupe zu nehmen. Keine Frage.
Was mich daran stört, ist die Tatsache, dass die Konzentration auf zwei bekannte mögliche Verdächtige völlig den Blick dafür verstellt, wie unglaublich viele einschlägige Straftaten es jährlich in Deutschland gibt:
Die seit Jahren anhaltende Entwicklung steigender Fallzahlen bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen setzt sich auch für das Berichtsjahr 2022 fort (plus 8 Prozent auf 54.188 Fälle). Die Fallzahlen des sexuellen Missbrauchs von Kindern sind mit 15.520 Fällen (2021: 15.507) weiter hoch.
Quelle:
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/03/pks2022.htmlÜber 15.000 Fälle allein im Jahre 2022, jeder von ihnen selbstredend einer zu viel, und das Dunkelfeld der nicht aktenkundig gewordenen Fälle ist dabei noch nicht einmal eingerechnet. Natürlich sind die Fälle, bei denen das Tatopfer auch noch physisch umgebracht wird, darunter selten. Und noch seltener verschwinden die Tatopfer dauerhaft.
Aber selbst, wenn man Mehrfachtäter herausrechnet, muss es in Deutschlands Gesellschaft einen Bodensatz von tausenden, und bezieht man die MIssbrauchsmaterial-Täter (über 54.000 Fälle 2022) mit ein, von über 60.000 vorwiegend Männern geben, die für mich als Täter prinzipiell in Frage kommen.
Nahezu jeder Erwachsene hat hierzulande Zugriff auf einen Pkw, und kein Punkt unseres Landes ist von einem anderen weiter als eine Tagesreise entfernt. Es kommen, nach meiner Rechnung, wohl über 50.000 Männer als Täter in Frage; hinzu kommen die in der Vergangenheit auffällig gewordenen Täter, sofern sie 2022 nicht erneut durch Taten in Erscheinung getreten sind.
Dass es sich beim Wilhelmshof um ein relativ abgelegenes, relativ abgeschlossenes Konglomerat von Häusern handelt, ist richtig. Im Jahre 2015 spielte das Internet jedoch schon eine ähnliche Rolle wie heute; in meinen Augen ist auch eine arbeitsteilige Vorgehensweise einander nicht persönlich bekannter Pädokrimineller in dem Sinne denkbar, dass man sich schon vorab über mögliche Tatopfer und -orte in einschlägigen Foren ausgetauscht hat. Vielleicht sogar aus Tätersicht besonders attraktive Opfer eingehender, vielleicht auch mit technischen Mitteln, ausgeforscht und beobachtet hat.
Wenn ein oder mehrere Pädokriminelle es ganz gezielt auf Inga abgesehen haben sollten, dann konnten sie möglicherweise auch wissen, dass sie mit ihren Eltern wegfahren, und sich am Wilhelmshof aufhalten würde. Eine Statusmeldung bei WhatsApp, ein nicht bedachter Eintrag in den sozialen Medien, vielleicht von jemandem aus dem Umfeld, und schon sind Täter über die Familenpläne informiert.
Man müsste wissen, ob vor Ingas Verschwinden in den dunklen Ecken des Netzes bereits über sie gesprochen wurde.