muscaria schrieb:Hätte dieser enorme Leidensdruck denn beim Strafmaß nicht irgendwie mit berücksichtigt werden können?
Unter anderen Umständen, also mit "normalen" Nachbarn, wäre Darsow wohl nie zum Mörder geworden.
Sonst wird doch auch alles Mögliche strafmildernd gewertet, z.B. eine schwere Kindheit. Sogar der Alkoholspiegel, obwohl ein Täter den ja selbst zu verantworten hat. Warum in diesem Fall nicht? Weil er nicht gestanden hat?
Ja, da ist Darsow in einem Dilemma. Zwar schreibt das Gesetz eigentlich vor, dass der Mörder mit lebenslänglicher Haft bestraft werden muss, aber es gibt inzwischen durch die sog. Strafzumessungslösung in Einzelfällen die Möglichkeit, auch einen Mörder milder zu bestrafen.
Ausserdem hatte das Gericht hier einen gewissen Ermessensspielraum hinsichtlich der Feststellung der "schweren Schuld," die in der Praxis auch mal 10 Jahre auf ein "normales" Strafmass draufsatteln kann.
Nur: das Gericht hätte sicherlich sich nur dann bereitgefunden, diese Dinge in Erwägung zu ziehen, wenn Darsow die Tat gestanden und die besonderen Gründe, wie z.B. diesen Leidensdruck, selbst dargelegt hätte. Das hat
@Cassandra71 hier richtig bemerkt.
Der BGH ist hier allerdings immer wieder deutlich auf die Bremse getreten, seit dem berühmten Haustyrannenurteil, denn er sagt schon richtig: Der Gesetzgeber geht erst mal von der lebenslangen Haft aus.
Darsow und seine Verteidiger wollten offensichtlich nicht das Risiko eingehen, dass das Gericht hier keine ausserordentlichen Milderungsgründe sieht. Sie haben lieber darauf bestanden, dass die Anklage die Tat nachweist und gehofft sie könne das nicht.
Apropos verstehen. Verstehen heisst genau das, es verstehen können. Das heisst nicht, dass man die Tat gutheisst, entschuldigt usw. Das kann aus dem Verstehen resultieren, aber muss nicht. Verstehen kann ich einen Ehemann, der seine Frau mit ihrem Liebhaber erwischt und beide sofort tötet. Der Gesetzgeber übrigens auch, er nennt so etwas Affekttat. Wer das versteht, muss das aber noch lange nicht gutheissen. Der Gesetzgeber tut das auch nicht, eine solche Tat ist nicht straffrei. Usw.
Um diesen Fall hier richtig beurteilen zu können muss man aber m.E. Darsows Motiv verstehen können.