Rick_Blaine schrieb:Wenn ich Richter in diesem Verfahren gewesen wäre, allerdings unter den oben beschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich der Kenntnis aller Details, dann hätte ich AD guten Gewissens ebenfalls verurteilt.
Vielen Dank! Ehrenwert und nachvollziehbar - nach bestem Wissen und Gewissen.
Ich hätte vermutlich als Richter auch so entschieden (aber versucht, ein besseres, stringenteres und klareres Urteil zu schreiben; ohne Fiktionen, Pseudogewissheiten und Zirkelschlüsse). 100%ig wäre ich trotzdem nicht überzeugt gewesen, schon weil der Täter nicht geständig war. Und weil ich nun mal nie von der absoluten Fehlerlosigkeit meiner Entscheidungen über andere Menschen überzeugt bin. So wie sich Wissenschaft irrt, so kann sich auch Justiz irren. In der Wissenschaft wird das irgendwann unweigerlich offenbar, in der Justiz manchmal erst nach Jahrzehnten - und manchmal nie.
Deshalb habe ich hier nie für die Unschuld von Herrn Darsow plädiert. Aber für das Bewusstsein und die Sensibilität, wann zu leichtfertig, zu schnell, zu oberflächlich, zu herablassend geurteilt wird. Ob das hier der Fall war, will ich offen lassen.
Ehrenwert und nachvollziehbar - nach bestem Wissen und Gewissen - auch die Motive diejenigen, die sich für (mutmaßliche) Justizopfer einsetzen. Auch sie werden sich hoffentlich bewusst sein, dass ihre Gewissheit nur relativ ist und sie angelogen werden können. Aber ich denke, diese Gefahr ist solchem Engagement immanent und daher ebenfalls bewusst.
Und noch eine Zahl am Rande:
2016 haben in 383.000 Verfahren vor den Strafgerichten mit einer Hauptverhandlung an 222.000 Verfahren Verteidiger teilgenommen. Also in rund 161.000 Verfahren war in der Hauptverhandlung kein Verteidiger anwesend.
Das sind rund 42%.
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Strafgerichte2100230167004.pdf?__blob=publicationFile(S. 36, Ziff. 41 bis 44)