Nun, zur Frage des fälschlicherweise in Deutschland sogenannten Jugendstrafrechts (normalerweise umfasst der Jugendbegriff eben nicht Personen die bereits 20 Jahre alt sind) und der Frage ob JS sich erhofft hatte, die sehr milden Strafen bei Anwendung dieses Rechts in Deutschland zu erhalten, ist der von
@ligala eingestellte link schon interessant:
ligala schrieb:Siehe Link:
http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks01d.htm
Bei einer Anwendung des Jugendstrafrechts im Falle einer Straftat gegen das Leben von 91% der Fälle von Heranwachsenden, ist es mehr als plausibel, dass JS darauf hoffen konnte und darauf gehofft hat, dass auch er davon profitieren kann.
Diese spezielle Form des deutschen Rechts empfinde ich persönlich als extrem abstrus und dem Rechtsempfinden vieler eindeutig nicht entsprechend. Auf der einen Seite wird in Deutschland diskutiert, das Wahlrecht bereits Jugendlichen ab 16 einzuräumen, es wird gebannt an den Lippen Greta Thunfischs gehangen, die das Klima besser verstehen soll als echte Experten und so weiter... und dann aber sagt man, dass ein zwanzigjähriger oder ein achtzenjähriger Mörder die Tatweite seiner Tat nicht begreifen kann, und daher milder bestraft werden soll, als ein Täter, der ein Jahr älter ist.
Macht die Argumentation in einem Bereich Sinn, wo es wirklich um den Unterschied von Kindern und Jugendlichen geht, Stichwort Strafmündigkeit, macht es in meinen Augen keinen Sinn mehr, zwischen Tätern die 21 Jahre alt sind und solchen die 22 Jahre alt sind zu unterscheiden. Dass ein Mensch wie JS, 18 Jahre alt, angeblich hochintelligent, nicht in der Lage sein soll zu begreifen, dass der brutale Mord an zwei Menschen nicht eine absolut verabscheuungswürdige Tat ist, die zu Recht mit der höchsten Strafe geahndet werden soll, kann ich nicht nachvollziehen.
In den USA gilt diese Grenze der potentiell milderen Strafe nun mal bei 18 Jahren, wobei auch diese Fristsetzung freilich diskutabel ist.
Das ist das eine, was mir bei dieser Diskussion hier im Thread etwas merkwürdig vorkommt. Der arme kleine Jens, der nicht verstanden hat, was er da tut? Der aber direkt nach der Tat in der Lage sein soll, sich ein ausgeklügeltes System der Abwehr der Strafverfolgung zu überlegen?
Dann liest man hier auch noch, dass manche der Meinung sind, dass das deutsche praktizierte Recht, das mehr oder weniger heutzutage der Meinung ist, dass 15 Jahre Freiheitsentzug das absolute Maximum sein sollten (der Gesetzgeber hatte sich unter lebenslang durchaus noch lebenslang vorgestellt, erst das Bundesverfassungsgericht hat viel später dazu eine andere Meinung gefunden), und alles darüber hinausgehende irgendwie "falsch" sein muss.
Venice2009 schrieb:Ich möchte hier auch keine Debatte darüber starten, welche Haftstrafen angemessen sind und welche nicht. Die USA ist ein demokratisches Land und keine Bananen Republik. Man kann das Strafsystem gerne kritisch beäugen. Sich aber hier hinzustellen und behaupten unser Strafsystem sei soviel besser, kann ich einfach, aufgrund der Statistiken, nicht ganz nachvollziehen.
Exakt. Problematisch ist die Wertung des Ganzen. Denn es ist richtig und wichtig:
Venice2009 schrieb:... dass es bei einer Bestrafung auch u. a. um Gerechtigkeit geht.
und
breakup schrieb:Die Tat ist der entscheidende Faktor...
Ich gebe zu, als Praktiker, der sich aber sehr viel mit Rechtsphilosophie beschäftigt hat, oute ich mich als Kantianer.
Historisch gesehen hatte Strafe immer mit der Tat zu tun. Schon im ersten "modernen" Rechtssystem, das uns eingehend bekannt ist, im alttestamentlichen Gesetz, ist zu betrachten, dass man sich grosse Mühe gemacht hat, die Schwere der Tat mit einer korrespondierenden Schwere der Strafe zu verbinden. Und daher ist es auch kein Wunder, wenn in allen mir bekannten Zivilisationen bis in die Neuzeit hinein die willkürliche und verbrecherische Vernichtung menschlichen Lebens, also der Mord, als die schwerste denkbare Straftat empfunden wurde, die entsprechend mit der höchsten denkbaren Strafe geahndet werden sollte.
In Europa findet man erst seit Kurzem den Gedanken attraktiv, selbst allerschwerste Straftaten, wie mehrfachen Mord (Beispiel Breivik in Norwegen) mit einer verhältnismässig milden Strafe, in Europa üblicherweise irgendwo zwischen 12 und 20 Jahren Freiheitsentzug zu ahnden. Gut, das ist eine Entscheidung, die der jeweiligen Gesellschaft obliegt. Nur sollte man nicht so tun, als wäre das ein irgendwie objektiv geltender Masstab für alle Menschen auf der Erde. Andere Gesellschaften, z.B. die der USA, empfinden eine solche Bestrafung der schwersten möglichen Tat schlicht und ergreifend als der Tat nicht angemessen und daher ungerecht.
Und hier schliesst sich wieder der Kreis: JS hat nun mal seinen Doppelmord in den USA begangen und musste die am Tatort geltende Rechtsauffassung nun hinnehmen, dass er dafür weit mehr Jahre Freiheitsentzug "verdient" hatte, als es in Deutschland der Fall wäre. Das zu lamentieren ist irgendwie unredlich.
@MelusineWeiter so, ich finde Deine Beiträge hoch interessant.