Um es noch einmal zu wiederholen: von einer Anklage gegen Br. in Portugal ist nach den portugiesischen Angaben noch lange nicht die Rede. Er wird offiziell als ein Tatverdächtiger eingestuft, mehr erst einmal nicht.
Aber gehen wir mal auf die Fragen von eben ein:
1. Die Verjährung ist tatbezogen, nicht täterbezogen. Juristen haben oft und viel über den Sinn oder Unsinn der Verjährung diskutiert, und dabei mehrere Begründungen erstellt. Mir persönlich liegt die prozessrechtliche allerdings am Herzen. Sie findet sich in der sog. Beschleunigungsmaxime, die auch Teil der EMRK ist: Strafverfolgungsbehörden sollen sich bemühen, eine Straftat so schnell wie möglich aufzuklären und zu einer gerichtlichen Entscheidung zu bringen. Warum? Einmal um der "Gerechtigkeit" genüge zu tun, die Öffentlichkeit, so sagt man, habe ein Interesse daran, dass Taten möglichst bald geahndet werden und nicht durch eine langsame Polizei im Endeffekt ewig unbestraft bleiben. Wichtiger ist aber der Blick auf die Beweismittel: diese haben die Tendenz mit der Zeit immer schlechter und unzuverlässiger zu werden, und zwar auf beiden Seiten.
Beispiel:
Im beschaulichen niederbayerischen Städtchen Vilshofen bricht jemand in der Nacht zum Montag in den Goldenen Löwen ein und entwendet die Kasse, die nach dem Wochenende gut gefüllt ist und vom Wirt unter dem Tresen versteckt wurde, um das Geld am Montag zur Bank zu bringen. Der Wirt jedoch erwacht anscheinend beim Einbruch, stellt den Dieb - und wird von ihm erschlagen.
Die Gendarmerie lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und lässt sich ein paar Jahre mit Ermittlungen Zeit. Dann ergibt sich, dass Zeugin Zenzi den Alois beschuldigt, diese Tat begangen zu haben. Die beiden waren bis vor Kurzem ein Paar, aber haben sich nun gestritten.
Alois hat nun ein grosses Problem. Seit der Tat sind 15 Jahre vergangen. Er erinnert sich zwar noch recht gut daran, was an jenem Abend geschah und vor allem, dass er selbst, an jenem Abend mit einer gewissen Tusnelda ein Techtelmechtel im Hause ihrer Mutter hatte, der damals schon etwas betagten Hildburga. Die hat die beiden erwischt und ihn rausgeworfen, weil er damals schon mit Zenzi liiert war, hat aber sonst niemandem davon erzählt. Auch Tusnelda war das alles so peinlich, dass sie nie davon berichtete.
Nun wird Alois also angeklagt. Zenzi schwört, dass Alois ihr die Tat gestanden habe. Alois würde jetzt gerne die beiden Zeuginnen vorladen, die sein Alibi bestätigen können. Aber: Hildburga ist vor einem Jahr im seligen Alter von 98 verstorben. Und ihre Tochter Tusnelda, sie ist vor 7 Jahren nach Australien ausgewandert und man hat nie wieder etwas von ihr gehört, keiner weiss wo sie nun lebt.
Alois steht nun ohne Alibizeugen vor dem königlich bayerischen Landgericht. Es sieht nicht gut aus.
Wäre das Verfahren gegen ihn bereits, sagen wir ein oder zwei Jahre nach der Tat eingeleitet worden, hätte er die beiden Zeuginnen noch vorladen können, diese hätten aussagen können und sein Alibi bestätigt.
Dann gibt es da noch den Huber. Auch er hat in jener Nacht etwas beobachtet: einen Mann, der durch ein Fenster in den Goldenen Löwen kletterte. Er glaubte damals den Theodor zu erkennen, den Bruder des Alois. Ganz sicher war er sich aber nicht, da die beiden Brüder sich ähnlich sehen. Er hat daher lieber geschwiegen.
Wachtmeister Dimpflmoser hat nun erfahren, dass der Huber eventuell ein ganz wichtiger Zeuge der Anklage sein könnte und ihn vernommen. Heute aber ist auch der Huber bereits 94 Jahre alt und erinnert sich nur noch, dass der König vor 85 Jahren mal im Goldenen Löwen zu Gast war. Ansonsten ist er nicht wirklich auf dem neuesten Stand, verwechselt den Ministerpräsidenten in München schon mal mit dem König von damals und jammert nur, dass die Welt viel schlechter geworden ist.
Hier wird nun deutlich, welches Problem eine jahrzehntelange Verschleppung eines Verfahrens bedeuten kann. Beweismittel und Zeugen werden unzuverlässig oder verschwinden ganz. Das Risiko eines Fehlurteils steigt extrem.
Um ein solches zu verhindern sagt die Rechtsordnung: irgendwann ist es einfach zu spät, ein faires Verfahren kann nicht mehr garantiert werden, daher sollte es ab einem bestimmten Zeitpunkt gar nicht mehr beginnen können.
Das sollte nachvollziehbar sein.
Zur Frage von
@Coldcases und anderen: Bisher war es so, dass sich der Strafklageverbrauch nur auf den gleichen Souverän bezog, ich hatte das gestern schon mal erwähnt. Inzwischen aber gibt es auf EU-Ebene Abmachungen zwischen den Staaten, dass dieses Prinzip auf die EU-Staaten insgesamt angewandt werden soll. Das findet man in den Artikeln 54-58 des Schengener Übereinkommens. Ein rechtskräftiger Freispruch in Portugal z.B. würde eine neue Anklage in Deutschland nicht mehr erlauben.