Flavia schrieb:Es ist von Seiten des Staatsanwalts von "concrete evidence" die Rede; könnte es sein, dass es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler von Herrn Wolters handelt und er "evidence" mit "indication" verwechselt? Oder sind bei solchen Äußerungen bzw. Briefen an die Eltern/englische Polizei etc. auch professionelle Übersetzer beteiligt, um Missverständnisse auszuschließen?
Ich will niemandem zu nahe treten, aber jemand, der Englisch studiert hat, ist viel sicherer in der Materie drin als jemand, der z.B. Jura, Medizin, BWL oder sonst irgendetwas studiert hat und dann mit (Geschäfts-)kollegen sein im Schnelldurchlauf aufgefrischtes Businessenglisch ausprobiert...
Vielleicht akzeptierst aber die Interpretation eines deutschen Juristen, der ein Jahr in GB (u.a. auch Strafrecht) studiert hat....;-) und ohne den studierten Anglisten zu nahe treten zu wollen: Ohne Kenntnis der Rechtsterminologie beider Sprachen und die Einordnung der Terminologie in den Hintergrund der Rechtssysteme, bei denen es schon einige Unterschiede gibt, sind Übersetzungen von juristischen Fachbegriffen bzw. Begriffen, die auch eine juristische Bedeutung haben können, echt schwierig.
Generell gilt (auch außerhalb der Rechtsterminologie): Begriffe im deutschen und englischen sind eben nicht immer absolut deckungsgleich und haben oft verschiedene Bandbreiten, die Sprache ist aufgrund der verschiedenen Einflüsse aus dem keltischen, germanisch-angelsächsisch, normannisch-französischem, lateinischen (die beiden letzteren insbesondere bei Rechtsbegriffen). Dadurch ist der Wortschatz enorm und man hat mehr Begrifflichkeit für Zwischentöne. Der Begriff evidence rangiert irgendwo zwischen Indizien und Beweis, ist aber mehr als ein Indiz aber noch kein "proof". Beweiserhebung ist im englischen "taking evidence", aber für die Verurteilung muss es "proven beyond reasonable doubt" sein.
Auch das muss man vor der Tradition der Geschworenengerichte (jury trial) in GB sehen: Der Richter muss die Geschworenen darauf hinweisen, dass sie nur "guilty" votieren dürfen, wenn sie von der Schuld überzeugt sind. Dazu bedarf es eines "proof" und nicht bloß eines "evidence", obwohl man im deutschen beide Begriffe durchaus u.a. mit dem Begriff "Beweis" übersetzen kann.
Wenn die Sun also StA Wolters wortwörtlich zitiert haben sollte, muss man vorsichtig sein und das nicht auf die Goldwaage legen, er ist kein "Native Speaker". Auch wenn er sich im deutschen Straf(Prozess)recht absolut auskennt, müssen ihm die Feinheiten der englischen Sprache bzw. deren Terminologie nicht unbedingt geläufig sein.
Das tückische an der englischen Sprache (vor allem in ihrem "Mutterland" Großbritannien) ist, dass man sehr schnell lernt, sich irgendwie verständlich zu machen (vor allem im Alltag), aber die kulturelle Durchdringung mit den feinen Untertönen und den hintergründigen Unterschieden von Worten, die man in vielen Fällen synonym nutzt, für einen Nicht-Muttersprachler nahezu unmöglich ist.