@Heide_witzka @allAuch für die Homöopathen, die ich kenne, hat sich ein bisschen was seit Hahnemann entwickelt. Zum Beispiel versuchen die Verantwortungsvollen darunter nicht mehr, Syphilis mit H. zu heilen.
Ich schrieb bereits, dass einige Ärzte die H. als wirksames Placebo einsetzen, statt milderer Psychopharmaka, Schmerzmittel u.s.w.. Und als Legitimation, dass sie ja auch H. verschreiben würden, aber
in diesem besonderen Fall zu herkömmlicher Medizin raten würden. Das erhöht das Vertrauen von Patienten, die der Medizin gegenüber skeptisch sind.
Wie stark die Psyche bei der Behandlung chronischer Schmerzen z.B. mitspielt, kann Dir jeder Arzt mit Fortbildung in Psychosomatik bestätigen.
Jetzt kommt es noch härter: Ich glaube selbst nicht an Homöopathie. Aber als ich mir mal sehr heftig beim Kochen die Hand an heißem Dampf aus einem Bräter verbrannte, hat meine Mutter eine Salbe auf meine Finger geschmiert und am nächsten Tag war nur an einem Finger noch eine leichte Rötung zu sehen. Seitdem ist Rescue-Creme in meiner Werkstatt das Mittel gegen Verbrennungen und wirkt
immer.
"Rescue"-Mittel sind nicht streng homöopathisch, denn es sind Wirkstoffe noch nachweisbar, aber warum die Salbe wirkt ist mir schleierhaft. Genauso wie die Silicea-Salbe fürs Gesicht, die das einzige ist, was ich vertrage... Wasser mit Paraffin, vermutlich einfach in der richtigen Mischung. Als ich sie ausprobierte, wusste ich nicht, dass sie homöopathisch ist.
Und noch krasser: Ich hatte jahrelang regelmäßig Mandelentzündungen (und habe Antibiotika dagegen genommen), bis mir eine Kundin aus reinem Eigeninteresse irgend welche Tropfen in die Hand drückte. Seitdem habe ich keine Mandelentzündung mehr... erst später stellte ich fest, dass es ein homöopathisches Mittel ist.
Ich glaube also nicht an H., benutze aber regelmäßig drei Mittel, die h. sind, weil sie wirksam sind - und sie sind nicht teurer, als herkömmliche Mittel. Im Falle der Gesichtscreme spare ich sogar sehr viel Geld, auch wenn die Rohstoffe vermutlich nicht mehr als ein paar Cent kosten und die 8 Euro pro Tube möglicherweise Wucher sind.
In allen drei Fällen wusste ich bei der ersten Anwendung nicht, was ich da benutze (außer "irgendwas mit Kräutern") und in anderen Fällen nehme ich konsequent herkömmliche Medizin, auch Antibiotika.
Langer Vortrag kurzer Sinn: Es geht nicht um ein Entweder/Oder. Das ist längst obsolet, da die "Naturheilmittel" und H. längst von so vielen Patienten akzeptiert werden.
Man kann sich die durch viele (für den eigentlichen Zweck falsch angelegte) Studien belegte Placebowirkung aber zu Nutze machen. Oder die richtige Mischung der Salbengrundlage, die wirkt.
Die größte Gefahr an der H. ist, dass schon die Kinder daran gewöhnt werden, bei jedem körperlichen oder seelischen Zipperlein ein Mittel einzunehmen. Langfristig trainiert man Menschen damit auf Abhängigkeiten, wenn es gegen jede seelische Schieflage irgend welche Globuli einzunehmen gibt. Auch Placebos können abhängig machen.
Viel dramatischer war aber, dass unser Hausarzt auf dem Dorf den alten Damen, die einsam und etwas trübselig waren, harte Psychopharmaka verschrieb. Der Nachfolger stand vor der Aufgabe, entweder extrem belastende Entziehungskuren durchzuführen, oder die Damen weiterhin zu sedieren. Er sagte mir, dass er in solchen Fällen die Homöopathie für eine Segen hält. Es wäre sicher sehr viel leichter gewesen (oder unnötig), sie von der psychischen Abhängigkeit von Milchzucker zu heilen.
Wäre es nicht legitim, für die Patienten wie für die Ärzte, Placebos einzusetzen? Was genau ist an Milchzucker gefährlich? So lange jemand erkennt, wann eine medizinische Therapie angezeigt ist, und den Patienten überzeugen kann, ist doch alles in Butter. Wenn Patienten aber nicht zum Arzt gehen, weil sie das Gefühl haben, dort immer nur Antibiotoka verschrieben zu bekommen, ist nichts gewonnen.
Übrigens habe ich in 20 Jahren ein halbes Dutzend Frauen kennen gelernt, deren Hausärzte eine deutlich sichtbare Skoliose (!) nicht erkannt haben und ihnen gegen die Rückenschmerzen Massagen verschrieben oder, weil noch keine Beschwerden auftraten, gar nichts dazu sagten, dass ihr Rückrad verdreht ist. Andere hatten einen sichtbaren, nicht diagnostizierten Hüft-Schiefstand, unterschiedlich lange Beine u.s.w.. Leider sind viele Hausärzte nicht so sorgfältig, wie sie sein sollten, und schauen sich den Patienten noch nichtmal genau an. Dann gibt es keine Überweisung zum Orthopäden und keine vernünftige Diagnose. Der Masseur freut sich über einen Stammgast, denn bei Skoliose hilft nur Rückengymnastik, keine Massage.
Genau darum fahren so viele Patienten auf den "ganzheitlichen" Ansatz ab (den jeder gute Arzt haben sollte) und konsultieren den, der auf dem Schild was mit Homöopathie stehen hat. Immerhin kann der mit der TKK eine ausführliche Anamnese von über einer Stunde abrechnen, auch wenn er danach Aspirin verschreibt, oder einen an den zuständigen Spezialisten überweist.
Homöopathie tötet nicht, außer man wäre gegen Milchzucker hoch allergisch. Die falsche Therapie tötet, oder die Ablehnung einer Therapie.